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Seit seinem Eintritt in das siebenzigste Lebensjahr kränklich, bat er im Jahre 1824 um seine Pensionirung und starb am 7. Mai 1825 in Wien, wo er auch begraben liegt.

Salieri galt bei seinen Zeitgenossen nicht nur als ein fleißiger 1), melodienreicher, warm fühlender und tiefdenkender Meister, sondern auch als ein höchst liebenswürdiger Mensch. Freundlich, gefällig, wohlwollend, lebensfroh, wißig, unerschöpflich in Anecdoten und Citaten, ein feines, niedlich gebautes Männchen, mit feurig blizenden Augen, gebräunter Hautfarbe, immer nett und reinlich, lebhaften Temperamentes, leicht aufbrausend, aber ebenso leicht auch zu verföhnen, so schildert ihn Hofrath Friedrich v. Rochlig 2), der im Jahre 1822 mit ihm in Wien zusammenkam. Die deutsche Sprache erlernte er nie; im Feuer der Rede warf er französische und italienische Wörter dazwischen und pflegte sich damit zu entschuldigen, daß er erst seit 50 Jahren sich in Deutschland aufhalte.

Salieri wohnte im Innern der Stadt, Seilergasse im eigenen Hause. Dahin wanderte nun (in den Jahren 1813 bis 1817) der junge Schubert, die Notenhefte unter dem Arm, um dem Maestro seine Ausarbeitungen vorzulegen und von diesem die Instructionen zu empfangen, wie er es zu machen

') Er schrieb an 40 Opern, 12 Oratorien, Cantaten, Messen, ein Requiem, 4 Concerte für verschiedene Instrumente, eine Sinfonie (1776), Ouverturen, Serenaden, Ballet-Musik, endlich dramatische Musik in tragischem, tragikomischem, heroischem, heroisch-komischem und akademischem“ Styl.

2) In dem Buch: „Für Freunde der Tonkunst“, Leipzig 1832, IV. Bd. - Mozart gegenüber, dessen Ueberlegenheit S. instinctartig fühlte, war er übrigens schlau und intriguant genug, um sein Emporkommen im Stillen zu hindern. (O. Jahn „Mozart“ III. Bd., S. 61 μ. s. f.)

habe, wenn er ein guter Componist werden wolle 1). Salieri war mit Schuberts Compositionsweise und namentlich mit den dichterischen Vorwürfen, die dieser sich wählte, um sie in Musik zu setzen, nicht ganz einverstanden; er verlangte, daß Franz von seinen Versuchen, Göthe’sche und Schiller'sche Verse zu componiren, ablasse, mit seinen Melodien haushalte, bis er reifer sein werde, und sich dafür an italienischen Stanzen übe 2); er anerkannte aber das außerordentliche Talent seines Schülers, und als ihn dieser wieder einmal mit verschiedenen Compositionen überrascht hatte 3), rief er aus: „Der kann doch alles; er ist ein Genie! Er componirt Lieder, Messen, Opern, Streichquartette, kurz Alles, was man will." Welch freudigen Stolz er über Schubert's erste Messe (in F) empfunden, wird zur Stelle erwähnt werden.

Es unterliegt keinem Zweifel, daß Schubert aus Salieri's Unterricht jenen Nutzen gezogen hat, welchen jeder hochbegabte Schüler aus den praktischen Andeutungen eines in der musikalischen Kunst seit einem halben Jahrhundert

1) Damals schon konnte man, wenn Salieri's Unterricht vor abgelaufener Stunde beendet war, den genialen einen „guten Tropfen“ liebenden Schüler in eine, der Behausung des Hofcapellmeisters ganz nahe gelegene Weinhandlung hineinschlüpfen sehen, wo er in Gesellschaft eines ehemaligen Gespielen Franz Doppler (der mir dies mittheilte) manch Stündchen vertrank und verplauderte.

2) Die Composition einer solchen Stanze besitzt A. Stadler in Wien. Sie trägt das Datum 1813.

*) Als Curiosum dieser Art theilte mir Herr Josef Hüttenbrenner mit, daß Schubert, nachdem ihm Salieri gesagt hatte, er könne nun schon eine Oper schreiben, von dem Unterricht mehrere Wochen weggeblieben sei, und sodann dem überraschten Meister die fertige Partitur von „des Teufels Lustschloßz“ (1813–1814) zur Durchsicht vorgelegt habe.

herangebildeten und selbstschaffenden Meisters immerdar schöpfen wird. Aber die Geistes- und Geschmacksrichtung des durch und durch an den Traditionen der alt-italienischen Schule festhaltenden Lehrers unt jene seines Schülers, der, von dem Schwung seiner Phantasie hingerissen, bereits anfing, das beflügelte Rößlein im Land der Romantik zu tummeln, war eine so total verschiedene, daß an ein längeres Zusammengehen Beider nicht zu denken war. Schubert vertraute schon der eigenen Kraft; ihm lag der Weg klar vor Augen, den er zu wandeln hatte, um seine Mission zu erfüllen, und von Salieri hatte er eben so wenig mehr zu lernen, als vor ihm Beethoven, der ja auch einige Zeit dahin in die Schule gegangen war, um dramatische Musik zu studiren 1). Es ist daher ganz gleichgültig, aus welchem der verschiedenen Anlässe, die von Zeitgenossen angegeben werden, Schubert sich von dem alten Maestro plöglich losgesagt hat 2); der Bruch war unvermeidlich und die ganz natürliche Folge von Schubert's in den riesigsten Säßen fortstürmender musikalischer

1) Bekanntlich sagten Albrechtsberger, bei welchem Beethoven Generalbaß, und Salieri, bei dem er das Opernfach studirt hatte, von ihrem Zögling, er werde zu seinem Schaden später lernen, was er sich geweigert, auf ihr Wort zu glauben.

2) So führt z. B. Herr Doppler (Geschäftsführer der MusikalienVerlags-Handlung Spina) als Hauptmotiv von Schubert's Bruch mit Salieri das Factum an, daß letzterer in der Schubert'schen B-Messe alle Stellen durchstrich und corrigirte, die an Haydn oder Mozart erinnerten. Schubert sei mit der corrigirten Messe zu ihm (Doppler) ge= kommen, habe sie zornig auf den Tisch geworfen und erklärt, er wolle nun von Salieri nichts mehr wissen. Andere meinen wieder, die Anforderung an Sch, italienische Stanzen zu componiren, habe diesen aus S's. Nähe vertrieben.

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Entwicklung. Des Schülers dankbares Gemüth hielt übrigens das Andenken des Lehrers bis an sein Lebensende hoch in Ehren, was auch einige Aufzeichnungen in dem Tagebuch und das zu Ehren der Jubelfeier, von Schubert selbst verfaßte Festgedicht bezeugen.

Was Schubert's musikalische Thätigkeit anbelangt, so fallen in das Jahr 1813 die Anfänge einer Oper, eine Sinfonie, eine Cantate, wenige Lieder und eine unverhältnißmäßig große Anzahl mehrstimmiger canonartiger Gefänge.

Die Sinfonie in D, die erste der von Schubert ganz oder zum Theil vollendeten acht Sinfonien 1), sollte die Namens- oder Geburtstagsfeier des Convicts-Directors Innocenz Lang verherrlichen, und wurde von Zöglingen der Anstalt aufgeführt. Sie besteht aus vier Säßen 2) und ist noch unverkennbar im Stil der älteren Meister gehalten. - Die Cantate enthält nur ein Terzett (für 2 Tenore und 1 Baß) „Zur Namensfeier des Vaters, die Worte gedichtet und mit Guitarrebegleitung componirt von F. Schubert am 27. September 1813". Das Terzett, ein einfach melodiöser Gesang, beginnt mit einem kurzen Andante (A-dur 12) und schließt bewegter mit einem Allegretto (g), das den eigentlichen

') Ferdinand Schubert erwähnt auch der Skizze einer neunten, die er 1846 an Mendelssohn übergeben haben will.

2) Einleitung (Adagio) und Allegro vivace, Andante G-Dur , Menuett und Trio (Allegro D-Dur), Finale (Allegro vivace D-Dur }). Das Manuscript mit dem Datum 28. Oct. 1813 besißt Dr. Schneider in Wien. Am Schluß der Partitur stehen die Worte: Finis et fine.

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Glückswunsch des Sohnes enthält1). Die Canons, zumeist auf Gedichtfragmente von Schiller componirt, find als Studien in dieser Form, vielleicht auch für die Kameraden im Convict geschrieben 2). Sie sind fast durchweg dreistimmig und von Männerstimmen vorzutragen. Ein schöner Gesang ist das (nicht canonartige) Terzett: „Todtengräberlied“ von Hölty

1) Das Schubertsche Gedicht lautet:

(Andante)

Ertöne Leyer

Zur Festesfeier.

Apollo steig hernieder,

Begeistre unsere Lieder.

(Allegretto) Lange lebe unser Vater Franz, Lange währe seiner Tage Chor

Und in ewig schönem Flor

Blühe seines Lebens Kranz.

Wonnelachend umschwebe die Freude

Seines zürnenden Glückes Lauf,

Immer getrennt vom trauerndem Leide

Nehm' ihn Elisiums Schatten auf.
Endlos wiedertöne holde Leyer

Bringt des Jahres Naum die Zeit zurück

Sanft und schön an dieses Tages Feier

Ewig währe Vater Franzen's Glück.

Das Antograf des Terzettes mit der Aufschrift: „Auf die Namensfeier meines Vaters, 27. Sept. 1813", besißt Dr. Schneider, deßgleichen ein zweites: „Namensfeyer“ betitelt (27. Sept. 1815), bestehend aus einem Gesangsstück: „Du Erhabener“ u. s. w. (Adagio Es-Dur).

2) Die große Anzahl dieser nacheinander entstandenen Canons erinnert an Mozart, der an Einem Tag (2. Sept. 1788) deren zehn niederschrieb. (O. Jahn „Mozart“ III. Bd.) — Das Gedicht von Schiller: „Elisium" ist für diese Canons hauptsächlich ausgebeutet, und zwar die 1., 2., 4. und lehte Strophe.

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