Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

heit und Meisterschaft in Form und Inhalt gearbeitet, daß seine Aufführung zu lautem Beifall hinriß.

Als Abschluß dieses Jahres möge hier noch ein von Ignaz Schubert an den in Zélész weilenden Franz gerichteter Brief (datirt 12. Oct. 1818) seine Stelle finden, in welchem der Unmuth des mit seiner Stellung unzufriedenen, gegen Schulknechtung und Gewissenszwang revoltirenden Rossauer Schullehrers, zugleich aber auch das Gefühl der Liebe und Verehrung, die er - gleich den übrigen Geschwistern — dem Bruder Franz entgegenbrachte, zu vollem Durchbruch gelangt. Das Schreiben1) lautet:

,,Lieber Bruder!

,,Endlich, endlich einmal, wirst Du Dir denken, bekommt man doch ein Paar Zeilen zu sehen. Ja, ja, ich glaube, Du würdest noch nichts zu sehen bekommen haben, wenn nicht endlich einmal zu meinem Trost die lieben Vacanzen angerückt wären, wo ich Muße genug habe, in ungestörter Ruhe und ohne verdrießliche Gedanken einen ordentlichen Brief zu schreiben.

„Du glücklicher Mensch! wie sehr ist Dein Loos zu beneiden; Du lebst in einer süßen goldenen Freiheit, kannst Deinem musikalischen Genie vollen Zügel schießen lassen, kannst Deine Gedanken wie Du willst hinwerfen, wirst ge= liebt, bewundert und vergöttert, indessen unser einer als ein elendes Schullastthier allen Rohheiten einer wilden Jugend preisgegeben, einer Schaar von Mißbräuchen ausgesetzt ist, und noch überdies einem undankbaren Publicum und dummköpfigen Bonzen in aller Unterthänigkeit unterworfen sein muß.

') Das Original ist in meinem Besitz.

Du wirst Dich wundern, wenn ich Dir sage, daß es in unserm Hause schon so weit gekommen ist, daß man sich nicht einmal mehr zu lachen getraut, wenn ich vom Religionsunterricht eine abergläubisch lächerliche Schnurre erzähle. Du kannst Dir also leicht denken, daß ich unter solchen Umständen gar oft von innerlichem Aerger ergriffen werde, und die Freiheit nur dem Namen nach kenne. Siehst Du, von allen diesen Dingen bist Du nun frei, bist erlöst, Du sichst und hörst von allem diesen Unwesen und besonders von unseren Bonzen nichts mehr, von welchen letteren man Dir gewiß nicht erst den trostreichen Vers des Bürger zurufen muß:

་་

Beneide nicht das Bonzenheer

Um seine dicken Köpfe,

Die meisten sind ja hohl und leer

Wie ihre Kirchthurmknöpfe.

,,Nun zu etwas anderem. Das Namensfest unseres Herrn Papa wurde feierlich begangen. Das ganze Rossauer Schulpersonal sammt Frauen, der Bruder Ferdinand sammt Frau, nebst unserm Mühmchen und Lenchen und der ganzen Gumpendorfer Sippschaft wurden zu einem Abendzirkel eingeladen, wo wacker geschmauset und getrunken wurde und es überhaupt sehr lustig herging. Bei dieser Gelegenheit seßte ich auch einmal meinen sparsamen Dichterwitz in Bewegung, und brachte unserm alten Herrn folgende Gesundheit aus:

Es lebe Vater Franz noch lang in unsrer Mitte;
Doch vergönn' er wohl uns hent' auch eine Bitte:
Er stell' auf's Jahr sich wieder ein

Mit Hendel, Strudel, Confect und Wein.

,,Vor der Schmauserei spielten wir Quartetten, wo wir aber herzlich bedauerten, unsern Meister Franz nicht in unserer Mitte zu haben; wir machten auch bald ein Ende.

,,Tags darauf wurde das Fest unseres h. Schußpatrons Franciscus Seraphicus feierlichst abgehalten. Sämmtliche Schüler mußten zur Beichte geführt werden, und die größeren sich Nachmittags um 3 Uhr in der Schule vor dem Bildniß des Heiligen versammeln; ein Altar war aufgerichtet, wo zwei Schulfahnen paradirten rechts und links; eine kleine Predigt wurde abgehalten, wo es unter andern ein paar Mal hieß, daß man das Gute vom Bösen wohl entscheiden lernen müsse, und daß man dem mühsamen Lehrer viel Dank schuldig sei; eine Litanei auf den Heiligen wurde auch gebetet, eine Litanei, über deren Sonderbarkeit ich nicht wenig erstaunte; zuletzt wurde gesungen und sämmtlichen Anwesenden eine Reliquie des Heiligen zu küssen gegeben, wobei ich bemerkte, daß mehrere Erwachsene zur Thür hinausschlichen, die vielleicht nicht Lust haben mochten, dieser Gnade theilhaftig zu werden.

„Nun auch ein paar Worte von den Hollpeinschen 1). Sowohl Mann als Frau lassen Dich herzlich grüßen und frogen, ob Du denn auch bisweilen auf sie denkest? Sie wünschten Dich bald wieder zu sehen, wiewohl sie meinen, Du werdest bei Deiner Rückkehr nach Wien nicht so häufig mit Deinen Besuchen sein wie sonst, da Dich Deine ganz

') Hollpein war Graveur im kais. Münzamt in Wien. Franz Sch. stand zu dieser Familie in sehr vertrautem Verhältnisse, und brachte seine freie Zeit fast ausschließlich bei derselben zu, worüber sich Franz in einem Brief (1825) lustig macht.

neuen Verhältnisse wohl davon abhalten möchten. Dieses bedauern sie gar oft; denn sie lieben Dich, so wie uns alle mit dem aufrichtigsten Herzen und äußern oft über Deine glückliche Lage die innigste Theilnahme.

„Daß ich zu Deinem Namensfeste nicht ein Wort sage, wirst Du aus unseren Gesinnungen zu enträthseln wissen. Ich liebe Dich und werde Dich ewig lieben, und hiermit punctum; Du kennst mich.

,, Lebe nun wohl und komme bald; denn ich hätte Dir noch vieles zu sagen, was ich mir aber verspare bis auf eine mündliche Unterredung.

Dein Bruder Ignaz.

„Wenn Du an den Papa und mich zugleich schreiben möchtest, so berühre nichts von religiösen Gegenständen. Das Mühmchen sammt Lenchen lassen Dich ebenfalls herzlich grüßen."

VII.

(1819.)

Schon zu jener Zeit, als Schubert sich mit der Composition von Singspielen und kleineren Opern befaßte, war das glänzende Gestirn Rossini's am theatralischen Himmel aufgegangen. Wie epochemachend dieser geniale Mann plötlich in den Vordergrund des italienischen Opernwesens trat, welche Triumfe seine einschmeichelnde Muse allenthalben feierte, nachdem sie sich im Sturmlauf sämmtlicher größerer Bühnen bemächtigt hatte, und wie es gerade das sinnlich leicht erregbare Wien war, wo zu Ehren des „Reformators“ ein geradezu bedenklicher Cultus getrieben wurde, lebt noch frisch in dem Gedächtniß jener Theaterfreunde, welche die damalige Zeit miterlebt und jenen Verein von Gesangskünstlern geschaut haben, welchem seither kein zweiter, gleich trefflicher mehr gefolgt ist, und dessen eminente Leistungen zu gutem Theil die Suprematie Rosssinischer Opernmusik für längere Zeit begründen halfen. Der nach dieser Richtung hin gedrängte einseitige Geschmack des großen Publikums und die zunehmende Verwälschung der Oper in Wien, welche unter Barbajas und Duport's Regiment, besonders aber, als 1822 Rossini selbst seine Sängergesellschaft in die Residenz geleitete, ihren Höhe

« ZurückWeiter »