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Wien hat nicht stattgefunden. Als aber im Jahr 1847 Dr. Franz Liszt seinen Aufenthalt in Weimar nahm, sprach er gegen den Verfasser des Textes Franz v. Schober (damals Legationsrath daselbst) den Wunsch aus, eine Oper Schuberts auf dem dortigen Hoftheater zur Aufführung zu bringen. Schober bezeichnete ihm „Alfonso und Estrella" als die einzige ganz fertige, noch nirgends aufgeführte 1), und machte sich anheischig, sogleich an Ferdinand Schubert zu schreiben, damit dieser die Partitur der Hofopernintendanz übersende.

Nach Verlauf von zwei Monaten erhielt er von diesem den folgenden, vom 3. März 1848 datirten Brief 2):

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Hochgeehrter, Edler Herr Legationsrath!

Es freut mich ungemein, daß Herr Hofcapellmeister Dr. Liszt auch der Opern meines seligen Bruders gedenkt, und dies um so mehr, als ich weiß, daß Dr. Liszt nur aus Begeisterung für diese Compositionen deren Vorführung beim Publicum zu erzielen sucht.

„Nun ist es mir höchst unlieb, diesmal Ihrem Wunsche nicht augenblicklich willfahren zu können, da ich wegen der Opern des Verblichenen sowie wegen einiger anderer Werke

1843 Ferdinand Schubert den Empfang derselben. Die OriginalPartitur fand ich im Jahre 1861 im Besitz des Herrn Alexander Thayer (aus Boston) vor, der sie von der Familie des Ferdinand Schubert überkommen hatte. Dieselbe ist gegenwärtig Eigenthum des Wiener Musikvereins.

') Darin irrte Herr v. Schober, da an ein halbes Dußend Opern fertig und nicht aufgeführt war.

*) Eine Abschrift desselben theilte mir Herr v. Schober mit.

desselben bereits mit Breitkopf und Härtel in Unterhandlungen stehe. Daß die Oper „Alfonso und Estrella" so lange gelegen, ohne auf eine Bühne gekommen zu sein und deshalb geeignet sei, das Unternehmen mißtrauisch auf den geistigen Werth dieses Werkes zu machen, dürfte wohl nicht zu besorgen sein, da daran größtentheils der Umstand Schuld ist, daß ein Verehrer Schubert's in Graz nach dem Tode des Compositeurs diese Oper aus Gewissenhaftigkeit so sorgfältig in einer Cassetruhe aufbewahrte, daß er sie erst nach 14 Jahren wiederfand 1).

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Uebrigens ist es auch nicht mehr möglich, dieselbe während Dr. Liszt's Aufenthalt in Weimar dort noch einzustudiren, da sie noch nicht herausgeschrieben ist und die kurze Zeit es nicht mehr gestattet. Sobald ich jedoch mit Leipzig in Ordnung bin, werde ich Euer Edlen davon ungesäumt in Kenntniß seßen, damit Sie die weiteren Verfügungen treffen können.

„Ee

,,Ee freut uns alle außerordentlich, daß Euer Edlen noch immer ein wahrer Freund unsers Bruders Franz sind, und noch eifrig mitzuwirken bemüht sind, dem Verblichenen im Tod noch eine Ehrensäule errichten zu wollen. Nehmen Sie die Versicherung meiner ausgezeichneten Hochachtung und haben Sie die Güte, dem Herrn Capellmeister Dr. Liszt

1) Das ist wohl eine Entstellung des wahren Sachverhaltes. Schubert hatte die Original-Partitur, von welcher eine Abschrift auch nach Berlin gesendet worden war, seinem Freund Dr. Pachler zur weitern Disposition überlassen, und dieser wollte sie auch in Graz zur Aufführung bringen. Von einem Wiederfinden konnte da nicht die Rede sein.

meinen tiefsten Respect zu vermelden, und insbesondere meinen Dank zu überbringen für die edle Begeisterung, welche derselbe so rührig zur Verewigung meines seligen Bruders Franz zum Opfer bringt.

,,Euer Edlen ergebenster Diener

Ferdinand Schubert."

Auf diesen Brief erging von Seite des Herrn v. Schober unter dem 18. März 1848 ein dringlicher gehaltenes Schreiben1) an den Besiger der Partitur ab, und einige Tage darauf langte diese, an Dr. Liszt adressirt, in Weimar an 2). Die Aufführung verzögerte sich aber bis zum Jahre 1854, in welchem die Oper und zwar am 24. Juni als Festvorstellung und zugleich als Schluß der Theatersaison zur Geburtstagsfeier des Großherzogs 3) unter Liszt's Direction in Weimar zum ersten Mal gegeben wurde. Das Werk war gut einstudirt und unter den Mitwirkenden *) erfreuten sich besonders die Darsteller des Troila und der Estrella

') Eine Abschrift dieses Briefes wurde mir von Herrn v. Schober mitgetheilt.

2) In der „Skizze“ S. 133 Anmerkung findet sich folgende Bemerkung: Die Partitur von „Alfonso und Estrella“ befindet sich im Besize des Verfassers des Textbuches, Franz Schober, welcher trotz wiederholter Aufforderung des Ferdinand Schubert nicht zu bewegen war, sie letzterem wieder zurückzustellen.“ Diese auf einer ganz irrigen Mittheilung beruhende Angabe wurde in den Leipziger „Signalen“ (Nr. I. 1862) berichtigt.

3) Aus diesem Grunde wurde auch an Stelle der Schubert'schen Ouverture eine „Jubelouverture“ von Rubinstein aufgeführt.

*) Die Darstellenden waren: Milde (Troila), Liebert (Alfonso), Mayrhofer (Adolfo), Höfer (Mauregato), Frau Milde (Estrella).

anerkennenden Beifalls; auch das Orchester und der Chor thaten ihre Schuldigkeit, dennoch war der Erfolg der Oper kein durchgreifender 1) Weitere Versuche von Aufführungen

1) In der neuen Zeitschrift für Musik_sprach sich der Recensent Gottwald über das Schubert'sche Opern-Drama in folgender Weise aus: Der Aufführung dieser Oper unseres größten Liedercomponisten fah ich mit dem wärmsten Interesse entgegen, da vorzugsweise Er in seinen hochpoetischen Tondichtungen für jede Gemüthsstimmung, ebenso für jeden Grad der Leidenschaft den richtigen Ton, und zwar in einer Weise wiederzugeben vermochte, die uns heute noch mit magischer Kraft in den Zaubergeist seiner Fantasie zieht. Nach vielen seiner außerordentlichen, oft so dramatisch bearbeiteten Lieder war man berechtigt, von Schubert auf dem Gebiete der Oper das Bedeutendste zu erwarten. Leider aber vereinigte sich in dieser Oper der poetische, tiesinnerliche Liedercomponist mit einem vollkommen prosaischen Dichter: dies der Grund, wenn Schubert's Oper für die Folge keine Lebensfähigkeit haben kann. Der äußerst magere Stoff der Handlung, der jeden Jateresses bar, weder spannende Situationen, noch wirklich dramatische Effecte erlaubt, muß auf den Zuhörer ebenso erlahmend und abschwächend einwirken, als die über alle Gebühr ausgedehnten und festgehaltenen subjectiven Stimmungen und lyrischen Ergüsse. Diese lettern bilden so eigentlich das Element dieser Oper (die man nicht mit Unrecht als Liederoper bezeichnen dürfte —), daher Schubert fast durchgehends zum Reinmelodischen, das oft über die einfachste Liedform mit musikalischen Phrasen von 2 zu 2, 4 zu 4 Tacten nicht hinauskommt, immer wieder gedrängt werden mußte. Die unausbleibliche Folge ist die im Drama sich wohl am meisten rächende Monotonie, die selbst Schubert mit seinem Melodienreichthum nicht zu bannen vermochte. Dies muß um so mehr beklagt werden, als der Componist, wo ihm nur irgend ein Anhaltspunct möglich gewesen, z. B. am Schluß des ersten Actes; beim ersten Zusammentreffen Estrella's mit Alfonso mit nebenbei gesagt recht interessanter Instrumentation; im Verschwörungschor, am Schluß des zweiten Actes; ferner im dritten Act in der Scene

haben in der Folgezeit weder dort noch anderswo stattgefunden.

Von größeren Compositionen gehören diesem Jahr noch an:

Eine Sinfonie für Orchester in H-Moll, welche Schubert zum Dank für das ihm von dem Grazer Musikverein ausgestellte Diplom eines Ehrenmitgliedes desselben dem Vorstand der Gesellschaft, Anselm Hüttenbrenner, in dem Zustand, in welchem sie sich eben befand, nämlich halbvollendet, übergab. Nach einer Mittheilung Herrn Josef Hüttenbrenner's ist nämlich der erste und zweite Saz vollständig componirt und der dritte (Scherzo) zum Theil. Das Fragment, im Besitz des Herrn Anselm Hüttenbrenner in Graz, foll namentlich der erste Satz - von hoher Schönheit sein. Ist dies der Fall, so dürfte sich wohl der intime Freund Schubert's demnächst entschließen, das noch ganz unbekannte Werk des von ihm hochverehrten Meisters, von Schloß und

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zwischen Estrella und Adolfo, im Siegesmarsch und in manchem Andern vollständig bewiesen hat, wie mächtig er auf dem Gebiete der Oper hätte werden können, wenn ihm anders der entsprechende Dichter hiezu die Hand gereicht hätte.“ — Dieses Urtheil stimmt so ziemlich mit dem von mir ausgesprochenen überein, nur ist hier zu viel der Schuld auf den Dichter gewälzt. Der Componist P. Cornelius, welcher der Aufführung in Weimar beigewohnt hat, theilte mir mit, daß die Oper einige sehr schöne Musikstücke enthalte, aber im Ganzen angesehen sich unter den jetzigen Theaterzuständen und Geschmacksrichtungen kaum längere Zeit auf der Bühne behaupten dürfte, wobei freilich der Gedanke nahe liegt, wie viel werthloses Machwerk in Handlung und Musik von jeher und auch in unsern Tagen auf verschiedenen Bühnen Triumfe feiert, während diese sich einem Schubert'schen Werk beharrlich verschließen.

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