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In einem anderen Aufsatz: Erinnerungen aus Paris 1817-1841 überschrieben, heißt es: Größeren Gewinn, als von dem modernen Bühnenstyl hatten die Liebhaber mit der Zeit durch die Einführung von Franz Schubert's Liedern. Der Einfluß war überraschend, da die Franzosen so lange Jahre auf ganz entgegengeseztem Weg verharrt hatten. Er war überaus glücklich. Die Tiefe, die Gediegenheit, die vorherrschende Schwermuth, dieses alles, dieses Etwas der Schubert' schen Lieder, was nur gefühlt, nie beschrieben werden. kann, ward von den Franzosen begriffen, und merkwürdiger Weise hie und da hinreißend vorgetragen. Nie werde ich z. B. den Eindruck vergessen, als ich Nourrit den Erlkönig singen hörte 1). Der Geschmack für deutschen Liedergesang, wie über

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1) Auch „die junge Nonne“ sang er im J. 1835 in einer Akademie des Conservatoriums als „scene“ mit Orchesterbegleitung. Im „Journal des Debats" erschien darüber folgende Recension:,,La religieuse, scene avec orchestre de Schubert, chontée par A. Nourrit. Une jeune nonne, seule dans sa cellule, ecoute avec terreur le mugissement de la mer, qui battu par les vents, vient se briser avec un sourd murmure au pied de la tour, ou veille la recluse. Agitée par une passion secréte, son coeur enferme un orage plus effrayant encore. Elle prie, la foudre repond. Son agitation e ses terreurs redoublent, quand l'hymne de ses compagnes reunies pour prier dans la chapelle du couvent monte jusqu'a elle, sa voix s'unit a des chants religieux, e le calme du ciel rentre dans son âme. Tel est le sujet du petit poéme, che le compositeur avoit a developper. Il en fait un chef d'oevre. Ces tremoli continuels des violons, cette phrase sinistre de basses, qui repond a chacune des interjections de la nonne, ces bouffées de cuivre, qui semblent vouloir ecraser la voix, sans y parvenir, e surtout l'admirable expression de la partie de chant, tout cela est d'un dramatique achevé. Ah pauvre Schu

haupt die Bekanntschaft mit diesem Styl war allein Folge der großen Wirkung, welche Schubert's Lieder ausübten. Berlioz und in neuester Zeit Felicien David zeigten der Welt ihre Hinneigung zum Romantischen, aber große Absicht bringt nicht sogleich ein großes Resultat. Die französischen Nachahmungen Schubert's glückten noch weniger als die deutschen."

In Italien beschränkt sich die Kenntniß von Schubert's Werken auch derzeit noch auf ein Paar Dußend Lieder, die in Mailand und Neapel im Stich erschienen sind. Es sind dieß meist solche, welche der dortigen Gesangsweise am besten zusagen 1).

bert! mourir a vingt cinq (!) ans, avec un pareil avenir musical! Ce jeune compositeur, que Vienne a vu s'eteindre avant le temps, a laissé deux (!) volumes de morceaux a un ou plusieurs voix, qui sont a nos honteuses romances françaises, come l'ouverture de Coriolan est a celle du rossignol; quelques operas, qui nous sont inconnus, e plusieurs quatuors, e septuors (!) pour instruments a corde, ou l'elevation du style le dispute a l'originalité de la forme. L'Europe artiste apprecierà dans quelques années toute la richesse de l'heritage, che Sch. lui a ligué; on ne se bornerà pas sans doute a la Religieuse, on peut aujourdhui executer tout le reste, e rendre ainsi justice a l'auteur puisque il est mort. Nourrit a chanté avec âme et intelligence cette admirable page d'un des plus grands musiciens poétes d'Allemagne. Il est honorable pour lui, d'avoir su comprendre tout ce, que les chants de Schubert contiennent de sensibilité et de veritablé inspiration; il est du reste certain, che Schubert ne contient rien, de ce, que certaines gens appellent de la melodie fort heuresement."

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1)-In Ricordi's Musik - Katalog finden sich nur 25 Schubert'sche Lieder mit italienischem und französischem Text aufgeführt, darunter: Normanns Gesang, Gretchen, Gruppe aus dem Tartarus, der blinde Knabe, Schäfers Klagelied, im Grünen, an Silvia, der Wanderer, der v. Kreißle, Franz Schubert.

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Auch in England und in Nordamerika ist der Name Schubert wohl bekannt. Mehreren seiner Lieder ist der ursprüngliche englische Text beigegeben, und dadurch ihre Verbreitung in jenen Ländern befördert worden. Die „Ungeduld“ erschien auch mit spanischem Text, und Lenz fand die „Winterreise" auf einem Clavier in Cadix liegen. Immerhin ist aber die Verbreitung Schubert' scher Compositionen und überhaupt die volle Würdigung dieses Tondichters außerhalb Desterreich und Deutschland bis jetzt eine sehr beschränkte geblieben 1).

In Norddeutschland herrschten Reichardt und Zelter mit ihren Strofenliedern, und erst geraume Zeit nach seinem Tode drang Schubert auch dort siegreich durch, ja unter den Instrumental-Compositionen gelangte die C-Dur-Sinfonie zuerst in den Leipziger Gewandhaus-Concerten zur Aufführung und Anerkennung. In Wien dauerte die Vorliebe für seine Lieder ungeschwächt fort, bis in Folge eingetretener musikalischer Erschlaffung, vielleicht auch der Schwierigkeit der Begleitung, plöglich Liedercomponisten zweiten und dritten Ranges mit

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Abendstern, der Fischer, der Alpenjäger, die Forelle, Fischerweise, Nähe der Geliebten und Erlkönig, dieser auch mit deutschem Text. — Die dem Vernehmen nach in Italien gegen das jetzige Musiktreiben erwachte Reaction wird auch der Muse Schubert's allmählich neue Kreise erschließen.

1) Ja selbst in großen deutschen Hauptstädten kommen in dieser Beziehung sonderbare Dinge vor. So hieß es noch zu Ende 1862 in der „Augsburger allg. Zeitung“: „Am 20. November gab Mortier de la Fontaine in München als Schubertfeier eine musikalische Soirée, in welcher noch ungehörte Compositionen Sch.'s: Ein Trauermarsch (op. 40), das Divertissement (op. 54), Rondo (op. 70) für Piano und das Octett (op. 166) zur Aufführung kamen.

ihren entschieden schwachen Erzeugnissen die Oberhand gewannen. Die Reaction blieb aber nicht aus, und der in neuerer Zeit dem Bessern zugewendete Geschmack führte von selbst wieder auf Schubert's unvergängliche Werke zurück.

An Transcriptionen und allerlei anderen Bearbeitungen und Verarbeitungen namentlich der Lieder hat es weder in Wien noch im Ausland gefehlt ). Sie sind mitunter von sehr zweifelhaftem Werth, beanspruchen aber das Verdienst, zur Verbreitung der Schubert' schen Melodieen wesentlich beigetragen zu haben.

Im Jahre 1849 erschien bei Diabelli eine neue Auflage der Schubert' schen Liedercompositionen mit deutschem und französischem Text; in neuerer Zeit bei Louis Holle in Wolfenbüttel eine billige Gesammtausgabe der Schubert'schen

1) So erschienen bei Diabelli 15 Lieder, von Czerny für Clavier übertragen, und sollte diese Sammlung fortgesetzt werden. Diabelli selbst arrangirte an ein Dußend Lieder für Clavier zu zwei und vier Händen; Eduard Wolf machte aus mehreren Liedern Fantasien für Pianoforte; Franz Lißt transcribirte 26 Lieder aus der „Winterreise“ und dem „Schwanengesang", sowie mehrere aus dem Nachlaß, und die melodies hongroises aus op. 54; Josef Lickl bearbeitete eine große Zahl derselben für Clavier und Fisharmonika. Den „Erlkönig“ gab A. Hüttenbrenner in Walzerform wieder, Ferd. Schubert bearbeitete ihn als Cantate, und Genast in Weimar führte die Ballade orchestrirt auf. In neuester Zeit erschienen Schubert'sche Lieder, für Clavier gesetzt, von Christian Müller u. s. f. In Frankreich erschienen: 15 Lieder, transcribirt von Stefan Heller (besprochen in der ,,Revue musicale"), ferner Lieder als Etudes d'expression von Urban in Paris, arrangirt für Violine (und von Lee für Cello) und Fisharmonika (worüber sich Schumann lustig machte); 1839 erschien eine Collection de chansons de Sch. traduite de Emile Deschamps, sieben Lieder enthaltend (besprochen von H. Berlioz im „Journal des Debats“, Juni 1839) u. s. w.

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Werke; bei Spina in Wien eine transponirte (Stockhausen) Ausgabe der Müllerlieder“ mit deutschem und französischem Text (letzterer von Belanger); in neuester Zeit hat der Hofkapellmeister Randhartinger in einer ebenda veranstalteten Ausgabe die ursprüngliche Leseart dieser Lieder auf Grundlage der ersten (Original-) Ausgabe wieder herzustellen unternommen. Auch ist die Rede davon, daß von Herrn Spina eine Gesammtausgabe der Schubert' schen Compositionen vorbereitet werde, ein Unternehmen, welches, wenn mit Gewisfenhaftigkeit ausgeführt, sich allgemeiner Zustimmung erfreuen dürfte.

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Die schönsten Gefänge Schubert's sind seit geraumer Zeit veröffentlicht und geistiges Eigenthum der musikalischen Welt geworden. Dasselbe läßt sich auch doch erst seit kurzer Zeit von seinen Instrumental-Compositionen sagen; in weit geringerem Maße aber von seinen übrigen Werken. Das im Anhang befindliche Verzeichniß spricht beredter, als dieß Worte thun würden, für die erstaunliche Fruchtbarkeit des Meisters und dürfte die Behauptung rechtfertigen, daß Schubert in seiner Totalität auch derzeit nur von Wenigen gekannt und gewürdigt ist. Da gibt es Gesänge aller Art, Cantaten, Ouverturen, Orchester, Opern- und Kirchenmusik, von denen bisher auch nicht Eine Note zu Gehör gebracht wurde. Seit vierzig und mehr Jahren liegen sie unbenügt, da und dort in ängstlicher Verwahrung, als hätte sie der Tondichter nur für sich und nicht auch für Mit- und Nachwelt auf das Papier hingezaubert.

Nicht genug aber, daß es dem lebenden Schubert nur mit einem kleinen Theil dessen, was er mit bienenartiger Emfigkeit producirte, gegönnt war vor das Publikum zu treten,

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