Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Ob der dritte, umfangreichste Theil, in welchem auch dem Chorgesang eine hervorragende Stelle angewiesen ist,

[blocks in formation]

von Schubert ebenfalls componirt wurde, darüber fehlt zur Stunde jeder Anhaltspunkt.

Die in der Cantate auftretenden Personen sind: Der Bethanier Lazarus (Tenor), Maria und Martha, Schwestern des Lazarus (Sopran); Femina, die Tochter des Jairus (Sopran); Nathanael, ein Jünger des Herrn (Tenor), und der Sadducäer Simon (Baß)').

Jemina und Nathanael ausgenommen, deren Gesangspartien minder umfangreich, aber musikalisch auf das schönste ausgestattet erscheinen, sind die übrigen hier auftretenden Personen von dem Dichter und dem Componisten ziemlich gleichmäßig bedacht. Letterer hat sich in dem Text mehrere Aenderungen erlaubt, durch welche er das Original für seine Zwecke gefügiger, mitunter auch poetisch bedeutsamer gestaltete 2).

') In der ersten Aufführung des „Lazarus“ in Wien (am 27. März 1863) unter der Leitung des Herrn Johann Herbeck wirkten als Solisten mit: Frl. Tellheim (Maria), Frl. König (Martha), Frau Wilt (Jemina), Herr Olschbauer (Lazarus), Herr Schultner (Nathanael) und Hr. Mayerhofer (Simon).

Daß Schubert selbst am Text geändert, ist sehr wahrscheinlich, wenngleich nicht erwiesen. Die hauptsächlichen Aenderungen beziehen fich auf einige Stellen in den ersten Arien der Martha, der Maria, in dem zweiten Gesang des Lazarus und in der großen Arie des Simon. So z. B. sind die Worte Martha's:

Und nun gehst du so fern von uns

In's unbekannte Land,

Und einsam bleibt die Hütte dann,

Des Schmerzes und der Sehnsucht öder Wohnplatz

Der musikalische Theil besteht - dem Gedicht gemäß aus Arien und Ariofen, Chören und Recitativen. Dem Arioso und dem eigentlichen Recitativ ist aber in dieser Schubert'schen Tondichtung eine hervorragende Stelle eingeräumt, gegen welche die dünngefäeten Arien und die zu zwei Chöre, welche jede der Handlungen abschließen, entschieden zurücktreten. Der Componist war vorzugsweise auf den declamatorischen Gesang angewiesen, und die Meisterschaft, mit welcher Schubert den Strom prägnant hervortretender Melodien, wie diese ihm jederzeit zu Gebot standen, einzudämmen und in inniger musikalischer Durchdringung der, von dem Geist der Asketik durchwehten Dichtung, die zu recitirenden Stellen in bedeutender, fein individualisirender Weise wiederzugeben verstand, verleiht dieser Cantate ein besonderes Interesse, und gestaltet dieselbe zu einer der eigenthümlichsten Tondichtungen, welche in dieser Art überhaupt geschaffen worden sind. Der Verfasser des Textes hat dem Componisten die Arbeit keineswegs erleichtert. Es bedurfte eines Genies, wie es eben jenes Schubert's war, um an der gefährlichen Klippe der Monotonie, welche in dem Mangel an bewegter Handlung, in dem fast ununterbrochenen Fest

dahin abgeändert:

Und nun gehst du in die Schatten der Gräber
Ferne von uns, daß in öden Nächten

In der einsamen Hütte wir dich klagen,

Daß im Wipfel der Palme unser Jammer ertöne

An deiner Gruft zu verhallen.

In Simon's Recitativ sind energischere Textworte aufgenommen, als fich im Original finden, da der Componist hier dramatische Wirkung erzielen wollte.

halten einer und derselben Stimmung und dem überwiegenden Recitativgesang gelegen ist, glücklich vorbeizuschiffen. Schubert ging dabei nicht in beschreibender, sondern -- wie es die Dichtung verlangt — in darstellender Weise zu Werke, und mit welch feinem Gefühl und überraschendem Geschick er sich der von dem Dichter ihm dargebotenen Gelegenheit zu dramatischer Entfaltung zu bemächtigen wußte, davon geben die, der Tochter des Jairus (Jemina) und dem Sadducäer Simon zugetheilten musikalischen Partien glänzendes Zeugniß. Ein verstandesmäßiges Zergliedern des zartgestalteten, aus Einem Guß hervorgegangenen und fast ohne Ruhepunkte sich dahinbewegenden Tonwerkes hieße das Mondlicht zerlegen wollen und würde wenig frommen, wenn auch nur auf diese Art viele verborgene Reize bezeichnet und aufgedeckt werden könnten; hier möge nur im Allgemeinen auf die hohen Schönheiten der Schubert'schen Tondichtung hingewiesen werden.

Das Oratorium beginnt mit einem kurzen Vorspiel als Einleitung zu dem recitirenden Gesang des Lazarus, der eben von den beiden Schwestern Maria und Martha in den Garten unter einen schattenden Palmbaum geführt und auf blumigen Rasen niedergelassen ward. Auf den tiefempfundenen, sanften Gesang folgt (in rascherem Zeitmaß) ein Recitativ der Martha, und nach einem kurzen Vorspiel (Andantino G-Dur) ebenfalls ein recitirender Gesang der Maria. Die demselben sich anschließende Arie (Andantino sostenuto F-Dur von Streichinstrumenten, Clarinett, Fagott und Horn begleitet) ist eines der schönsten Musikstücke und erhält namentlich durch das Hervortreten der Blasinstrumente eine eigenthümliche Färbung. Nun folgt

ein Recitativ des Lazarus von rührendem Ausdruck, und auf dieses abermals ein Recitativ des von dem Heiland zu Lazarus herbeigeeilten Jüngers Nathanael, welches in die schwungvolle Arie (Allegro moderato C-Dur ) Wenn ich ihm nachgerungen habe“ u. s. w. hinüberleitet. Unter den darauf folgenden Recitativgesängen der Martha, des Lazarus und der Maria ragt jener der Letteren: Wenn nun mit tausendfacher Qual

Der Schmerzen Heer sich um ihn drängt u. s. w.

und die darauf folgende Arie:

Gottes Liebe! Fels im Meer u. s. f.

durch melodischen Zauber und schöne Charakteristik hervor.

Nun erscheint Jemina, die auferweckte Tochter des Jairus, eine der holdesten Gestalten des Evangeliums, die der Dichter finnreich in die Handlung einführt, auf daß sie dem sterbenden Lazarus ein lebendiges Zeugniß der Auferstehung vor Augen stelle. Die große Scene, in welcher sie ihren Tod, ihre Himmelfahrt und Auferstehung erzählt, gab dem Componisten Gelegenheit, ein ebenso erhabenes als ergreifendes Tonstück zu schaffen, das unserer vollen Bewunderung werth ist.

Was nun folgt die letzten Werte des sterbenden Lazarus, die Klagelaute der Schwestern und Jemina's, und endlich der Chor der nach und nach sich versammelnden Freunde ist von einer Schönheit und Innigkeit des Ausdrucks, welche sich nur fühlen, nicht beschreiben läßt.

Die zweite Handlung beginnt mit einem durch 27 Takte anhaltenden Orchestersay (Largo C-Moll ), einer Art von Grabmusik, in welcher die Posaunen zu mächtiger

« ZurückWeiter »