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Wie schon erwähnt, versah Franz seit dem Jahre 1814 das Amt eines Gehülfen in des Vaters Schulhaus. Nach dreijähriger Qual unerhörter Selbstverleugnung, und da sich ihm keine Aussicht auf baldige Befreiung aus seiner peinlichen Lage eröffnete, beschloß er, selbst um den Preis, Wien verlassen zu müssen, sich um eine musikalische Anstellung zu bewerben, wozu sich eben die Gelegenheit darbot.

Die damalige Central-Organisirungs-Commission hatte uämlich im December 1815 die Errichtung einer öffentlichen Musikschule an der deutschen Normalschul-Anstalt in Laibach bewilligt. Bezüglich der Lehrerstelle, mit welcher ein Gehalt von 450 fl. W. W. und eine Remuneration von 50 fl. verbunden war, wurde der Concurs ausgeschrieben, und der Termin zur Einbringung der Gesuche, der in Niederösterreich befindlichen Competenten, bei der Landesregierung, auf den 15. März 1815 festgesetzt.

Unter den Aspiranten befand sich auch Franz Schubert, dessen Eingabe folgendes Attest') Salieri's beilag:

Io qui Sottoscritto affermo, quanto nella supplica di Francesco Schubert in riguardo al posto musicale di Lubiana sta esposto.

Vienna, 9 Aprile 1816.

Antonio Salieri,

primo maestro di cappella della Corte Imp. reale.

1) Das Original dieses Attestes ist in meinem Besitz; die übrigen Daten sind Actenstücken der ehemaligen n. 3. Regierung entnommen, welche mir von dem Herrn Statthalterei-Vicepräsidenten Riedl von Niedenau freundlichst mitgetheilt wurden.

Die Gesuche wurden durch die damalige Stadthauptmannschaft') in Wien der n. ö. Regierung übermittelt, und jenes des Schubert an dieselbe in nachstehender Weise einbegleitet :

„Das anliegende Gesuch des Franz Schubert um die Musikdirectorsstelle in Laibach wird der hohen Landesstelle nachträglich zum hierortigen Berichte vom 3. April 1816 über die gleichlautenden Gesuche des Hanslischek und Wöß überreicht.

Man hat den Bittsteller aus dem Grunde nicht erst zu einer neuerlichen Prüfung seiner musikalischen Fähigfeiten angehalten, weil er ein Zeugniß ddo. 9. April 1816 des k. k. Hofkapellmeisters Anton Salieri seinem Gesuche beilegte, welches ihn zu der angesuchten Stelle fähig erkläret.

Da eben Salieri es ist, welcher auch die übrigen Bittwerber um diese Stelle prüfte, so ist dessen ausgesprochenes Urtheil für Schubert sehr rühmlich.

Nicht minder empfehlenswerth lautet die Aeußerung des Regierungsraths und deutschen Schul- Oberaufsehers Domherrn Josef Spendou 2), über des Bittstellers Methode in Behandlung der Jugend.

Da Schubert ein Zögling des k. k. Convicts ist und Singerknabe an der k. k. Hofcapelle war, derzeit noch als Schulgehülfe am Himmelpfortgrund dienet, so dürften auch diese Umstände nach hierortigem Ermessen demselben zum Verdienste und Vorzuge angerechnet werden. Wien, am 14. April 1816.

Mertens m. p. Freih. v. Haan m. p. Unger m. p."

1) Eine Art Kreisamt; wurde 1819 aufgelöst.

2) Dessen bereits erwähnt wurde.

Schubert's Bewerbung blieb erfolglos; die Stelle wurde einem Anderen verliehen1), und der Schulgehülfe sah sich vorläufig dem Druck beengender Verhältnisse abermals überantwortet.

Die Stunde der Erlösung ließ übrigens nicht lange mehr auf sich warten. Zu Ende 1815 war nämlich der damals achtzehnjährige Studiosus Franz von Schober nach Wien gekommen, um seine Studien an der Universität daselbst fortzusetzen. Im Jahre 1798 zu Torup in Schweden geboren, wo sein (um 1784 dahin ausgewanderter) Vater das Amt eines Güterdirectors bekleidete, kehrte Franz von Schober nach dem im 3. 1802 erfolgten Tode des Vaters, mit seiner Mutter Katharine (geb. Derffel aus Wien) und seinen Geschwistern zunächst nach Deutschland zurück, begann um 1808 seine Studien in dem Stift Kremsmünster, und begab sich nach Beendigung derselben aus Oberösterreich nach Wien, wo er für lange Zeit seinen bleibenden Aufenthalt nahm. Er fand schon im 3. 1813 im Spaunschen Hause in Linz Gelegenheit, einige Lieder Schubert's, welche Josef Spaun von Wien aus dahin mitgebracht hatte, zu hören, und das hohe Interesse, welches ihm die schönen eigenthümlichen Melodien einflößten, trieb ihn, den Componisten selbst aufzusuchen. Er fand ihn im väterlichen Hause Schulaufgaben corrigirend und mit Geschäften derart überhäuft, daß es unbegreiflich scheint, wie er gerade um jene Zeit so massenhaft produciren konnte. Was Schober da von

') Salieri schlug einen gewissen Jacob Schaufl als den für die Laibacher Lehrerstelle geeignetsten vor.

Schubert's Compositionen hörte, war nur geeignet, seine Bewunderung für den jungen Tondichter zu steigern. Ueberzeugt, daß dieser, um seinem Beruf leben zu können, aus der geisttödtenden Lage in des Vaters Schule herausgerissen werden müsse, faßte er den Gedanken, Schubert zu sich zu nehmen. Er erwirkte dafür die Einwilligung seiner (Schobers) Mutter, und nachdem sich auch der alte Schubert damit einverstanden erklärt hatte 1), zog Franz in Schober's Wohnung, damals in der „Landskrongasse“ gelegen. Dort blieb er etwas über ein halbes Jahr, so lange nämlich, bis ein Bruder des Letteren, österreichischer Husaren - Officier, mit Urlaub nach Wien kam, und das einzig verfügbar gewesene Zimmer in Beschlag nahm, wo sodann wegen Schubert's Unterbringung auf neuen Rath gesonnen werden mußte. Josef Spaun nahm sich der Sache an, und bewirkte, daß Schubert schließlich zu Mayrhofer zog, der in der Wipplingerstraße wohnte, und nun seine Behausung zwei Jahre hindurch mit Schubert theilen sollte 2).

1) In Nr. 42 Jahrgang 1847 der Wiener Sonntagsblätter“ erzählt Ferd. Nic. Schmidtler ein Geschichtchen aus dem Lichtenthal, wornach Schubert in Folge einer tüchtigen Ohrfeige, die er einem etwas begriffstüßigen Schulmädchen applicirt, mit dem darüber ungehaltenen Vater eine heftige Scene bestanden, und von diesem endlich die licentia abeundi erhalten habe, worauf Franz das Lehramt aufgab. Ob und wie viel an der Erzählung Wahres, ist mir nicht bekannt geworden. 2) Obige Daten verdanke ich einer Mittheilung des Herrn von Schober. Da Schubert sich im Schuljahr 1816 (laut RegierungsAttest) noch in des Vaters Dienst befunden, Herr von Schober das Jahr 1817 in Schweden zugebracht, und Mayrhofer erst im Jahre 1819 gemeinschaftlich mit dem Tondichter gewohnt hat, so erscheinen Schobers Angaben, insoweit sie bestimmte Zeitabschnitte betreffen, mit diesen Thatsachen schwer in Einklang zu bringen.

Während der Bücherrevisor in seinem Amt eifrigst beschäftigt war, arbeitete Schubert mit gleicher Ausdauer zu Hause bis zur Essenszeit, nach welcher er entweder auf Schober's Zimmer kam, oder in das Kaffeehaus 1), wo er mit diesem und anderen Freunden den Rest des Tages zubrachte. Die späteren Jahre verlebte Schubert zum großen Theil wieder im Schober'schen Hause.

Franz von Schober nimmt in Schubert's Leben eine hervorragende Stelle ein, da er zu diesem frühzeitig in ein nahes Verhältniß trat, und, kurze Unterbrechungen abgerechnet, den vertrauten persönlichen Verkehr mit ihm bis zu dessen Tod fortsette. Mit Ausnahme der Jahre 1817, 1824 und 1825, die Schober in Schweden und Preußen zubrachte, dann der zwei Jahre (1819-1821), während welcher Schubert der Zimmergenosse Mayrhofer's war 2), hatte Schubert fortan Quartier im Schober'schen Hause, oder wenigstens ein Zimmer daselbst zur Verfügung gestellt 3).

') Schubert pflegte das Bognersche Kaffeehaus in der Singerstraße zu besuchen, wo es einem Marqueur gelang, durch die komische Art, mit der er die von den Gästen gemachten Bestellungen in die Kaffeeküche hineinrief, Schubert's Lachmuskeln jedesmal in fieberhafte Bewegung zu versetzen.

2) Mayrhofer wohnte im Jahre 1816 in der Wipplingerstraße Nr. 420, im darauf folgenden Jahr (mit Spaun) in der Erdberggasse Nr. 97. Im Jahre 1818 kehrte er wieder nach 420 zurück, wo er (mit Schubert) bis 1821 blieb, und dann in das Haus Nr. 389 (ebenfalls Wipplingerstraße) zog.

3) Schubert wohnte zunächst bei Schober (Landskrongasse, später Göttweiherhof), dann bei Mayrhofer, Wipplingerstraße, sodann (1821 bis 1823) wieder bei Schober (Tuchlauben neben dem Musikverein), in den Jahren 1824-1826 auf der Wieden neben der Carlskirche Nr. 100,

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