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des Goethe'schen Gedichtes: „Gesang der Geister über den Wassern" für vier Männerstimmen zu erwähnen, die den Keim der späteren großartigen Conception schon in sich trägt.

Eine höchst beachtenswerthe Erscheinung sind die um diese Zeit entstandenen Claviersonaten.

Wenige ahnten wohl damals, daß Schubert, während er dem Sänger seiner Weisen Lied auf Lied entgegenbrachte, mit gleicher Rührigkeit sich der Composition von Claviermusik hingab. Dieselbe Wahrnehmung, die sich früher bei der massenhaften Production von Liedern und Theatermusik, später hinsichtlich seiner Arbeiten in der Kammermusik“ aufdringt, daß nämlich Schubert, sobald er eine bestimmte Musikgattung zum Gegenstand seines Studiums und Schaffens wählte, mit voller Energie und rastlosem Fleiß die Sache anfaßte, nicht eher ruhend, als bis er durch bedeutende Tonwerke den Geheißen seines Genius Genüge geleistet hatte diese Wahrnehmung tritt auch hier zu Tage, wo er plötzlich und in freiem Anlauf die Claviermusik in den Bereich seiner Thätigkeit zog, und in dem Zeitraum eines einzigen Jahres nicht weniger als fünf große Sonaten 1) schrieb, nach deren Vollendung wieder eine mehrjährige Pause auf diesem Felde musikalischer Production eintrat.

') Es sind dies die Sonaten in Es- und As-Dur, in A-, F- und H-Moll, und wahrscheinlich auch das Fragment, op. 145 des them. Cataloges. -Eine eingehendere Würdigung von Schubert's Claviermusik folgt in der Ueberschau“ seiner Gesammtwerke.

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Nicht ohne eine Anwandlung von Rührung und Bewunderung blickt man auf diese reizenden Früchte einer stillen bienenartigen Emsigkeit, von welchen ein großer Theil erst geraume Zeit nach Schubert's Tod geistiges Eigenthum der musikalischen Welt geworden ist.

VI.

(1818 und 1824.)

Gleichwie Mozart und Beethoven eine entschiedene Abneigung gegen methodisches Unterrichtertheilen hegten, so auch Schubert. Und doch waren alle drei - Beethoven allerdings nur in seiner Jugendzeit 1) — durch äußere Verhältnisse darauf angewiesen. Mozart plagte sich ein gut Theil seines Lebens hindurch mit Lectionengeben, und Schubert, wollte er seine materielle Lage verbessern, hätte sich ebenfalls wenigstens in den ersten Jahren nach seinem Austritt aus dem väterlichen Hause dazu bequemen müssen. Der Grund der Abneigung war bei diesen dreien derselbe, und bedarf keiner weiteren Erklärung. Schubert gewann es zwar über sich, mehrere Jahre hindurch den Schülern der untersten Classe die Geheimnisse des „Namenbüchleins“ beizubringen, wobei ihn freilich nicht selten die Geduld verließ; — Unterricht in der Musik zu geben erschien aber dem rastlos Producirenden als eine geradezu unerträgliche Beschäftigung. Thatsache ist, daß er sich von

') Auch in späteren Jahren ging Beethoven, wie früher in Bonn als „übellauniges Eselein“ an das Geschäft, welches er sich, namentlich beim Erzherzog Rudolf, möglichst zu erleichtern suchte.

allen Verpflichtungen dieser Art, wo solche etwa bestehen mochten, losmachte, um vollkommen Herr seiner Zeit und Neigungen zu sein.

Nur auf Ein Anerbieten, welches ihm in mehrfacher Beziehung von Vortheil war, und seinen Drang nach Unabhängigkeit in keiner Weise bedrohte, ging er ohne Bedenken ein. Der Wirthschaftsrath des Baron Hakelberg - Unger 1) (Vater der nachmals berühmt gewordenen Opernsängerin Caroline Unger - Sabatier) empfahl ihn nämlich um diese Zeit dem Grafen Johann Esterhazh als Musiklehrer, und dieser machte Franz den Vorschlag, daß er im Winter in der Stadt, und den Sommer über auf seinem Landgut Zelész 2) als Musikmeister seiner Familie fungiren möge.

Da mit dieser Stellung ein Honorar (nach einer Mittheilung des Herrn Doppler zwei Gulden für die Stunde) und die Aussicht auf so manche Annehmlichkeiten verbunden war, an welchen in wohlhabenden, begüterten Familien auch deren nächste Umgebung theilzuhaben pflegt, so nahm Schubert den Vorschlag gerne an, und begab sich im Sommer 1818 zum ersten Mal nach Zelész.

Graf Johann Carl Esterhazh war vermählt mit Gräfin Rosine Festetics aus Tolna, und hatte aus dieser Ehe drei Kinder: Marie, Caroline und Albert Johann.

1) Von demselben Unger ist das Gedicht zu Schubert's bekanntem Bocal-Quartett: „Die Nachtigall".

2) Zelész (Zselics) eine am Waagfluß gelegene, zum Barscher und Honther Comitat gehörige Herrschaft mit Dorf, diesseits der Donau gelegen, von Wien 14 Poststationen entfernt. Die Wintermonate brachte die Familie Eßterhazy gewöhnlich in der Residenz zu, wo sie in der Herrengasse" wohnte.

Die ganze Familie war musikalisch. Der Graf befand sich im Besitz einer Baßstimme; die Gräfin und ihre Tochter Caroline sangen Alt, und die ältere Comtesse Marie erfreute sich eines wunderschönen" hohen Soprans. Da nun auch Freiherr Carl von Schönstein 1), ein trefflicher Tenorbariton, das Esterhazhsche Haus oft zu besuchen pflegte, so stand das Vocal-Quartett fertig da, jenes Quartett, welches mit einer der schönsten Schubert'schen Compositionen: „G ebet vor der Schlacht“ (von de la Motte Fouqué) in unauflöslicher Verbindung steht. Die beiden Töchter spielten auch Clavier, und während die, von den besten italienischen Meistern gebildete Marie sich hauptsächlich an den Gesang hielt, befaßte sich Caroline, deren Stimme zwar lieblich, aber schwach war, bei mehrstimmigen Gesängen ausschließlich mit der Begleitung am Flügel, worin sie excellirte.

Als Schubert in diese Familie eingeführt wurde, hatte er sein 21. Lebensjahr vollendet. Der Graf stand im rüstigen Mannesalter. Die Gräfin Rosine zählte achtundzwanzig Jahre, ihre ältere Tochter (Marie) deren dreizehn, die jüngere (Caroline) eilf Jahre; der Sohn war damals ein fünfjähriges Kind.

Es versteht sich von selbst, daß Schubert's musikalischschöpferisches Talent diesem Kreis nicht lange verborgen

1) Freiherr Carl von Schönstein, geboren am 27. Juni 1796 in Ofen, begann seine Beamten-Laufbahn im J. 1813 bei der königl. ungarischen Statthalterei, wurde 1831 Hofsecretär der allgemeinen Hoflammer, 1845 Hofrath daselbst, und trat 1856 in Pension. Seiner Zuvorkommenheit verdanke ich die, auf Schubert's Verhältniß zu der Familie Esterhazy bezüglichen Mittheilungen.

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