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(für 2 Sop. und 1 Baß). Auch Streichquartette, drei Kyrie, drei Menuette mit Trio's für Orchester, die dritte,,Clavierfantasie,“ eine Fuge für Clavier 1) und ein Octett 2) für Blasinstrumente gehören dieser Zeit an.

Und hier endet bereits die erste Periode von Schubert's eben so kurzer als fruchtbarer Künstlerlaufbahn. Es ist dies eine Zeit rastlesen, fast unbewußten Schaffens, in welcher der kaum noch an das Jünglingsalter herangereifte Knabe, einerseits dem reichen Spiel seiner Fantasie sich überlassend, anderseits immerhin noch an den Formen der vorausgegangenen Meisterwerke festhaltend, in seinen Instrumentalcompofitionen vorwiegend Zwittergebilde zu Tage förderte, die allerdings auf eine ungewöhnliche Begabung schließen lassen, während in einigen seiner Lieder die Eigenthümlichkeit seines Genius schon prägnanter zu Tage tritt.

Die nächstfolgenden Jahre dürfen insoferne mit dem Namen Schuberts Lernjahre" bezeichnet werden, als er bei Salieri sistematischen Unterricht in der Compositionslehre nahm, und sich nebenbei mit gewohnter Rührigkeit in den verschiedensten Musikgattungen als schaffender Künstler versuchte. Diese Lernzeit läßt sich allerdings nicht mit der strengen Zucht vergleichen, unter welcher andere große Meister - wie beispielsweise Mozart und Mendelssohn gestanden und

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') Das Autograf derselben besißt Herr Josef Hüttenbrenner in Wien.

*) Das Octett mit dem Datum 19. Sept. ist für Clarinette, Fagott, Trompete und Horn geschrieben, und in Ferd. Schubert's Berzeichniß als „Franz Schubert's Leichenfeier“ eingetragen. Vielleicht hatte es einen Bezug zu dem Leichenbegängniß von Schubert's Mutter. Diese Composition ist mir nie zu Gesicht gekommen.

durch eine Reihe von Jahren in stetem methodischem Fortschreiten ihre Geisteskraft harmonisch entwickelt haben; Schubert's wunderbar rasche Entfaltung erinnert vielmehr an das Voranstürmen ihm verwandterer Geister, wie Beethoven und Schumann; anderseits widerlegt aber die verbürgte Thatsache, daß Schubert damals schon, und nach seinem eigenen Zeugniß auch später in der Instrumentalmusik dem Studium anerkannter Meisterwerke mit allem Eifer obgelegen habe, den vielverbreiteten Glauben, daß er im Grund nie etwas Rechtes gelernt habe und nur als ein höchst genialer Naturalist anzusehen sei. Im Lied trat allerdings in frühester Zeit schon eine so vollendete Meisterschaft und Originalität zu Tage, daß Schubers künstlerische Erscheinung nach dieser Seite hin geradezu ohne Gleichen ist.

II.

(1814.)

Schubert's Aufenthalt im Convict währte vom October 1808 bis zu Ende desselben Monats 1813, mithin volle fünf Jahre. In dem Stimmorgan des nun bald siebenzehnjährigen Jünglings war nämlich um diese Zeit jene Wandelung eingetreten, welche man mit „Mutiren" der Stimme zu bezeichnen pflegt, und er konnte demnach als Sängerknabe nicht mehr verwendet werden. Franz hätte zwar seine Studien daselbst noch über die erste Humanitätsclasse hinaus fortsegen fönnen, denn der Kaiser, welcher von dem Verhalten der Convictszöglinge fortan auf das genaueste unterrichtet war, gestattete sein ferneres Verbleiben darin1); er hatte aber keine Lust noch weiter zu studiren, zumal er sich einer Wieder

1) Dies geschah mit Entschließung vom 21. Oct. 1813 unter der Bedingung, daß er die 2. Fortgangsclasse während der Ferialzeit verbeffere, daher die Prüfung wiederhole. In diesem Falle sollte ihm ein sogenannter Merveldt'scher Stiftplatz verliehen werden. (Nach einer Mittheilung des Herrn Fert. Luib.) — Die Behauptung eines nahen Freundes Schubert's, daß dieser aus dem Convict entwichen sei, wird von anderen Zeitgenossen, namentlich auch von A. Stadler als irrig bezeichnet.

v. Kreißle, Franz Schubert.

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holungsprüfung hätte unterziehen müssen, und verließ die Anstalt, um zunächst in das väterliche Haus zurückzukehren 1).

Nach einer Angabe Ferdinand Schubert's 2) war die Aufforderung zum Militärdienst, nach einer anderen Version aber das Bestreben des Vaters, ihn vom Componiren abzuhalten und einer anderen Beschäftigung zuzuführen, die Ursache, daß Franz sich längere Zeit hindurch dem Lehrfach widmen mußte. Während des Schuljahres 1813-1814 studirte er zu diesem Ende bei St. Anna Pädagogik und übernahm sodann in des Vaters Schule das Amt eines Gehülfen in der Vorbereitungsclasse (ABC-Schule), das er nun durch drei Jahre zwar mit innerlichem Widerstreben, aber trotzdem mit Pflichttreue und einem Eifer versah, der sich mitunter, wenn er es mit einem störrigen Kinde zu thun hatte, zu Ungeduld und Jähzorn steigerte 3).

Um so erstaunlicher erscheint seine Productivität, namentlich im Jahr 1815. Schon im Beginn des Pädagogenthums fand er Gelegenheit, sich durch eine Kirchencomposition hervorzuthun, die seinen Namen in weiteren Kreisen bekannt machte und ihm die Anerkennung seiner musikalischen Freunde, insbesondere seines Lehrers Salieri, in hohem Grad eintrug. Es war dies die Messe in F, welche er zur Feier des hundertjährigen Jubiläums der Lichtenthaler Pfarrkirche schrieb, und deren Aufführung (am ersten Sonntag nach dem There

') Der Tag seines Austrittes liegt zwischen dem 26. October und dem 6. November 1813.

2) In den Auffäßen: „Aus Franz Sch's Leben“.

3) Seine Schwester Therese theilte mir mit, daß Franz in der Schule strenge und jähzornig gewesen sei, und die Kinder oft in handgreif licher Weise bestraft habe.

sentag) er unter Mitwirkung Josef Mayfeder's an der ersten Bioline in Person dirigirte. Die Sopranpartie sang Therese Grob1), eine Lieblingssängerin des Componisten und

Therese Grob war die Tochter des (um jene Zeit 1814 schon verstorbenen) Heinrich Grob und seiner Frau Therese, welch lettere im Lichtenthal ein Seidenfabriksgeschäft besaß. Schubert kam in dieses Haus nach seinem Austritt aus dem Convict, ohne Zweifel angezogen durch die schöne Stimme des Mädchens Therese (damals beiläufig 15 Jahre alt) und das musikalische Talent ihres Bruders Heinrich, der Bioloncell und besonders gut Clavier spielte. Für Therese, deren glockenreine Stimme bis in das hohe D reichte, schrieb Schubert ein Tantum ergo und ein Salve regina. Heinrich G. dirigirte zu Schubert's Zeiten (und auch später noch) mitunter die Kirchenmusik auf dem Lichtenthaler Chor, während Schubert sich gewöhnlich unten in der Kirche aufhielt, um die Musik besser zu hören. Selbstverständlich wurde in diesem Familienkreis viel musicirt, und namentlich auch Schubert's Messen für die Aufführungen im Lichtenthal, in Grinzing, Heiligenstadt u. s. w. unter des Componisten Leitung einstudirt. Schubert, der daselbst wie ein Kind des Hauses aufgenommen war, brachte seine Lieder mit (das erste, welches Therese zu Gesicht bekam, war jenes : „Süße beilige Natur“) und schrieb unter anderem auch für seinen Freund Heinrich G. (im Oct. 1816) ein ,,Adagio et Rondo concertant pour le Pianoforte avec accompagnement de Violine, Viola et Cello (im Besiz des Herrn Spina). Sein Verkehr mit dem Grob’schen Haus dauerte bis beiläufig zum Jahr 1820, um welche Zeit Therese sich verheirathete und der Tondichter in andere Kreise hineingezogen wurde. Um das Jahr 1837 übersiedelte Heinrich Grob mit seinem Geschäft in die innere Stadt, wo es seit seinem im Jahr 1855 erfolgten Tod von seiner Witwe (einer gebornen Müllner, Holzhändlerstochter) und den zwei Söhnen derzeit noch betrieben wird. Therese, welcher ich diese Mittheilungen verdanke, seit mehr als zwanzig Jahren Witwe des Bäckermeisters Bergmann, lebt noch, als eine frische und heitere Frau, in Wien. Die Familie Grob soll noch unbekannte Compositionen Schubert's besigen, deren Einsicht ich aber nicht erlangen konnte.

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