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selbst zu componiren oder neue Lieder durchzuprobiren. Er hielt viel auf des Sängers Urtheil, legte ihm die meisten seiner Gesangscompositionen zur Durchsicht vor und nahm von ihm ausnahmsweise auch sogenannten guten Rath an '). Vogl führte ihn durch seinen trefflichen Liedervortrag zuerst in die Kunstwelt ein, vermittelte sein Bekanntwerden mit musikliebenden Personen und Familien, und daß Schubert auf Wahrheit des Ausdruckes, richtige Accentuirung und makellose Declamation vorzugsweise bedacht war, darf wenigstens zum Theil als Vogl's Verdienst bezeichnet werden. Im Leben war er ihm ein verständiger Führer, ein väterlicher Rathgeber, und wo ihm die Möglichkeit gegeben war, auch für Schubert's äußeres Wohlergehen thätig.

Ungeachtet dieses geistigen Bundes und eines mehrjährigen Verkehres blieb doch das Verhältniß der beiden Musensöhne zu einander ein befremdend eigenthümliches. Vogl gefiel sich nämlich darin, dem jüngeren, in mancher Be

') Aber auch Transponirungen und allerlei ungerechtfertigte Aenderungen in den Liedern ließ sich Schubert von Vogl gefallen, der aus Rechthaberei, oder um Effecte zu erzielen, derlei „Verbesserungen“ ungescheut vornahm. Von diesen sind auch welche in den Stich übergegangen, und die Herstellung der Original - Leseart aller bekannten Schubert'schen Lieder würde eine mit Dank begrüßte Aufgabe sein, zumal die neueren Auflagen nicht durchweg mit den ersten Ausgaben übereinstimmen. Dr. Standharthner und Herr Spina besitzen (geschriebene) Schubert'sche Lieder mit Vogl'schen Verballhornirungen, die, auf den Theaterfänger hinweisend, dem Original entschiedenen Abbruch thun. Die „Berbesserungen“ in den „Müllerliedern “zählen allein nach Einem Dutzend. In dem Lied: „Der Einsame“, in der „Altschottischen Ballade“ finden fich ganz abscheuliche Abänderungen, und dasselbe mag noch bei andern Liedern der Fall sein.

ziehung wenig herangereiften Schubert gegenüber die Protectorsrolle zu spielen, und dieser, ein Freund der Ungebundenheit, konnte sich einer gewissen Scheu und Zurückhaltung vor dem rigoros-wunderlichen Manne nicht entschlagen. Von einem Freundschaftsverhältniß im eigentlichen Sinne des Wortes war bei diesem Gegensatz der Naturen nicht die Spur; und selbst die reinmusikalische Seite ins Auge gefaßt, läßt sich nicht in Abrede stellen, daß, so herrliche Früchte auch die gegenseitige Einwirkung des produzirenden und ausübenden Künstlers auf einander getragen hat, dieses im Künstlerleben vielleicht einzig dastehende Verhältniß auch seine Kehrseite hatte. Es unterliegt nämlich keinem Zweifel, daß Schubert unter des Sängers Einfluß viele Lieder für eine Stimmlage schrieb, die sich eben selten vorfindet, während Vogl, dessen Organ sie angepaßt waren, gerade dadurch, daß er mit einem tonlos gesprochenen Wort, einem Aufschrei oder Falsetton von dem natürlichen und künstlerisch allein zu rechtfertigendem Gesang abwich, die gewaltigsten Effecte zu erzielen wußte. Als eine weitere nicht eben erwünschte Folge darf auch die Thatsache bezeichnet werden, daß Schubert dem Sänger zu Gefallen sich mit der Production von Liedern überhaupt, und insbesondere von solchen kleinerer Art angelegentlicher beschäftigt hat, als dies sonst der Fall gewesen sein würde.

Nach Schubert's Tod fang der bereits in das 60. Lebensjahr eingetretene Mann die Lieder, denen er so großen Ruhm verdankte, in Privatzirkeln wacker fort; ja den ,,Erlkönig" trug er noch im Jahre 1834 in einem öffentlichen Concert in Wien vor. Allerdings sah er sich da genöthigt, seine Routine und die noch vorhandenen Stimmreste in vollem Maße aufzubieten, um Effecte zu erzielen, und er

gab sich dabei einer gewissen Selbstgefälligkeit und einer Affectirtheit des Vortrages hin, die sich im Verhältniß der Abnahme seiner Stimmmittel naturgemäß noch steigerten und den Sänger geradezu lächerlich erscheinen ließen. Die letzten Lebensjahre wurden ihm durch eine Krankheit verbittert, welche bei seinem hohen Alter große Leiden zur Folge hatte, und ihn fortan an das Zimmer fesselte. Geduld war keine seiner Tugenden. Zurückgezogen von der Außenwelt fand er nur noch Trost und Linderung in der altgewohnten geistigen Beschäftigung. Seine innere Welt mußte ihn für längst aufgegebene Genüsse und die Verwirrung schadlos halten, die ihm von außen allenthalben hereinzubrechen schien. Die übelste Laune und unbehaglichste Stimmung bemächtigte sich des greisen Mannes, und die krankhafte Ansicht, daß die Welt ihrem Untergange nahe sei, erfüllte ihn in Stunden körperlicher Pein, wogegen er in schmerzfreien Augenblicken wieder meinte, daß ihm jezt erst der Inhalt des Lebens aufgegangen sei, und er sich von seligen Empfindungen durchströmt fühlte.

Seine Gattin harrte in Liebe und Ergebenheit bis zu dem letzten Athemzug des Scheidenden aus.

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Vogl starb am 19. Nov. 1840 an demselben Tage, nur zwölf Jahre später als Schubert im 73. Lebensjahre. Kurz vor seinem Ableben hatten ihm seine und zugleich Schubert's Freunde einen Ehrenbecher, mit des Letteren Bildniß darauf, als Zeichen der Erinnerung an jenen Geistesbund überreicht.

Vogl's Name bleibt mit Franz Schubert's Lied immerdar auf das innigste verwoben. Seine eigenthümliche Auffassung und die Art des Vortrages gewisser Lieder wird

von allen jenen, die noch Zeugen der Blütezeit dieses Künstlers waren, als unübertroffen und für alle Zeiten mustergültig hingestellt. Daß Schubert selbst diese Ansicht, wenigstens nach einer Seite hin, theilte, läßt sich aus einer Briefstelle entnehmen, welche im weiteren Verlauf dieser Darstellung sammt dem übrigen Inhalt des Schreibens mitgetheilt werden wird1).

Nebst Vogl sind hier noch mehrere musikalische Personen zu erwähnen, deren Bekanntschaft mit Schubert in diese Zeit fällt und sich alsbald zu einem freundschaftlichen Verhältniß gestaltete. Es sind dies die Brüder Anselm und Josef Hüttenbrenner 2), ersterer selbst Componist, letterer Musikdilettant, und Iosef Gahy (Staatsbeamter), ein fertiger Clavierspieler. Mit Anselm Hüttenbrenner war Franz schon

1) „Die Art und Weise, wie Vogl singt" schreibt Franz (1825) an seinen Bruder Ferdinand ,,und ich accompagnire, wie wir in einem solchen Augenblick Eins zu sein scheinen, ist diesen Leuten etwas ganz Neues, Unerhörtes.“

2) Anselm H., 1794 in Graz geboren, studirte in Wien, und kehrte wieder zu bleibendem Aufenthalt in die Steiermark zurück, wo er ein Gut besitzt. Der Musik lebend hat er bis jetzt eine ungeheure Masse von Compositionen jeder Art geschrieben, von welchen aber nur wenige, darunter das „Requiem“, bekannt geworden sind. Zum Vorstand des steirischen Musikvereins gewählt, übernahm er um das Jahr 1834 die Redaction des musik. Heller-Magazins. Anselm lebt derzeit zurückgezogen in Graz, im Sommer auf seinem Gute Rothenthurm bei Judenburg. Josef H. befindet sich als pensionirter Registraturs-Beamter des Ministeriums des Innern in Wien; mit dem dritten Bruder Heinrich, Dr. der Rechte, scheint Schubert weniger vertrauten Umgang gepflogen zu haben. Heinrich H. befaßte sich auch mit der Dichtkunst, und Schubert componirte ein Paar seiner Lieder.

im Jahre 1815 bei Salieri zusammengetroffen; im Sommer 1817 lernte er seinen Bruder Josef kennen, der zu jener Zeit Verwalter der väterlichen Herrschaft Rothenthurm, bei Judenburg in der Steiermark - auf Besuch nach Wien gekommen war und zwei Jahre später mit Schubert und Mayrhofer ein und dasselbe Haus (Wipplingerstraße) bewohnte. Schon früher hatte der Tondichter dem ihm persönlich noch Unbekannten einige Lieder („Minona“, „Rastlose Liebe") übersendet; im Jahre 1818 übermittelte er ihm durch Anselm das in der Nacht des 21. Februar componirte Lied „Die Forelle" unter Anschluß folgender Zeilen 1):

„Theuerster Freund! Es freut mich außerordentlich, daß Ihnen meine Lieder gefallen. Als einen Beweis meiner innigsten Freundschaft sende ich Ihnen hier ein anderes („Die Forelle"), das ich so eben Nachts 12 Uhr bei Anselm schrieb. Aber welch' Unheil! Statt der Streusandbüchse nehme ich das Tintenfaß. Ich hoffe, bei einem Glase Punsch nähere Bekanntschaft mit Ihnen in Wien zu schließen. Vale Schubert." Franz stand mit diesem Brüderpaar wenn auch aus verschiedenen Motiven - - fortan auf freundschaftlichem Fuß. Zu Anselm hegte er eine wahre und aufrichtige Zuneigung, welcher sich noch der Antheil beigesellte, den er den musikalischen Bestrebungen des Freundes angedeihen ließ. Josef aber gerirte sich im weiteren Verlauf seiner Bekanntschaft mit dem Tondichter als ein so enthusiastischer Bewunderer Schubert's und zeigte sich um diesen so eifrig beschäftigt, daß

1) Das Original des Schreibens besitzt Herr Josef Hüttenbrenner, dem ich auch die übrigen ihn und Anselm betreffenden Mittheilungen verdanke.

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