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gleich die juridischen Studien. Er hatte, sowie auch Schubert, ursprünglich einen Stiftplatz im Stadtconvict aus der sogenannten Ferdinandeischen Sängerknaben-Stiftung „am Hof.“ Holzapfel durfte sich rühmen, der älteste Jugendfreund Schuberts zu sein, und er war es, der sich schon der Erstlinge von dessen Liedern, als diese über die Schwelle des Convicts noch nicht hinausgedrungen waren, mit jugendlicher Begeisterung bemächtigte. Er galt als ein durchgebildeter Musiker, war im Besitz einer hübschen Tenorstimme, spielte auch das Cello und blich Schubert fortan in treuester Anhänglichkeit ergeben 1).

Johann Michael Senn (geb. am 1. April 1795 zu Pfunds in Tirol), befand sich gleich anderen Söhnen von Tiroler Führern des Jahres 1809 gleichzeitig mit Schubert im Convict. Er war ein begabter feuriger Jüngling 2), verlor aber um das Jahr 1814 oder 1815 seinen Stiftplatz, weil er an einer Emeute der Zöglinge, welche aus Anlaß einer über einen Kameraden verhängten Carcerstrafe ausbrach, in hervorragender Weise theilgenommen hatte. Ueberzeugt von der Ungerechtigkeit der Strafe, und unbeugsamen Sinnes, zog er es vor, aus der Anstalt entlassen zu werden, als wegen seines Vergehens Abbitte zu leisten. Senn widmete sich um das Jahr 1823 dem Wehrstand und wurde Offizier bei dem

1) Nach absolvirten Studien begann er seine ämtliche Laufbahn bei den Landrechten in Wien (seiner Vaterstadt), wurde später Magistratsrath und lebt nun seit vielen Jahren als Pensionist in dem, nahe bei Wels gelegenen Schloß Aistersheim.

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2) Die von L. Kupelwieser entworfene Porträtzeichnung Senn's zeigt einen schönen interessanten Kopf mit seinen Gesichtszügen. Senn war einige Zeit hindurch Lehrer des Eduard von Sonnleithner, und auch Instructor im Dr. Gredler'schen Hause in Wien.

Regiment,,Tiroler Kaiserjäger". Sein Leben gestaltete sich in späteren Jahren zu einem düsteren Nachtstück. Im Kampf mit den Verhältnissen, seiner Umgebung und der Censur, verbittert und menschenscheu geworden, ohne Freunde und Stüße, ergab er sich zuletzt dem Trunk und starb 1857 einsam und verlassen im Militär-Spital zu Innsbruck. Von seinen Gedichten (die im Jahre 1838 dafelbst bei Wagner erschienen) componirte Schubert das Schwanenlied". Senn widmete dem Freunde das Gedicht: „An S., den Tondichter“, und dem Dichter J. Mayerhofer, dessen Verhältniß zu Schubert noch zur Sprache kommen wird, zwei Sonette mit der Ueberschrift: Andenken an M., den Dichter". Es scheint übrigens, daß Senn nicht schon im Convict, sondern erst später bei Spaun oder Schober Schuberts nähere Bekanntschaft gemacht hat.

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Das musikalische Treiben im Convict gestaltete sich damals zu einem ungewöhnlich belebten.

Dr. Josef Hauer (Fabriksarzt in der Ded"), der im Jahre 1816 in dasselbe eintrat, spricht sich darüber folgendermaßen aus: 1)

Mir war Schubert, mit dem ich aber erst um das Jahr 1825 persönlich bekannt wurde, sehr zugethan. Ich weiß nicht, ob diese Geneigtheit meiner musikalischen Befähigung oder vielmehr dem Umstande zuzuschreiben war, daß ich auch im Stadtconvict als Sängerknabe meine Bildung erhielt. Denn hier war die praktische Schule für Schubert. Tag= täglich wurden da des Abends Sinfonien, Quartette und Gesangsstücke aufgeführt. Dazu kam noch die Mitwirkung in der classischen Kirchenmusik. Ich erinnere mich, daß ich daselbst

') In einem an mich gerichteten Schreiben. v. Kreisle, Franz Schubert.

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noch Ouverturen und Sinfonieen von Schubert vorfand, die wir aufzuführen versuchten, wobei mir einzelne Stimmen als Schuberts Handschrift vorgewiesen wurden. Ich selbst schrieb mir einen Band seiner Lieder ab, unter denen einige waren, die ich in späteren Jahren weder gestochen noch geschrieben wieder vorfand. Leider ist dieß alles verloren."

In einem Aufsatz Kenners) findet sich ebenfalls eine darauf Bezug habende Stelle. Da heißt es: „In dem Clavierzimmer übten sich nach dem Mittagessen in freier Zeit Albert Stadler, selbst Componist, und Anton Holzapfel, sein Classengenosse, im Vortrag Beethoven'scher und Zumstegscher Compositionen, wobei ich das ganze Publicum vorstellte, denn das Locale war nicht geheizt und daher schauerlich kalt. Dann und wann kam auch Spaun, und nach seinem Austritt aus dem Convict auch Schubert dazu. Stadler schlug das Clavier, Holzapfel sang, hie und da sezte sich Schubert an den Flügel." Leopold Ebner lernte den Componisten erst kennen, nachdem dieser das Convict schon verlassen hatte; denn Schubert kam noch ein Paar Jahre hindurch von Zeit zu Zeit in die Anstalt, um seine Freunde zu besuchen und mit ihnen neue Lieder, Clavierstücke u. s. w. durchzumachen."

Holzapfel und Stadler wirkten auch häufig in Vater Schuberts Hausmusiken" mit. 3m Convictsorchester spielte Holzapfel das Cello, Kleindl und Spaun die Violine; Senn blies das Horn und Randhartinger bearbeitete die Pauke.

Daß Franz während der Convictszeit, wenigstens was die materiellen Bedürfnisse anbelangt, nicht auf Rosen gebettet war, ergibt sich aus dem folgenden, vom 24. November

') Wurde mir von Herrn Stadler mitgetheilt.

1812 batirten, an einen seinen Brüder (wahrscheinlich an Ferdinand) gerichteten Schreiben 1), welches durch seinen gemüthlich derben Inhalt zur Charakteristik des damals in das 16. Lebensjahr eingetretenen Jünglings immerhin Einiges beiträgt. Die Herzensergießung des armen Convictszöglings läuft in die folgende Bitte aus:

Gleich heraus damit, was mir am Herzen liegt, und so komme ich eher zu meinem Zwecke, und Du wirst nicht durch liebe Umschweife lang aufgehalten. Schon lange habe ich über meine Lage nachgedacht und gefunden, daß sie im Ganzen genommen zwar gut sei, aber noch hie und da verbessert werden könnte; Du weißt aus Erfahrung, daß man doch manchmal eine Semmel und ein Paar Aepfel essen möchte, umsomehr, wenn man nach einem mittelmäßigen Mittagsmahle nach 81⁄2 Stunden erst ein armseliges Nachtmahl erwarten darf. Dieser schon oft sich aufgedrungene Wunsch stellt sich nun immer mehr ein, und ich mußte nolens volens endlich eine Abänderung treffen. Die paar Groschen, die ich vom Herrn Vater bekomme, sind in den ersten Tagen beim T—, was soll ich dann die übrige Zeit thun?

„Die auf dich hoffen, werden nicht zu Schanden werden. Matthäus Cap. 2, V. 4." So dachte auch ich. Was wär's denn auch, wenn Du mir monatlich ein paar Kreuzer zukommen ließest. Du würdest es nicht einmal spüren, indem ich mich in meiner Klause für glücklich hielte und zufrieden sein würde. Wie gesagt, ich stüße mich auf die Worte Apostels Matthäus, der da spricht: „Wer zwei Röcke hat, der gebe

') Abgedruckt in Ferdinand Schubert's Aufsätzen: „Reliquien“. (Neue Zeitschrift für Musik Jahrg. 1839.)

einen den Armen. „Indessen wünsche ich, daß Du der Stimme Gehör geben mögest, die Dir unaufhörlich zuruft,

Deines

Dich liebenden, armen hoffenden,

und nochmals armen Bruders Franz zu erinnern."

Mit dem väterlichen Hause blieb er während der Zeit feines Aufenthaltes im Convicte dadurch in Berührung, daß an Ferialtagen die von ihm componirten Streichquartette, ost unmittelbar nach ihrem Entstehen, in den dort üblichen Quartett - Uebungen 1) der Reihe nach aufgeführt wurden. Der alte Schubert pflegte dabei das Cello, Ferdinand die erste, Ignaz die zweite Violine und Franz die Viola zu spielen. Da war nun der Jüngste unter Allen der Empfindlichste. Fiel wo immer ein Fehler vor, und war er noch so klein, so sah er dem Fehlenden ernsthaft, zuweilen auch lächelnd ins Gesicht; fehlte der Vater, so ging er beim ersten Mal darüber hinaus; wiederholte sich aber der Fehler, so sagte er ganz schüchtern und lächelnd: Herr Vater, da muß etwas gefehlt sein," welche Belehrung dann ohne Widerrede hingenommen wurde. Den Mitspielenden gewährten diese Uebungen große Genüsse, dem Componisten aber den Vortheil, sich von der Wirkung, die seine Compositionen auf die Ausübenden und Zuhörenden hervorbrachten, sogleich zu überzeugen.

In der Ferienzeit pflegte Franz auch das Theater zu besuchen. Von den damals gegebenen Opern interessirte ihn ganz besonders Weigl's „Schweizerfamilie", die erste Oper,

') Diese fanden gewöhnlich an den Sonntagen Nachmittags statt.

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