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Randhartinger's Rückkehr abzuwarten. Dieser vermißte alsbald nach seiner Zurückkunft die Gedichtsammlung und begab sich des anderen Tages zu Schubert, um das Buch abzuholen. Franz entschuldigte seine eigenmächtige Handlung mit dem Interesse, welches ihm die Gedichte eingeflößt hätten, und zum Beweis, daß er das Buch nicht fruchtlos mit sich genommen habe, präsentirte er dem erstaunten Secretär die Composition der ersten Müllerlieder", die er zum Theil in der Nachtzeit vollendet hatte.

Einen merkwürdigen Beleg seiner selbst durch körperliche Leiden nicht zu hemmenden Productionskraft gibt die verbürgte Thatsache, daß Franz mehrere,,Müllerlieder" und das Lied, Der Einsame" in siechem Zustand im Spital niedergeschrieben hat 1).

Von Liedern entstanden um diese Zeit noch: „Viola“, „Der zürnende Varde“, „Drang in die Ferne“, „Pilgerweise“, „Auf dem Wasser zu singen“, „Du bist die Ruh“, „Geheimniß“ und „Der Zwerg“ (eigentlich „Treubruch“), Fragment eines Gedichtes von H. Collin, durchweg dem Schönsten angehörend, was Schubert im Lied geschaffen. Namentlich ist „Der Zwerg" als eine der ergreifendsten, dramatisch belebten Compositionen anerkannt, ein Meisterstück, welches der Tondichter, von seinem Verleger zur Ablieferung eines Liedes gedrängt, ohne jegliche Vorbereitung in aller Eile auf das Papier hinwühlte, indem er gleichzeitig an dem Gespräch eines Bekannten 2) theilnahm,

1) Darüber findet sich noch eine nähere Andeutung in der später folgenden Charakteristik".

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2) Es war dies ebenfalls Randhartinger, der Gewährsmann_obiger Erzählung.

der gekommen war, ihn zu einem Spaziergang abzuholen — ein würdiges Seitenstück zu der Ruhe und Sammlung, mit welcher Mozart mitten im Hauslärm die herrlichen Ensemblestücke in der „Hochzeit des Figaro“ niederschrieb.

Noch entstanden in diesem Jahr eine Sonate für Clavier und Arpeggione (unveröffentlicht) und die schöne Sonate in A-Moll 1) (op. 143).

Nachdem Schubert schon früher zum Ehrenmitglied des Grazer Musikvereins ernannt worden war, wurde ihm und Vogl wahrscheinlich auf Anregung des damals als Secretär beim Musikverein in Linz fungirenden Albert Stadler nunmehr auch die Anerkennung zu Theil, als Ehrenmitglieder des dortigen Musikvereins aufgenommen zu werden.

1) Von den Verlegern Mendelssohn gewidmet.

XII

(1824.)

Nach dem im Jahre 1863 erfolgten Ableben des Professors Leopold Kupelwieser fand sich in dessen brieflichem Nachlaß ein Schreiben Franz Schubert's an ihn vor, datirt 31. März 1824, dessen Inhalt einen schmerzlich überraschenden Einblick in die damalige Gemüthsstimmung des Tondichters gewährt.

Das Fehlschlagen so mancher Hoffnung

insbesondere

was die Aufführung seiner Opern im Theater anbelangt bedrängte äußere Verhältnisse, anhaltendes körperliches Unwohlsein, die lange währende Abwesenheit mehrerer seiner vertrautesten Freunde 1) von Wien, endlich, wie man wohl annehmen darf, etwas Liebesgram, überantworteten den zwar erusten, aber nichts weniger als weltschmerzelnden Gefühlen nachhängenden Schubert um diese Zeit einer trübseligen, an Verzweiflung grenzenden Gemüthsstimmung. Auf das reich blühende Leben der eben vorhergegangenen Periode folgte allerdings nur vorübergehend - ein Zustand physischer Abspannung und moralischer Niedergeschlagenheit, wie wir einem solchen in Schubert's Leben kein zweites Mal wieder begegnen.

1) Kupelwieser befand sich in Italien, Schober in Preußen.

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Leopold Kupelwieser 1), von Sehnsucht getrieben, die Heimat der Künste zu schauen und daselbst seiner weiteren Ausbildung in der Malerkunst obzuliegen, war ein 27jähriger Jüngling zu Anfang dieses Jahres in Gesellschaft eines russischen Edelmanns, Namens Alexis Beresin, nach Italien gereist, und hatte zunächst in Rom längeren Aufenthalt genommen 2). An ihn find (unter dem erwähnten Datum) die nachstehenden Zeilen 3) gerichtet:

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Schon längst drängt es mich, an Dich zu schreiben, doch niemals wußte ich wo aus, wo ein. Doch nun beut sich mir die Gelegenheit durch Smirsch *), und ich kann endlich wieder einmal Jemanden meine Seele ganz ausschütten. Du bist ja so gut und bieder, Du wirst mir gewiß manches verzeihen, was mir Andere sehr übel nehmen würMit einem Wort, ich fühle mich als den unglücklichsten, elendsten Menschen auf der Welt.

den.

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1) L. Kupelwieser, geboren 1796 zu Pisting in. Niederösterreich, wurde Professor und k. Rath an der Kunstakademie in Wien, und starb daselbst am 17. Nov. 1862.

2) Als die beiden Reisenden nach Sicilien überfuhren, erkrankten fie am Nervenfieber; Beresin starb, Kupelweiser aber erholte sich und blieb bis in das Jahr 1825 in Italien.

3) Der Brief ist addressirt: Al Signor Leopoldo Kupelwieser, pittore tedesco, recapito al Caffè greco a Roma. Derselbe wurde mir von der Familie Kupelwieser freundschaftlichst mitgetheilt.

4) Smirsch, damals Caffier am kaiserlichen Hof, und ein geschickter Blumenmaler, besorgte während K's. Aufenthalt in Italien dessen Geschäfte. S. lebt derzeit in Pension in Wien.

,,Denke Dir einen Menschen, dessen Gesundheit nie mehr richtig werden will, und der aus Verzweiflung darüber die Sache immer schlechter statt besser macht; denke Dir einen Menschen, sage ich, dessen glänzendste Hoffnungen zu nichte geworden sind, dem das Glück der Liebe und Freundschaft nichts bietet als höchstens Schmerz, dem Begeisterung (wenigstens anregende) für das Schöne zu schwinden droht, und frage Dich, ob das nicht ein elender, unglücklicher Mensch ist? Meine Ruh' ist hin, mein Herz ist schwer, ich finde sie nimmer und nimmermehr, so kann ich jezt wohl alle Tage sagen, denn jede Nacht, wenn ich schlafen geh', hoffe ich nicht mehr zu erwachen, und jeder Morgen kündet mir neu den gestrigen Gram. So freude- und freundelos verbringe ich meine Tage, wenn nicht manchmal Schwind mich besuchte und mir einen Strahl jener vergangenen füßen Tage zuwendete. Unsere Gesellschaft (Lesegesellschaft) 1) hat sich, wie Du wohl schon wissen wirst, wegen Verstärkung des rohen Chores im Biertrinken und Würstelessen den Tod gegeben, denn ihre Auflösung erfolgt in zwei Tagen, obwohl ich schon beinahe seit Deiner Abreise sie nicht mehr besuchte. Leidesdorf 2), mit dem ich recht genau bekannt geworden bin, ist zwar ein wirklich tiefer und guter Mensch, doch von so großer Melancholie, daß ich beinahe fürchte, von ihm mehr

') Diese Leseabende fanden bei Schober und Bruchmann statt. Es wurden dabei die Classiker, auch Homer vorgenommen. Schubert pflegte diesen ästhetischen Uebungen beizuwohnen, iu welchen Franz v. Schober und Bruchmann (Sohn) gewöhnlich die Vorlesenden waren.

2) Leidesdorf, Kunst- und Musikalienhändler in Wien, etablirte sich später in Florenz. Ein Theil der Schubert'schen Compositionen wurde von ihm verlegt.

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