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Herders Art, Alles im Großen und Ganzen anzuschauen und die Elemente des Weltalls in Einem Glauben und Einer Religion versöhnend zu einigen, seiner Denkart am angemessensten".

„Wird nun noch Feßler 1) genannt, dessen ahnungsvolle Betrachtungen über Musik, Weiblichkeit, ethische und _religiöse Simbolik in dem Buch: „Rückblick auf meine siebenzigjährige Pilgerfahrt" wohl geeignet waren, den eigenen Ansichten Mayrhofer's einen gewissen Nimbus zu verleihen, so dürften die Hauptmomente angegeben sein, welche in der ersten Bildungsperiode entscheidend auf Mayrhofer einwirkten. Im Zug der lezten Denkreihen gelangte er dann bis zu den fabelhaften Büchern, die dem dreimal großen Hermes zugeschrieben werden, und über deren Inhalt er sich in den abenteuerlichsten Gesprächen ergehen konnte“.

') Feßler (Ignaz Aurelius), 1756 zu Czurendorf in Nieder-Ungarn geboren, trat 1773 in den Kapuzinerorden, und wurde 1783 Professor der orientalischen Sprachen an der Universität in Lemberg. Da er zugleich Freimaurer geworden war, verließ er den Kapuzinerorden. Sein im Jahre 1787 in Lemberg aufgeführtes, als gottlos verschrieenes Trauerspiel nöthigte ihn zur Flucht nach Schlesien. 1791 trat er zum Protestantismus über, lebte dann (1796) in Berlin, wo er mit Fichte die Humanitätsgesellschaft stiftete. Im Jahre 1806 verlor er das ihm verliehene Amt eines Consulenten für die katholischen Provinzen, und ging 1809 als Filosofie-Professor nach Petersburg. Des Atheismus beschuldigt und sofort des Dienstes entlassen, übersiedelte er nach Wolsk, um daselbst philantropische Ideen zu realisiren. 1817 wendete er sich nach Sarepta, dem Hauptsitz der Herrenhuter, wo er in seiner Weise wirkte. 1820 wurde er Superintendent, 1833 Kirchenrath in St. Petersburg, und starb daselbst 1839. Sein abenteuerliches Leben beschrieb er in dem Buch: „Rückblick auf meine 70jährige Pilgerschaft“. (1826.)

Solcher Art war der wunderliche Mann, der im Jahre 1814, also im 27. seines Lebens, zu dem damals achtzehnjährigen Schubert in ein geistiges Verhältniß trat, das in Mayrhofers Leben den Mittelpunkt ausmachte, und mehr als alle anderen Vorkommnisse den Dichter in ihm zur Reife brachte, ein Verhältniß, welches, da Schubert ein musikalisches Genie war, in seiner Art eben einzig dasteht.

„Meine Bekanntschaft mit Schubert," so erwähnt Mayrhofer in seinen Aufzeichnungen, „wurde dadurch eingeleitet, daß ihm ein Jugendfreund mein Gedicht: „Am See“ zur Composition übergab. An des Freundes Hand betrat Schubert das Zimmer, welches wir fünf Jahre später (1819) gemeinsam bewohnen sollten. Es war in einer düstern Gasse. Haus und Gemach haben die Macht der Zeit gefühlt, die Decke ziemlich gesenkt, das Licht von einem großen gegenüberstehenden Gebäude beschränkt, ein überspieltes Clavier, eine schmale Bücherstelle -so war der Raum, welcher mit den darin zugebrachten Stunden meiner Erinnerung nicht entschwinden wird 1). Wie der

1) Das hier erwähnte Haus, in welchem Mayrhofer und Schubert zwei Jahre hindurch zusammen wohnten, stand in der Wipplingerstraße und trug die Nummer 420. „Der Dichter nud der Tonsetzer“ (wie die beiden Musensöhne nach dem Titel einer damals beliebten Operette von den Freunden genannt wurden) hatten ihr Zimmer im dritten Stock, und waren Miethleute der Tabaktrafikantin Sanssouci, Witwe eines französischen Emigranten. Herr Josef Hüttenbrenner wohnte um dieselbe Zeit in dem nämlichen Haus (bei einem gewissen Irrsa) und bezog später das von M. und Sch. bewohnte Zimmer, dasselbe, welches Theodor Körner während seines Aufenthaltes in Wien innegehabt hatte. Frau Sanssouci (in späteren Jahren an den Gefängnißwärter Jaworek verheirathet) gab sich viele Mühe, die Wirthschaft ihrer beiden Zimmerherren in Ordnung

Frühling die Erde erschüttert, um ihr Grün, Blüthen und milde Lüfte zu spenden, so erschüttert und beschenkt den Menschen das Gewahrwerden seiner productiven Kraft; denn nun gilt Goethe's:

Weit, hoch, herrlich der Blick
Rings in's Leben hinein,
Von Gebirg zu Gebirg

Schwebet der ewige Geist

Ewigen Lebens ahndevoll.

Dieses Grundgefühl und die Liebe für Dichtung und Tonkunst machten unser Verhältniß inniger; ich dichtete, er componirte was ich gedichtet, wovon vieles seinen Melodien Entstehung, Fortbildung und Verbreitung verdankte“.

Schon im Jahre 1815 wurde Mayrhofer durch dieses gemeinsame Streben zu größeren dichterischen Versuchen aufgemuntert. Er verfaßte zwei Operntexte, von welchen Schubert den einen, „Die beiden Freunde von Salamanca", in Musik sezte, der andere , Adrast", sich im Nachlaß des Dichters vorfand.

In den Jahren 1817 und 1818 verband fich Mahrhofer mit einigen Freunden (Spaun, Kenner, Ottenwald, Kreil 1) u. s. w.) zur Herausgabe einer Zeitschrift, welche die Förderung echt menschlichen und zugleich vaterländischen Sinnes bei den Jüngeren zum Zweck hatte, und von welcher unter dem Titel: „Beiträge zur Bildung für Jünglinge“ (bei Härter in Wien) zwei Bände erschienen.

zu halten. Das Haus Nr. 420 auch darum merkwürdig, weil einstens die Zusammenkünfte der Jacobiner in demselben stattfanden hat in den Vierziger-Jahren einem Neubau Platz gemacht.

1) Von den beiden Letzteren wird später (1819) die Rede sein.

Die Gefühle, welche in der kurz vorher abgeschlossenen denkwürdigen Kriegsepoche jeden Deutschen ergriffen, hatten sich auch Mahrhcfers bemächtigt. Patriotischer Sinn, der sich mit den Idealen von Humanität und Selbstbeglückung durch den Glauben an eine in Natur und Geschichte sich offenbarende Vorsehung verband, sammelte seine Strahlen zu dem letzten Gestirn, das von nun an die immer dunkler werdenden Pfade des gemüthskranken Dichters noch erleuchtete.

Dem Studium der Alten lag er mit Eifer ob. Von einem Versuch einer Ueberseßung Herodot's fanden sich in dem Nachlaß Fragmente vor; auch an Horaz übte er seinen Geist, die Stoiker aber blieben ihm Vorbild. Jemehr sich übrigens diese und ähnliche Anschauungen der Gegenwart gegenüberstellten, desto dichter woben sie den Schleier, der seine Seele umfing. Das Studium der Geschichte, in welches er sich durch thätige Theilnahme an den österreichischen Jahrbüchern und an Hormahers Archiv versenkte, war der beste Ableiter dafür; auch wußte der tüchtige Mann den inneren Wirren einen kräftigen Damm entgegenzustellen angestrengte Beruftsthätigkeit. Mayrhofer wurde als Beamter bei der Censurbehörde angestellt und übte als Regierungs-Concipist und Bücherrevisor seine Pflicht mit so ängstlicher Gewissenhaftigkeit, daß es wohl schien, er suche den Zwiespalt zwischen Ideal und Leben, den er früher in glücklichen Stunden durch poetisches Schaffen auszugleichen fähig war, nunmehr durch grillenhafte Pflichterfüllung zu beseitigen 1).

') Bauernfeld gibt (in dem „Buch von uns Wienern in lustig-gemüthlichen Reimlein" von Rusticocampius) folgendes Bild von dem Sonderling:

v. Kreißle, Franz Schubert.

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Im Jahre 1819 wurde er Schubert's Zimmergenosse, bei Frau Sanssouci, und blieb es bis in das Jahr 1821, in welchem

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Halbvergessen ist auch jener

Wiener Dichter, hieß Mayrhofer;
Biele seiner Poesien

Componirte sein Freund Schubert.

So die zürnende Diana
Philoktet und manche andre;
Waren tief ideenreich

Aber schroff, - sowie der Dichter.
Kränklich war er und verdrießlich,
Floh der heitern Kreise Umgang,
Nur mit Studien beschäftigt;
Abends labte ihn das Whistspiel.
So mit älteren Herren saß er,
Mit Beamten, mit Philistern,
Selbst Beamter, Bücher-Censor
Und der strengste, wie es hieß.
Ernst war seine Miene, steinern,
Niemals lächelt' oder scherzt' er.
Flößt uns losem Volk Respekt ein,
So sein Wesen und sein Wissen.
Wenig sprach er, - was er sagte,
War bedeutend; allem Tändeln
War er abgeneigt, den Weibern
Wie der leichten Belletristik.
Nur Musik konut' ihn bisweilen
Aus der stumpfen Starrheit lösen,
Und bei seines Schuberts Liedern
Da verklärte sich sein Wesen.
Seinem Freund zu Liebe ließ er
In Gesellschaft auch sich locken,
Wenn wir Possen trieben, sah ihn
Stumm dort in der Ecke bocen.

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