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lepterer aus dieser Wohnung fort in Schobers nahegelegene Behausung (Landskrongasse) übersiedelte. Während unseres Zusammenseins," sagt Mayrhofer in einem Tagebuchsauffag 1), ,,konnte es nicht fehlen, daß Eigenheiten sich kundgaben; nun waren wir jeder in dieser Beziehung reichlich bedacht, und die Folgen blieben nicht aus. Wir neckten einander auf mancherlei Art und wendeten unsere Kanten zur Erheiterung und zum Behagen einander zu2). Seine frohe gemüthliche Sinnlichkeit und mein in sich abgeschlossenes Wesen traten schärfer hervor und gaben Anlaß, uns mit entsprechenden Namen zu bezeichnen, als spielten wir bestimmte Rollen. Es war leider meine eigene, die ich spielte."

Im Jahre 1824 gab Mayrhofer auf Drängen seiner Freunde (bei Volke in Wien) im Subscriptionswege ein Bändchen Gedichte heraus, die jedoch bei den damaligen der Lyrik, zumal der österreichischen, ungünstigen Verhältnissen nur geringen Anklang fanden3).

1) In Hormayer's „Archiv“ abgedruckt.

2) Ein Lieblingsscherz Mayrhofer's bestand darin, daß er plötzlich mit bajonnetartig gefälltem Stock auf Schubert losging, diesem mit satyrischem Lachen und im oberösterreichischen Dialect zurufend: „Was halt mich denn ab, du kloaner Raker“ — worauf ihu Sch. mit den Worten: „Waldl, wilder Berfasser!“ — zurückwies. Gahy war mehrmals Zeuge dieser Scenen.

*) Unter den Subscribenten finden sich die Namen: Justina v. Bruchmann, Endres, Gahy, Groß, Hölzl, Hönig, Hüttenbrenner, Kenner, Kreil, Sophie Linhart, Ottenwalt, Caroline Bichler, Pinterics, Sanssouci, Freih. v. Schlechta, von Schober, Moritz Schwindt, v. Sonleithner, Spaun, Vogl, Watteroth und Witteczek; - Personen, die auch mit Schubert mehr oder weniger in Verbindung standen. In der alten Ausgabe der Mayrhoferschen Gedichte sind die von Sch. componirten durchweg enthalten, während sie in der neuen Ausgabe, mit wenigen Ausnahmen,

fehlen.

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Von Schubert trennte ihn in den folgenden Jahren der Strom der Verhältnisse und der Gesellschaft, Krankheit und geänderte Anschauung des Lebens. Doch was einmal war, ließ sich sein Recht nicht nehmen." Nach Schubert's Tod betrat er an dem Tag, an welchem für diesen das Requiem abgehalten wurde, wieder jenes Haus, in welchem er in früheren Jahren den Freund so oft aufgesucht hatte. Zu dichterischer Production regte es ihn seit dem Hingang des liederreichen Sängers immer weniger an. Dazu kam noch die Aufopferung an das reale Leben, die ihn der Muse für lange Zeit entfremdete. Bei Goethe's Tod erklangen die verstummten Saiten noch einmal wieder.

Im Jahr 1835 unternahm er einen Ausflug nach Salzburg, Gastein und in das Fuscher-Bad, und kehrte aus diesem so gestärkt zurück, daß er den Plan zu einem epischen Gedicht) entwarf. Das Leben schien ihm noch einmal wiederkehren zu wollen. Es war aber nur das leßte Aufflackern der sterbenden Flamme. Der alte Dämon des unglücklichen Mannes, die Hypochondrie, nahm wieder Besitz von dem Dasein, das ihm verfallen war, und führte am 5. Februar 1836 zu jener Katastrofe, welche den Faden seines Lebens gewaltsam entzweiriß 2).

'),Der Vogelsteller", in der neuen Ausgabe der Gedichte enthalten.

2)

Einmal kam er frühen Morgens

Ins Bureau, begann zu schreiben

Stand dann wieder auf die Unruh

Ließ ihn nicht im Zimmer bleiben.

Durch die düstern Gänge schritt er
Starr und langsam, wie in Träumen

Der Collegen Gruß nicht achtend

Zur Vervollständigung von Mayrhofer's Charakteristik möge noch Folgendes dienen. Sogenannte Litteraten vermied er auf's ängstlichste. Der unbefangene, gesunde, kräftige Naturmensch war ihm der liebste. Die Späße eines derartigen witzigen Menschen, der einer lustigen Abendgesellschaft angehörte, trug er des Morgens darauf in sein Tagebuch ein, wo sie unter Young's „Nachtgedanken“ uud Herme's „Trismegistos" ihren Platz fanden. Seine Haushaltung war höchst einfach, an Mäßigkeit und Entsagung glich er einem Stoiker. Einige

Stieg er nach den obern Räumen.

Steht, und stiert durchs offne Fenster.
Draußen wehen Frühlingslüfte,
Doch den Mann, der finster brütet,
Haucht es an, wie Grabesdüfte.
An dem offnen Fenster kreiselt
Sonnenstaub im Morgenschein,

Und der Mann lag auf der Straße

Mit zerschmettertem Gebein.

(Rusticocampius.)

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Nach einer Mittheilung von M's. damaligem Amtsvorstand (dem derzeit pens. Herrn Regierungsrath Hölzl), hatte sich M. schon früher einmal in einem Anfall von Schwermuth in die Donau gestürzt, war aber herausgezogen und dem Leben wiedergegeben worden. Den Freunden, die ihm Vorwürfe machten, antwortete er apathisch: er hätte nicht gedacht, daß das Donauwasser so wenig kalt sei. Unmittelbar vor der letter Katastrofe kam er frühzeitig in das Amt, trat sodann zu einem Beamten, den er um eine Prise Tabak ersuchte, und begab sich in das obere Stockwerk des Amtsgebäudes (am Laurenzerbergl), von wo er sich herabstürzte. Er brach das Genick, lebte aber noch 40 Stunden. Uebrigens hat ihn damals nicht Lebensüberdruß, sondern die fortwährende Angst vor der Cholera zu dem verzweifelten Schritt getrieben. So wenigstens behaupten Herr Hölzi und der Kunsthändler Herr M. Beermann in Wien.

Bücher, eine Guitarre und die Pfeife bildeten seinen Hausschmuck, ein kurzer Schlaf nach Tisch und ein Spaziergang seine Genüsse. Einfach bis zur Vernachlässigung war sein Anzug. Seine Beschäftigungen kehrten Tag für Tag in derselben Ordnung und mit derselben Pünktlichkeit wieder. Seine äußere Repräsentation hatte etwas Starres, wie dies Einsamen oft eigen ist. Unbeugsamer Ernst wurde von grellem Lachen unterbrochen. Sein Gang war fest, seine Handschrift stellte in jedem Buchstaben einen Lanzenschaft vor. Sein Körperbau war gedrungen, mittelgroß, seine Gesichtsformen wenig bedeutend, eher gemein; nur der Mund verzog sich gerne zu einem bedeutenden farkastischen Lächeln; das Auge blitzte scharf und weitaus mit Adlerblick. Stolz hegte er nur in seinem Innern, andere Menschen überschäßte er. Beifall war ihm gleichgültig, und wer ihm über seine Gedichte Schönheiten sagte, beleidigte ihn.

Nach diesem, von einer gütigen Freundeshand1) ent= worfenen Bild war Mayrhofer eine ernste, tüchtige, durch und durch sittliche Natur, welche aber von einer nicht geringen Dosis von Pedantismus und Schwerfälligkeit eingeschränkt und niedergehalten wurde. Ein Vergleich mit dem Naturell Schubert's, welches im Verlauf dieser Darstellung geschildert werden wird, läßt auf den ersten Blick die Eigenschaften erkennen, welche sie gemeinschaftlich hatten, sowie auch die gegenseitigen Kanten, die sich bei ihrer Berührung reiben und abstoßen mußten. Wie sehr sich Schubert von den poetischen Gebilden Mayrhofer's angezogen fühlte, bezeugen die vielen

') Feuchtersleben. Vorrede zur neuen Ausgabe von Mayrhofer's Gedichten.

und größtentheils bedeutenden Lieder, die er auf dessen Gedichte componirt hat. Darüber, daß sich beide werthschäßten, kann kein Zweifel sein; ebenso verbürgt ist es aber auch, daß Franz nicht gerne längere Zeit hindurch mit Mayrhofer allein zu sein liebte, weil dieser, mit heiteren Neckereien beginnend, im weiteren Verlauf zu Reibungen Anlaß gab, welche Schubert belästigten.

Mayrhofer hat seinen Gefühlen für den zu früh ihm Entrissenen in mehreren Gedichten Ausdruck gegeben 1); diesem aber war es beschieden, so manches poetische Gebilde des Freundes in Tönen zu verklären, und das vergänglichere Wort des Dichters in festem Bund mit seinem uuvergänglichen Lied der fernen Nachwelt zu überliefern.

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1) Geheimniß", "Nachgefühl an Franz Sch." (19. Nov. 1828) und „An Franz“, von welchen das erste und die zweite Strofe des zulegt genannten, dieses unter dem Titel: „Heliopolis", von Sch. componirt, im Stich erschienen ist.

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