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Der Schwanengesang" enthält Lieder von Rellstab, Heine und G. Seidls „Taubenpost".

Ueber die Genesis der sieben Lieder von Rellstab geben dessen Memoiren 1) näheren Aufschluß.

Rellstab war im April 1825 nach Wien gekommen, von dem heißen Wunsche erfüllt, Beethoven zu sehen und ihn zu bewegen, daß er einen seiner Operntexte (deren er an ein Dutzend vorräthig hatte) componire. Da er aber durch Freunde, welche Beethoven näher kannten, belehrt worden war, daß diesem vieles Lesen nicht zusage, nahm er nebst Abschriften dieser Opernterte auch jene kleinen lyrischen Gedichte, die er für die besten hielt, jedes derselben sauber auf einem besonderen Blatt geschrieben, mit sich zu dem Meister, der damals in der Krugerstraße Nr. 767 im 4. Stock wohnte. Die Gedichte, bemerkt Rellstab, bewegten sich in verschiedenen Stimmungen, und es mochte sich da wohl ereignen, daß einmal eines derselben mit Beethoven's Stimmung zusammenfiel und ihn anregte, die vorüberfliegende Bewegung seiner Brust in ewige Töne zu hauchen 2). Diese Blätter erhielt

'),,Aus meinem Leben“. Berlin 1861. B. II. S. 245.

2) Damit im Zusammenhang steht vielleicht auch das hier folgende Schreiben Rellstab's, welches mir im Original, aber ohne Datum und Name des Adressaten, vorliegt:

Inneliegend, hochverehrtester Herr, übersende ich Ihnen einige Lieder, die ich für sie copiren lassen; es werden bald noch mehrere in anderem Geschmack folgen. Diese haben vielleicht das Neue, daß sie einen Zusammenhang unter sich bilden, der auf Glück, Vereinigung, Trennung, Tod und Hoffnung auf das Jenseits ahnen läßt, ohne bestimmte Vorfälle anzugeben.

„Möchten diese Gedichte Ihnen so viel Liebe abgewinnen, daß Sie sich zur Composition entschließen, und auf diese Art die Verbindung

Rellstab nach Beethoven's Tod durch Anton Schindler aus des Meisters Nachlaß zurückgestellt. Einige waren mit Bleistiftzeichen versehen; es waren dies dieselben, die Beethoven am besten gefielen, und die er damals an Schubert zur Composition abgab'), da er selbst sich zu unwohl fühlte. Schubert sezte auch jene Gedichte in Musik, bevor sie noch im Druck erschienen waren.

Die Composition der Heine schen Lieder soll, nach einer Mittheilung des Freiherrn von Schönstein, einer früheren Periode angehören, und sie sind daher von den VerLegern mit Unrecht in die, unter dem Namen Schwanengesang von ihnen veröffentlichte Sammlung aufgenommen worden.

Als nämlich Schubert unter den Tuchlauben bei Herrn Schober wohnte aber noch mehrere Jahre vor seinem Tode besuchte ihn eines Tages Herr von Schönstein nnd fand daselbst Heines Buch der Lieder, das ihn so sehr interessirte, daß er Schubert ersuchte, es ihm zu überlassen, was

mit einer Handlung eröffneten, die es sich zum Grundsatz gemacht hat, so viel als irgend möglich ist, nur der wahren höchsten Kunst förderlich zu sein und die Begeisterung des Componisten als das erste Gesetz betrachtet, nach dem er schreiben soll.

„Tag und Nacht denke ich an eine Oper für Sie, und ich zweifle nicht, daß ich einen Stoff finden werde, der allen Ansprüchen des Componisten, des Dichters und des vielköpfigen Publikums genügen möge. Mit tiefster Verehrung

M. L. Rellsta b."

Der musikalische Schriftsteller Herr Alexander W. Thayer hält es für unzweifelhaft, daß das Schreiben an Beethoven gerichtet sei. 1) Demnach wären die Gedichte nicht erst nach Beethoven's Tod wie Schindler behauptet an Schubert übergeben worden.

dieser mit den Worten that: „er benöthige dasselbe ohnehin nicht mehr.“ Diese Bemerkung, dann der Umstand, daß sämmtliche Blätter, auf welchen sich die componirten Gedichte befanden, eingebogen waren, und die bekannte Thatsache, daß Schubert viele seiner Tondichtungen (oft mit Unrecht) der Veröffentlichung nicht werth hielt und bei Seite legte, machen es sehr wahrscheinlich, daß die sechs Lieder schon damals entstanden waren 1). Als Schuberts leztes Lied, also in der That als Schwanengesang, gilt „Die Taubenpost“ von G. Seidl, componirt im October, wenige Wochen vor seinem Tode.

Dieser war bereits im September mit leisem Schritt mahnend an ihn herangetreten, um kurze Zeit darauf, nachdem, wie einst bei Mozart, einige ruhigere Tage der Hoffnung auf volle Genesung Raum gegeben hatten, sich mit festem Griff seine Beute zu holen.

Ueber Schuberts letzte Tage geben folgende Mittheilungen seines Bruders Ferdinand und Herrn von Schober's näheren Aufschluß.

Franz zog zu Anfang September von des Lezteren Wohnung fort, und für einige Zeit zu seinem Bruder Ferdinand, der aus der Vorstadt St. Ulrich in eine neuentstandene Gasse der Vorstadt Wieden und leider auch in ein neugebautes Haus

1) Aber doch nicht vor dem Jahr 1824, da Heine's Buch der Lieder erst um diese Zeit bekannt wurde. Der „Schwanengesang“ erschien am 4. Mai 1829 bei Haslinger und wurde am 23. Mai 1829 in der Wiener Zeitung folgendermaßen angekündigt: „Den zahlreichen Ver ehrern von Schubert's klassischer Muse werden unter obigem Titel die letzten Blüten seiner edlen Kraft geboten. Es sind jene Tondichtungen, die er im August 1828 (?) kurz vor seinem Hinscheiden geschrieben.

übersiedelt war. Er that dieß auf Anrathen des Hofarztes Dr. von Rinna, um von dort aus mit weniger Beschwerde und Zeitverlust, als dieß von dem Innern der Stadt aus möglich gewesen wäre, Bewegung im Freien vorzunehmen und dadurch eine Linderung seiner in Blutwallungen und Schwindel bestehenden Leiden herbeizuführen. Die ihm bei Schober eingeräumte Wohnung blieb ihm auch für die Zukunft daselbst vorbehalten 1).

Er kränkelte und medicinirte bereits um diese Zeit. Die Unpäßlichkeit nahm indeß wieder etwas ab. Anfangs October machte er mit Ferdinand und zwei Freunden eine kleine Lustpartie nach Unter - Waltersdorf, und von da einen Ausflug nach Eisenstadt, wo er Josef Haydn's Grabmal aufsuchte und bei demselben ziemlich lange verweilte. Er war während dieser drei Reisetage höchst mäßig in Speise und Trank, dabei aber sehr heiter und hatte manch' munteren Einfall.

Als er aber nach Wien zurückgekehrt war, nahm das Unwohlsein wieder zu. Da er nun am letzten October Abends im Gasthause einen Fisch speisen wollte 2), warf er, nachdem er das

') Als Schober im Herbst 1825 aus Preußen nach Wien zurückkehrte, wohute Schubert, wie schon erwähnt worden, im Fruhwirth'schen Haus nächst der Carlskirche Nr. 100 als Partei eines Delverschleißers und blieb daselbst noch in's folgende Jahr hinein. Im Jahre 1827 logirte er in einem Basteihause nächst dem Karolinenthor. Dann vereinigte er sich wieder mit Schober und wohnte bei diesem anfänglich in der oberen Bäckerstraße, später in Währing und zuletzt beim blauen Igel, Tuchlauben Nr. 557, wo für ihn zwei Stuben und eine Kammer, lettere zur Aufbewahrung der Musikalien, eingerichtet waren.

2) Es war dieß in dem schon erwähnten Gasthaus zum rothen Kreuz (im Himmelpfortgrund), wo sich Franz mit seinem Bruder Ferdinand und mehreren Freunden öfters einzufinden pflegte.

v. Kreißle, Franz Schubert.

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erste Stückchen gegessen, plötzlich Messer und Gabel auf den Teller und gab vor, es ekle ihn gewaltig vor dieser Speise, und es sei ihm gerade, als hätte er Gift genommen. Von diesem Augenblicke an hat Franz fast nichts mehr gegessen und getrunken, und bloß Arzneien eingenommen. Auch suchte er durch Bewegung in freier Luft sich zu helfen, und machte daher noch einige Spaziergänge. Am 3. November ging er früh Morgens von der Neu-Wieden nach Hernals, wo das von Ferdinand componirte lateinische Requiem aufgeführt wurde. — Es war dieß die letzte Musik, die er hörte. Nach dem Gottesdienste machte er wieder Bewegung, drei Stunden lang. Beim Nachhausegehen klagte er sehr über Mattigkeit.

Doch scheint er sich bald wieder erholt und an eine ernstere Krankheit überhaupt nicht gedacht zu haben; denn am 4. November sprach er, zugleich mit dem noch am Leben befindlichen Klaviermeister Lanz in Wien, bei dem Hoforganisten Sechter 1) vor, um sich mit diesem über vorzunehmende Studien im Fugensatz zu besprechen. Sie kamen da überein, das Marpurg'sche 2) Lehrbuch, soweit dieses ihren

1) Der Gewährsmann dieses von vielen angezweifelten Intermezzo's. 2) Marpurg (Friedrich Wilhelm), geb. 1718 zu Seehausen in der Altmark, gest. 1795 als Lottodirector in Berlin, einer der hervorragendsten Musiktheoretiker. Wie mir Dr. Hauer brieflich mittheilte, wollte sich Schubert in den letzten Lebensjahren auch mit Händel näher befreunden. „Wie oft lautet die betreffende Stelle in Dr. Hauer's Mittheilung - sagte er: Lieber Hauer, kommen Sie doch zu mir, wir wollen mitsammen den Händel studiren.“ – In dem Monatsbericht des Wiener Musikvereins (J. 1829) und in Seifried's Hauskalender (1838) wird übrigens bemerkt, daß Schubert in den letzten Monaten seines Lebens bei Sechter strenge Studien gemacht habe, eine

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