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Schlesinger's 1) meisterhaftes Spiel, in's Herz tief, tief eingedrückt. So bleiben uns diese schönen Abdrücke in der Seele, welche keine Zeit, keine Umstände verwischen und wohlthätig auf unser Dasein wirken. Sie zeigen uns in den Finsternissen dieses Lebens eine lichte, helle, schöne Ferne, worauf wir mit Zuversicht hoffen. O Mozart, unsterblicher Mozart! wie viele und wie unendlich viele solche wohlthätige Abdrücke eines lichten besseren Lebens hast du in unsere Seele geprägt. Dieses Quintett ist so zu sagen eines seiner größten kleineren Werke. Auch ich mußte mich produciren bei dieser Gelegenheit. Ich spielte Variationen von Beethoven, sang Goethe's „rastlose Liebe" und Schiller's „Amalia.“ Ungetheilter Beifall ward jenem, diesem minderer. Obwohl ich selbst meine „rastlose Liebe" für gelungener halte, als „Amalia“, so kann man doch nicht läugnen, daß Goethe's musikalisches Dichtergenie viel zum Beifall wirkte. Auch lernte ich Mad Jenny, eine außerordentlich geläufige Clavierspielerin, kennen; doch scheint ihr der wahre reine Ausdruck einigermaßen zu fehlen.

,,Am 14. Juni 1816. Nach einigen Monaten machte ich wieder einmal einen Abendspaziergang. Etwas angenehmeres wird es wohl schwerlich geben, als sich nach einem heißen Sommertage Abends im Grünen zu ergehen, wozu die Felder zwischen Währing und Döbling eigens geschaffen scheinen. Im zweifelhaften Dämmerschein in Begleitung

1) Martin Schlesinger, geb. 1751 zu Wildenschwert in Böhmen, gest. in Wien am 12. August 1818, war ein vortrefflicher Violinspieler. Bon seinen Compositionen sind wenige, und zwar unbedeutende im Druck erschienen.

meines Bruders Carl ward mir so wohl um's Herz. Wie schön, dacht' ich und rief ich und blieb ergött stehen. Die Nähe des Gottesackers erinnerte uns an unsere gute Mutter. So kamen wir unter traurig traulichen Gesprächen auf den Punkt, wo sich die Döblinger Straße theilt. Und wie aus himmlischer Heimat hörte ich von einer haltenden Chaise herab eine bekannte Stimme. Ich schaute auf und es war Herr Weinmüller1), welcher eben ausstieg und sich in seinem herzlichen, biederen Tone empfahl. Gleich wandte sich unser Gespräch auf die äußere Herzlichkeit in Ton und Sprache der Menschen. Wie mancher bemüht sich, sein redliches Gemüth vergebens in ebenso herzlicher biederer Sprache zu zeigen; wie mancher würde darum zum Gelächter der Menschen dienen. Man kann solches nicht als ein erstrebtes Gut, sondern nur als Naturgabe ansehen.

,,15. Juni 1816. Gewöhnlich ist's, daß man sich von zu Erwartendem zu große Vorstellungen macht. So ging es auch mir, als ich die bei St. Anna gehaltene Ausstellung vaterländischer Gemälde sah. Unter allen Gemälden sprach mich ein Madonnenbild mit einem Kind von Abel am meisten an. Sehr getäuscht wurde ich durch den Sammtmantel eines Fürsten. Uebrigens sehe ich ein, daß man dergleichen

') Weinmüller (Carl), wurde 1765 in der Nähe von Augsburg geboren. Anfangs mit wandernden Theatergesellschaften herumziehend, ließ er sich um 1795 bleibend in Wien nieder, wo er, von Stufe zu Stufe steigend, bald der auserkorne Liebling des Publikums wurde. Er war im Besitz einer herrlichen Baßstimme, und seelenvoller, zum Herzen dringender Deklamation. Auch als Hofcapellsänger excellirte er. Um 1825 trat er in Pension und starb im März 1828 in seiner Villa in Döbling.

Sachen öfter und länger sehen muß, um den gehörigen Ausdruck und Eindruck zu finden und zu erhalten."

Die nun folgenden mitunter etwas verworrenen Bemerkungen sind am 16. Juni 1816 Abends, nachdem Schubert von Salieri's Jubelfeier nach Hause gekommen war, niedergeschrieben:

„Schön und erquickend muß es dem Künstler sein, seine Schüler alle um sich versammelt zu sehen, wie jeder sich strebt, zu seiner Jubelfeier das Beste zu leisten; in allen diesen Compositionen bloße Natur mit ihrem Ausdruck, frei von aller Bizarrerie zu hören, welche bei den meisten Tonseßern jezt zu herrschen pflegt und einem unserer größten deutschen Künstler beinahe allein zu verdanken ist; von dieser Bizarrerie, welche das Tragische mit dem Komischen, das Angenehme mit dem Widrigen, das Heroische mit Heulerei, das Heiligste mit dem Harlequino vereint, verwechselt, nicht unterscheidet, die Menschen in Raserei versetzt, statt in Liebe auflöst, zum Lachen reizt, anstatt zu Gott zu erheben. Dieses Bizarre, aus dem Zirkel seiner Schüler verbannt, um dann auf die reine heilige Natur zu blicken, muß das höchste Vergnügen dem Künstler sein, der von einem Gluck geleitet, die Natur kennen lernt, und sie troß der unnatürlichsten Umgebungen unserer Zeit erhalten hat.

„Herr Salieri feierte, nachdem er 50 Jahre in Wien und beinahe eben so lange in kaiserlichen Diensten gewesen, sein Jubelfest, wurde von Sr. Majestät mit einer goldenen Medaille belohnt, ladete viele seiner Schüler und Schülerinnen ein. Die dazu verfertigten Compositionen seiner Compositionsschüler wurden nach der Ordnung, in welcher sie bei ihm eintraten, von Oben nach Unten, producirt. Das Ganze war von einem Chor aus dem Oratorium „Jesu al limbo❝1),

') Jesus in der Vorhölle.

beides von Salieri eingeschlossen. Das Oratorium echt Gluckisch gearbeitet; die Unterhaltung war für jeden interessant.

„An diesem Tage componirte ich das erste Mal für Geld. Nämlich eine Cantate 1) für die Namensfeier des Herrn Professors Watteroth von Drärler. Das Honorar ist 100 fl. W. W.

,,Der Mensch gleicht einem Ball, mit dem Zufall und Leidenschaften

„Ich hörte oft von Schriftstellern sagen: Die Welt gleicht einer Schaubühne, wo jeder Mensch seine Rolle spielt. Beifall und Tadel folgt in der andern Welt. Eine Rolle aber ist aufgegeben, also ist auch unsere Rolle aufgegeben und wer kann sagen, ob er sie gut oder schlecht gespielt hat? Ein schlechter Theater-Regisseur, welcher seinen Individuen solche Rollen gibt, die sie nicht zu spielen im Stande sind. NachLässigkeit läßt sich hier nicht denken. Die Welt hat kein Beispiel, daß ein Acteur wegen schlechten Recitirens verabschiedet worden sei. Sobald er eine ihm angemessene Rolle bekommt, wird er sie gut spielen. Erhält er Beifall oder nicht, dies hängt von einem tausendfältig gestimmten Publikum ab. Drüben hängt der Beifall oder Tadel von dem Weltregisseur ab. Der Tadel hebt sich also auf.

,,Naturanlage und Erziehung bestimmen des Menschen Geist und Herz. Das Herz ist Herrscher, der Geist soll es sein.

sollen.

„Nehmt die Menschen, wie sie sind, nicht wie sie sein

1) Prometheus.

„Glücklich, der einen wahren Freund findet; glücklicher, der in seinem Weibe eine wahre Freundin findet. Ein schreckender Gedanke ist dem freien Manne in dieser Zeit die Ehe; er vertauscht sie entweder mit Trübsinn oder grober Sinnlichkeit.

,,Monarchen dieser Zeit, ihr seht dies und schweiget! oder seht ihr's nicht? — Dann, o Gott! umschlei're uns Sinn und Gefühl mit Dumpfheit! doch nimm den Schleier einmal wieder ohne Rückschade!

„Der Mann trägt Unglück ohne Klage, doch fühlt er es desto schmerzlicher. Wozu gab uns Gott Mitempfindung? „Leichter Sinn, leichtes Herz: zu leichter Sinn birgt meistens ein zu schweres Herz.

,,Ein mächtiger Antipode der Aufrichtigkeit der Menschen gegeneinander ist die städtische Höflichkeit. Das größte Unglück des Weisen und das größte Glück des Thoren gründet sich auf die Convenienz.

„Der edle Unglückliche fühlt die Tiefe seines Unglücks und Glücks, ebenso der edle Glückliche sein Glück und sein Unglück.

,,Nun weiß ich nichts mehr! Morgen weiß ich gewiß wieder Etwas! Woher kommt das? Ist mein Geist heute stumpfer als morgen? Weil ich voll und schläfrig bin? Warum denkt mein Geist nicht, wenn der Körper schläft? Er geht gewiß spazieren. Schlafen kann er ja nicht!

Sonderbare Fragen!

Hör' ich alle sagen;

Es läßt sich hier nichts wagen,

Wir müssen's duldend tragen.

Nun gute Nacht

Bis ihr erwacht."

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