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dem Grafen und der Gräfin (F - Dur 4), ein Duett zwischen Astolf und Helene (Andantino B-Dur ) mit dem Schlußfatz (Allegro vivace ), eine Ariette des Grafen (Allegro mod. A-Dur ), eine Ariette der Gräfin (Allegro mod. C-Dur ) und das Finale (Allegro giusto D-Dur‡), dieses mehrere durch Tonart und Rhythmus geschiedene Theile enthaltend, von welchen sich der Marsch und Chor der Frauen (G-Dur ), das Solo der Gräfin mit Begleitung des Männer und Frauenchores (Andante C-Dur ) und der Schlußchor (Allegro mod. C-Dur §) herausheben.

Dieses reizende Singspiel gewährt schon darum ein erhöhtes Interesse, weil mit demselben in neuester Zeit der Reigen in der Vorführung von Schubert's dramatisch - musikalischen Leistungen eröffnet und der erste Impuls zu weiteren Versuchen nach dieser Richtung hin gegeben wurde.

Nachdem die Operette über vierzig Jahre in Gesellschaft anderer Kleinodien ungekannt und unbenüßt geruht hatte, wurde der musikalische Theil derselben am 1. März 1861 in Wien zum ersten Mal in einem Musikvereinsconcert einer zahlreichen, mit gespannter Aufmerksamkeit lauschenden Zuhörerschaft mit glänzendem Erfolge vorgeführt 1). Die Frische und Anmuth der Melodien, verbunden mit trefflicher Charakteri

') Die Aufführung im Concertsaal leitete der artist. Director des Musikvereines Herr Johann Herbeck, welchem überhaupt die Bekanntschaft mit der Operette zu verdanken war. Es sangen darin: Frl. Hofmann (Gräfin), Frl. Ottilie Hauer (Helene), Frl. Bertl (Jsella), Hr. Mayerhofer (Graf) und Hr. Olshbauer (Udolin und Astolf). Bei der zweiten Aufführung (22. März) übernahm die Hofopernsängerin Frl. Kraus die Rolle der Gräfin und der Hofopernsänger Hr. Walther die Tenorpartie.

firung der Personen des Stückes, wirkte in eben dem Maße anregend, als die Sicherheit und Leichtigkeit in Behandlung des Vocalen und Instrumentalen in so Manchen, die an Schubert's Begabung nach dieser Seite hin gezweifelt, freudiges Erstaunen hervorrief. Unser Tondichter zeigte sich übrigens auch hier vorzugsweise als großer Lyriker. Der zu Grunde gelegte Text gibt keine Veranlassung zu eigentlich dramatischen Effecten, wenn auch Einzelheiten, wie beispielsweise das Finale, den aufrichtigsten Neid noch lebender Tonsezer erregen dürften. Es zieht da ein Liederspiel von eilf Nummern an uns vorüber, deren eine reizender ist als die andere 1).

Was die Aufführung der „Verschwornen“ im Theater anbelangt, so hat die freie Reichsstadt am Main der Vaterstadt des Componisten den Rang abgelaufen. In Frankfurt gelangte die Oper bereits am 29. August 1861 mtt bestem Erfolg zur ersten Darstellung, welcher bald darauf noch weitere folgten 2).

1) Im Frühjahr 1862 erschien bei Spina ein von Dr. Schneider verfaßter Clavierauszug mit und ohne Text, und noch andere Arrangements der Operette.

2) Die erste Anzeige von der Aufführung enthielt das „Frankfurter Museum", welches sich dahin aussprach, daß das reizende Werkchen, dessen füße Musik den weichen Schmelz südlicher Weisen mit dem energischen Charakter deutscher Klänge auf's wunderbarste vereinige, von Seite der Kritik und des Publikums die freundlichste Aufnahme gefunden und als eine wesentliche Bereicherung des Repertoirs gepriesen werde. Die Musik", heißt es weiter, ist so fein, duftig, anmuthig und reizend, wie man es nur von dem berühmten vielseitigem Liedersänger erwarten darf. Eine Nummer ist schöner als die andere. Die Oper war mit bemerkenswerthem Geschick in Scene gesetzt. Der Schauplaß

In Wien wurde sie am 19. October 1861 zum ersten Mal im Hofoperntheater gegeben. Die Aufführung des musikalischen Theiles erwies sich zwar der im Concertsaal vorausgegangenen nicht ebenbürtig, die Aufnahme der Novität seitens des Publikums war aber eine sehr günstige. Daß „Die Verschwornen“ sich demungeachtet nur kurze Zeit auf dem Repertoir hielten, ist Verhältnissen zuzuschreiben, die mit dem inneren Werth der Schubert'schen Composition nichts

war sehr hübsch arrangirt. Die Mitwirkenden gaben sich alle Mühe; man fühlte heraus, daß sie Freude an dem Werke haben. Der Beifall war ein lebhafter." In den „Didaskalien“ des Frankfurter Journal's wurde des theatralischen Ereignisses in folgender Weise gedacht: „Mit dem Häuslichen Krieg", einer hinterlassenen einactigen Oper von dem genialen Liedercomponisten Franz Schubert (Text von Castelli), hat unsere Direction einen guten Griff gethan. Das anmuthige Tonwerk ist bereits zweimal mit entschiedenem Beifall gegeben und dürfte fich dauernd auf unserem Repertoir erhalten. Das hiesige Theater ist das erste, welches die Operette zur Aufführung bringt, nachdem dieselbe im Frühjahr d. J. durch eine Concert-Aufführung der „Gesellschaft der Musikfreunde" in Wien zuerst bekannt geworden. Die Veranlassung zur Composition dieser Oper dürfte wohl das Vorwort sein, das Castelli bei der Veröffentlichung eines „Die Verschwornen“ betitelten Operntextes diesem voransezte. Es waren 42 Jahre nöthig, um dieser Tondichtung von ausgesprochenem innerem Werthe den Weg zur Bühne zu bahnen, während indeß so vieles Gehaltlose über dieselbe geschritten ist. Der Castelli'sche Text lädt zu einer charakteristischen und dramatisch lebensvollen musikalischen Behandlung in jeder Hinsicht ein; seine Handlung ist reich an drastischen Momenten. Schubert hat es verstanden, die vielen lyrischen, sentimentalen und komischen Situationen, welche der Text bietet, mit seinem Gefühle auszubeuten: die Musik ist von der lebhaftesten dramatischen Bewegung, von seltenem Melodienreichthum, frisch, stimmungsvoll und originell. Jede einzelne Nummer hat ihre eigenen Reize."

zu schaffen haben, sondern in den ökonomischen Verhältnissen des Theaters und dem Verlangen des Publikums, den ganzen Abend durch eine größere Opernvorstellung ausgefüllt zu sehen, ihre naheliegende Erklärung finden 1).

In neuester Zeit (October 1862) wurde das Singspiel auch im Hoftheater zu München 2) und in Salzburg zur

„Der häusliche Krieg“ wurde in Verbindung mit einem Tanzdivertissement oder einer zweiten Operette gegeben. Im Hofopern= theater in Wien sang Frl. Fischer die Isella und Herr Erl den Astolf; die übrige Besetzung war jene der zweiten Concertaufführung.

2) Die Vorführung der Operette in München veranlaßte einen Musikreferenten in der „Augsb. Allg. Zeitung" zu folgenden, theils allgemeinen, theils speciell auf Schubert Bezug habenden Betrachtungen, deren bezeichnendste Stellen hier herausgehoben erscheinen:

welcher

„Der Galgenhumor der Impotenz heißt es da nicht selten in der literarischen wie musikalischen Kritik das Wort zu ergreifen sich berufen glaubt, liebt es, vor allen andern Argumenten gegen uneigennützige höhere Geistesthätigkeit den Hinweis auf die geringschätzige Gleichgiltigkeit zu führen, mit welcher solche Bestrebungen von maßgebender Seite, von der sie Aneiferung oder Unterstützung empfangen sollten, aufgenommen wurden. Und mancher, der auf Meifters Worte zu schwören erzogen ist, nimmt häufig für ein Zeichen der heutigen Zeit, was Gemeinfehler des Menschengeschlechtes seit Menschengedenken ist. Nach der Erfahrung der Geschichte kann man behaupten, daß bei keiner Kunst das Urtheil der Zeitge= nossen so große, so langsam überwindliche Mühe habe, den Leistungen der Muse gerecht zu werden, als bei der Kunft der Musik. Das Erdenwallen der großen deutschen Tondichter, woferne sie nicht, wie Gluck und Händel, bei fremden Bölkern ihr Glück zu machen wußten, gehört theils zu den trübseligsten, theils zu den bescheidensten Erfahrungen, welche das fleischgewordene Genie in den bunten Verhältnissen des bürgerlichen Lebens zu machen hatte. Auch für Franz Schubert, den letzten von den großen Meistern, welche durch die Kunft der Töne den Ruhm des deutschen Volkes vor

Darstellung gebracht, wo es sich ebenfalls eines durchgreifenden Erfolges zu erfreuen hatte.

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Wie schon erwähnt, gehört auch der reizende Liederkranz : „Die schöne Müllerin" dem hier behandelten Zeitabschnitte an.

Eines Tages besuchte Schubert den Privatsecretär des Grafen Seczenyi, Herrn Benedict Randhartiger 1) (derzeit k. k. Hofkapellmeister), mit welchem er in freundschaftlichem Verkehr stand. Kaum hatte er das Zimmer betreten, als der Secretär zum Grafen beschieden wurde. Er entfernte sich sofort, dem Tondichter bedeutend, daß er binnen kurzem zurück sein werde. Franz trat an den Schreibtisch, fand da einen Band Gedichte liegen, von denen er das eine und andere durchlas, steckte das Buch zu sich und ging fort, ohne

andern erhöhten, konnte von der thatkräftigen Ermunterung, welche seinem Genie von maßgebender Seite wiederfahren, bittere Geschichten sagen. Früh, viel zu früh für die Verehrung seines Schaffens, kaum in's Mannesalter getreten, starb der reichbegabte Wiener, und Jahrzehente mußten vergehen, ehe eine Gesellschaft emfiger Dilettanten dem vergrabenen Spiel die langentbehrte Ehre der ersten Aufführung und den Bühnen von Beruf das Zeichen gab, daß sie durch das fertige Renommée des zu den Classikern versammelten Schubert gedeckt, kein kühnes Wagniß mehr unternehmen, wenn sie den häuslichen Krieg“ vor die Lampen brächten. Gleichsam aus einer andern Welt, aus einer Welt, die nicht mehr die des musikalischen Schaffens von heute ist, flangen diese einfachen, zartsinnigen, herzergreifenden Weisen, diese Fülle melodischen Reichthums, diese zierlich sorgsame Inftrumentirung, diese fromme priesterliche Thatäußerung einer sich selbst noch heilighaltenden Kunst, welche die glorreichen Effecte eines Meyerbeer und R. Wagner noch nicht erfahren hat."

1) Der Gewährsmann dieser Entstehungsgeschichte der ersten „Müllerlieder“.

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