Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

bleiben konnte. Er wurde ein Liebling der Familie, blieb der Verabredung gemäß auch den Winter über als Musikmeister in ihren Diensten, und ging mit derselben zu wiederholten Malen auf das erwähnte Landgut in Ungarn. Er verweilte überhaupt, und zwar bis an sein Lebensende, und auch außer den Musikstunden, viel im Hause des Grafen. In den ersten Jahren seiner Bekanntschaft wurde fleißig musicirt, wobei hauptsächlich Haydn's „Schöpfung“ und „Jahreszeiten“, desselben vierstimmige Gesänge und Mozart's „Requiem" herhalten mußten. Anch Anselm Hüttenbrenner's Vocal-Quartett: „Der Abend" 1), welches Schubert wohl gefiel, wurde da öfters gesungen. Freiherr von Schönstein, der bis zu seinem Zusammentreffen mit Schubert ausschließlich der italienischen Gesangsmusik gehuldigt hatte, erfaßte nun das deutsche Lied, wie ihm dieses in seiner vollen Schöne von Schubert dargebracht wurde, mit Enthusiasmus, und widmete sich von da an vorzugsweise dem Vortrag der Schubert'schen Gefänge, in welchem er nebst Vogl alsbald unerreicht dastand, ja den letzteren an Schönheit der Stimme übertraf. Der Tondichter trat zu ihm in ein näheres Verhältniß und musicirte gerne und viel in seiner Gesellschaft. Schönstein trug die Schubert'schen Lieder zumeist in dem ihm sehr befreundeten Eßterhazy'schen Hause vor, von welchem jedes Familienglied für den Componisten begeistert war; seine sociale Stellung gab ihm aber auch Gelegenheit, im Verlauf der Zeit noch andere „hohe“ und „höchste Kreise“ mit diesen Compositionen bekannt zu machen.

1) Es ist im Stich erschienen und wurde im J. 1862 in einem musikalischen „Kränzchen“ in Wien gesungen.

Es versteht sich von selbst, daß der Landaufenthalt (in den Jahren 1818 und 1824) in musikalischer Beziehung nicht ungenüßt vorüberging.

Zweihändige und vierhändige Clavierstücke, besonders Märsche, Sonaten und Variationen, dann Lieder und mehrstiminige Gesänge, entstanden in jener Zeit und zeugen von Schubert's unermüdlicher Thätigkeit. In Zelész hörte er auch ungarische und slavische Nationalweisen, die er sich, wie sie eben von Zigeunern gespielt oder von den Mägden im Schloß gesungen wurden, sogleich aufzeichnete, um sie in künstlerischer Weise auf das reizendste zu verarbeiten.

Das Divertissement à la Hongroise (op. 54) besteht ausschließlich aus derlei aneinandergereihten meist schwermüthigen Melodien; das Thema dazu holte sich Schubert in der Esterhazy'schen Küche, wo es eine Magd, am Herd stehend, sang, und er, mit Schönstein eben von einem Spaziergang zurückkehrend, die Melodie im Vorübergehen hörte. Er brummte das Lied im Weitergehen vor sich hin, und im nächsten Winter erschien es als Thema in dem Divertissement. Auch in einigen der Impromptus, Moments musicals, Sonaten, und selbst in sinfonischen Säßen finden sich ungarisch-nationale Anklänge vor.

"

Bei seinem ersten Besuch in Zelész ist Schubert mindestens bis in den Spätherbst daselbst geblieben, denn das Abendlied", "Du heilig glühend Abendroth" (von Schreiber), dessen Manuscript sich in den Händen der Frau Gräfin Rosa v. Almash, geb. Gräfin Festetics und Muhme der Gräfin Caroline Eßterhazy, in Wien befindet, trägt das Datum: Zelész, November 1818. Auch das Lied: „Blondel zu Marien" (in Lief. 34 enthalten), componirt im September,

und Singübungen, im Manuscript fünf Seiten ausfüllend, mit dem Datum Juli 1818, fallen bereits in die Zeit jenes Landaufenthaltes, und wurden lettere, da sich die Handschrift 1) davon im Nachlaß der Gräfin Caroline vorfand, wahrscheinlich für deren Schwester Marie geschrieben.

Im Jahr 1824, also sechs Jahre später, treffen wir Schubert zum zweiten Male in Zelész. Auch Baron Schönstein hatte sich daselbst eingefunden, und es fallen in diese Zeit: das große Duo für Clavier op. 140, vierhändige Variationen (op. 35) und das erwähnte Gesangsquartett: „Gebet vor der Schlacht“. Die Entstehungsweise des leßtgenannten Musikstückes charakterisirt abermals Schubert's erstaunliches Schaffensvermögen.

Eines Morgens in den ersten Tagen des September 1824 forderte die Frau des Hauses während des ge= meinschaftlichen Frühstückes den Meister auf, ein Gedicht von de la Motte Fouqué (es war das oben genannte) für das Hausquartett in Musik zu seßen. Schubert nahm das Buch und entfernte sich damit, um in Tönen zu dichten. Noch am Abend desselben Tages wurde die umfangreiche

') Die in dem musikalischen Nachlaß der Gräfin Caroline noch vorgefundenen Schubert'schen Autografe sind folgende: Das Trio in Es (1827), zwei vierhändige Ouverturen in C und D (Dec. 1817), Walzer (Jän. 1824', Deutsche (Oct. 1824); die Lieder: „Abendlied“ und ,,Blondel zu Marien“ und Singübungen. Diese Manuscripte finden sich in Aufbewahrung der Gräfin Rosa von Almasy; die Müllerlieder: ,,Ungeduld", „Morgengruß“ und „,des Müllers Blumen“ hat diese Dame Herrn Julius Stockhausen übergeben. Die französische Romanze in E-Moll, welche Schubert als Thema zu op. 10 wählte, besitt ebenfalls die Familie Almasy.

Composition aus dem Manuscript heraus am Clavier durchgesungen. Die Freude über das vortreffliche Musikstück steigerte sich am folgenden Abend, wo dasselbe aus den, von Schubert selbst mittlerweile herausgeschriebenen Stimmpartien mit größerer Sicherheit vorgetragen werden konnte, und das Ganze an Klarheit und Schönheit des Ausdrucks wesentlich gewann. Das Quartett war innerhalb zehn Stunden componirt und fehlerlos niedergeschrieben worden.

Die Composition wurde damals nicht veröffentlicht, da sie für die Familie Eßterhazh geschrieben, das Manuscript unter der Bedingung der Nichtherausgabe erstanden war, und die Gräfin Rosine einen besonderen Werth darauf legte, eine Schubert'sche Composition allein zu besigen. Erst einige Jahre nach Schubert's Tod übergab Frh. v. Schönstein mit Einwilligung jener Dame das Manuscript einer Wiener Verlagshandlung zur Veröffentlichung ').

7

Schubert machte sich über das Verliebtsein der Freunde zu wiederholten Malen lustig, war aber gegen diese Leidenschaft nichts weniger als gefeit. Auch er hatte gewiß nicht zu seinem Schaden Herzenskämpfe zu bestehen. Von einer dauernden Liebschaft ist zwar nichts bekannt geworden, und an das Heirathen scheint er überhaupt niemals gedacht zu haben; aber an Liebeständeleien, und wohl auch an ernsterer, tieferer Neigung hat es bei ihm nicht gefehlt. Bald nach seinem Eintritt in das Eßterhazy'sche Haus knüpfte er ein Verhältniß mit einer Dienerin daselbst an, welches aber sofort einer poetischeren Flamme weichen mußte, die für die

'),,Gebet vor der Schlacht“ erschien bei Diabelli und Comp. als

op. 139.

jüngere Tochter Gräfin Caroline in seinem Herzen emporschlug. Und diese loderte fort bis an sein Lebensende. Caroline schäßte ihn und sein Genie, erwiederte aber seine Liebe nicht, und ahnte vielleicht nicht einmal den Grad, in welchem diese thatsächlich verhanden war. Denn daß die Neigung für sie bestand, mußte ihr durch eine Aeußerung Schubert's klar geworden sein. Als sie ihm nämlich einmal im Scherz vorwarf, daß er ihr noch gar kein Musikstück dedicirt habe, erwiederte er:,,Wozu denn, Ihnen ist ja ohnehin alles gewidmet."

Und er hielt auch an seinem Vorsatz fest; denn die Dedication auf der vierhändigen Clavierfantasie in F-Moll ') (op. 103) rührt (nach einer mir gemachten bestimmten Mittheilung) ungeachtet der Worte: „Dediée par Fr. Schubert", nicht von diesem, sondern von den Verlegern her, und erfolgte erst nach Schubert's Tod 2). Uebrigens dürfte jene Stelle eines noch zu erwähnenden Briefes (datirt aus Zelész im 3. 1824), in welcher von der misère der Wirklichkeit, stattgehabten Täuschungen u. s. w. die Rede ist, nicht außer allem Zusammenhang mit der eben berührten Herzensangelegenheit gestanden haben 3).

') Dr. Leopold von Sonleithner arrangirte die Fantasie für Orchester, in welcher Form fie der Wiener Musikverein in seinem Archiv besitzt. Im März 1864 kam sie in dieser Gestalt in einem Concert des Orchestervereins in Wien zur Aufführung.

2) Dem Grafen Carl E. dedicirte Schubert die Lieder: „Erlafsee“, „Sehnsucht“, „Am Strom“ und „Der Jüngling auf dem Hügel“.

3) Bauernfeld weist auf diese Leidenschaft mit folgenden Versen à la Heine hin, deren Inhalt übrigens wenig zu den Mittheilungen des Frh. von Schönstein stimmt:

« ZurückWeiter »