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als zu viel in dieser Hinsicht profitirt zu haben; auch geht es mit meinen und seinen Sachen schlecht, daher wir nie Geld haben. Die Oper von Deinem Bruder 1) (der nicht sehr wohl that, daß er vom Theater wegging) wurde für unbrauchbar erklärt, und mithin meine Musik nicht in Anspruch genommen. Die Oper von Castelli: Die Verschwornen, ist in Berlin, von einem dortigen Compositeur componirt, mit Beifall aufgenommen worden 2). Auf diese Art hätte ich also wieder zwei Opern umsonst componirt. In Liedern habe ich wenig Neues gemacht 3), dagegen versuchte ich mich in mehreren Instrumentalsachen, denn ich componirte zwei Quartette für Violinen, Viola und Violoncello und ein Octett, und will noch ein Quartett *) schreiben; überhaupt will ich mir auf diese Art den Weg zur großen Sinfonie bahnen.

„Das Neueste in Wien ist, daß Beethoven ein Concert gibt, in welchem er seine neue Sinfonie, drei Stücke aus der neuen Messe und eine neue Ouverture preduciren läßt 5). Wenn Gott will, so bin ich auch gesonnen, künftiges Jahr ein ähnliches Concert zn geben ). Ich schließe jezt, damit

1) Josef Kupelwieser, der Verfaffer des Textes zu der Oper „Fierrabras".

") Ich habe nicht erfahren können, welcher Componist in Berlin „Die Verschwornen" in Musik sette.

3) Der Catalog weist deren nur sechs aus.

4) Diese Streichquartette sind wohl die bekannten in A-Moll, in Es- und E-Dur.

3) Die neunte Sinfonie, die D-Messe und Ouverture (op. 124). Das Concert fand am 7. Mai statt.

6) Dieser Vorsatz kam erst im Jahre 1828 zur Ausführung.

v. Kreißle, Franz Schubert.

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ich nicht zu viel Papier brauche, und küsse dich tausend Mal. Wenn Du mir über Deine jezige begeisterte Stimmung und über Dein sonstiges Leben schreiben würdest, so freuete nichts mehr

Deinen treuen Freund
Franz Schubert."

Meine Adresse wäre dann: An die Kunsthandlung Sauer und Leidesdorf, weil ich Anfangs März 1) mit Esterhazy nach Ungarn gehe."

In innigem Zusammenhang mit diesem melancholischen Brief stehen folgende, die damalige Gemüthsstimmung bezeichnende Tagebuchs-Notizen :

„Schmerz schärft den Verstand und stärkt das Gemüth, dahingegen Freude sich um jenen selten bekümmert und dieses verweichlicht oder frivol macht."

,,Aus dem tiefsten Grunde meines Herzens hasse ich jene Einseitigkeit, welche so viele Elende glauben macht, daß nur eben das, was sie treiben, das Beste sei, alles Uebrige aber nichts. Eine Schönheit soll den Menschen durch das ganze Leben begleiten wahr ist es, doch soll der Schimmer dieser Begeisterung alles andere erhellen.“

„27. März. Keiner, der den Schmerz des Andern, und Keiner, der die Freude des Andern versteht. Man glaubt immer zu einander zu gehen und man geht nur neben einander. O Qual für den, der dieß erkennt!"

1) Muß wohl Mai heißen.

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„Meine Erzeugnisse in der Musik sind durch den Verstand und durch meinen Schmerz vorhanden; jene, welche der Schmerz allein erzeugt hat, scheinen die Welt am meisten zu erfreuen."

„Die höchste Begeisterung hat zum ganz Lächerlichen nur einen Schritt, sowie die tiefste Weisheit zur krassen Dummheit."

„Mit dem Glauben tritt der Mensch in die Welt; er kommt vor Verstand und Kenntnissen weit voraus; denn um etwas zu verstehen, muß ich vorher etwas glauben; er ist die höhere Basis, auf welche der schwache Verstand seinen ersten Beweispfeiler aufpflanzt. Verstand ist nichts als_analisirter Glaube."

„29. März. O Fantasie, du unerforschlicher Quell, aus dem Künstler und Gelehrte trinken! O bleibe bei uns, wenn auch von Wenigen nur anerkannt und verehrt, um uns vor jener sogenannten Aufklärung, jenem Gerippe ohne Fleisch und Blut zu bewahren."

Daß das nächtige Dunkel, welches sich über Schubert's Seele gelagert hatte, auf seine Productionskraft keineswegs lähmend einwirkte, bezeugen die gerade um jene Zeit entstandenen Compositionen. Die umfangreichste darunter ist das (in dem Brief an Kupelwieser erwähnte) Octett 1) für Streich

1) Es ist geschrieben für zwei Violinen, Viola, Clarinett, Fagott, Waldhorn, Cello und Contrabaß. Wie auf der Original-Partitur (im Besit von Spina) zu lesen, begann Schubert die Composition im

und Blasinstrumente, ein nicht eben durch Gedankentiefe hervorragendes, aber anmuthiges und anregendes Werk von echt Schubert'schem Gepräge.

Dasselbe wurde (nach Hrn. Doppler's Mittheilung) von Schubert auf Bestellung des Grafen Ferdinand Troyer), Obersthofmeister des Cardinal-Erzherzogs Rudolf von Desterreich, im Jahre 1824 componirt und in demselben Jahr unter Schuppanzigh's 2) Leitung an der ersten Violine und Mitwirkung des Grafen als Clarinettist, zuerst

Februar und war am ersten März damit fertig. Das Octett erschien als op. 166 bei Spina in Stimmen. Einen vierhändigen Clavierauszug (ebenda herausgegeben) verfaßte S. Leitner. (Dr. L. v. Sonnleithner.)

1) Graf Troyer, ein Zögling des Josef Friedlowsky, Professors am Conservatorium in Wien, galt für einen ausgezeichneten Dilettanten auf der Clarinette. Ein gewiffer Melzer spielte damals den Contrabaß und Radecki blies das Horn.

*) Schuppanzigh (Ignaz), geb. 1776 in Wien, war der Gründer des bekannt und berühmt gewordenen Quartettvereins und Leiter der damals im Augarten veranstalteten Donnerstag-Morgenconcerte. Als Fürst Rasumoffsky (russischer Botschafter in Wien) ein auserlesenes Streichquartett herzustellen beabsichtigte, trat Schuppanzigh und auf dessen Vorschlag auch Franz Weiß (geb. 1778 in Schlesien, gest. 1830 in Wien) als Violaspieler, und Josef Linke (geb. 1783 zu Trachenberg in Preußisch-Schlesien, gest. 1837 in Wien) als Violoncellospieler in des Fürsten Dienste und bildeten mit letterem, der selbst die zweite Bioline spielte, jenes weltbekannte Beethoven-Quartett. Nach Auflösung der fürstlichen Kammercapelle machte Schuppanzigh mehrere Jahre hindurch Reisen durch Nordeuropa und kehrte dann nach Wien zurück, wo er 1824 Mitglied der Hofcapelle und von 1828, an (nnter Graf Gallenberg) Musikdirector am Hofoperntheater wurde. Er starb im März 1830 in Wien.

in Wien im Spielmann'schen Hause auf dem Graben, wo Troyer wohnte, aufgeführt. Von dem damals berühmten Rasumoffskischen Quartett wirkten dabei Weiß und Linke mit. Im Jahre 1827 wurde es in dem sogenannten Abonnements - Cyklus des Hrn. Schuppanzigh und später in ein Paar Städten Deutschlands (zulegt in Frankfurt a. M.) mit Erfolg gegeben. In Wien brachte es Herr Josef Helmesberger nach einer Pause von 34 Jahren in einer seiner Quartett - Productionen zu Ende des Jahres 1861 in abgekürzter Form1) unter großem Beifall „als neu“ zur Aufführung.

Von ähnlicher Art und Bedeutung wie das Octett sind die Streichquartette in A-Moll, in E- und Es-Dur, welche überhaupt als die ersten duftigen Blüthen Schubert'scher Kammermusik bezeichnet werden dürfen. Auch die Introduction und Variationen für Clavier und Flöte (op. 160) und eine (unveröffentlichte) So nate für Pianoforte und Harfe in A-moll 1) gehören dieser Zeit an; deßgleichen das bekannte Salve regina (als op. 149 im Stich erschienen) und die „Beiträge“ zu der von M. F. Leidesdorf in Wien

1) Das Octett ist sechssäßig und besteht aus einem Adagio (F-Dur 4), an welches sich ein Allegro (in gleicher Tonart und Zeitmaß) anschließt; aus einem Andante (B-Dur ); einem Allegro vivace (D-Moll ) sammt Trio; einem Andante (C-Dur ) mit sieben Variationen; einem Menuetto (Allegretto F-Dur ) mit Trio und Coda und einem kurzen Sat: Andante molto As-Dur schließend, und dem Finale (Allegro F-Dur 4) ebenfalls mit einem kurzen Zwischensatz (Andante molto) und mit dem Eingangsthema (Allegro molto) abschließend.

2) Eine Copie dieser Sonate (für Clavier und Arpeggione) besitt Josef v. Spaun.

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