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IV. Abschnitt.

Resultate der Mediation Frankreichs. Treffen bei Blumenau. Waffenruhe und Waffenstillstand.

Die in der Nacht vom 4. zum 5. Juli ergangene Einladung des franzö sischen Cabinets an die Regierungen von Preussen und Italien zur Einstellung der Feindseligkeiten ward auf beiden Seiten mit verbindlichen Worten dankend entgegengenommen. Die Florentiner Regierung liess jedoch noch am 5. Juli ihren Gesandten in Paris, Cavaliere di Nigra wissen, dass sie, um ihre mit Preussen eingegangenen Verpflichtungen einzuhalten, und um auch die administrativ nicht zum Venezianischen gehörigen italienischen Bevölkerungen von der Fremdherrschaft zu befreien, gezwungen sei, den Krieg fortzusetzen.

Am 9. Juli erklärte Italien, die Zustimmung Preussens vorausgesetzt, einen Waffenstillstand abschliessen zu wollen, wenn Frankreich die Versicherung gäbe, dass:

1. Österreich im Principe die Vereinigung des Venetianischen mit Italien zugestehe.

2. Italien das Recht verbleibe, bei den späteren Verhandlungen die Frage wegen des Trientiner-Gebiets aufzuwerfen, und Frankreich dieselbe unterstützen wolle.

3. Dass von den Verhandlungen die allgemeinen Fragen der italienischen Politik, namentlich die römische, ausgeschlossen würden.

Die Antwort des französischen Cabinets hierauf blieb längere Zeit aus und die preussische Regierung liess durch ihren Gesandten in Florenz, Grafen Usedom, am 11. und 13. Juli und auch mehrere Tage später erklären, dass sie Italien das Recht zu einem Separatfrieden auf Grund der Abtretung des Venetianischen nicht zugestehen könne, vielmehr die Fortsetzung des Krieges von Italien fordern müsse, da sie selbst entschlossen sei, denselben mit aller Energie fortzuführen. Es kam daher nicht sogleich zu einer Verständigung mit Italien und die italienische Armee überschritt, die Operationen fortsetzend, den Po, rückte gegen den Isonzo vor, und suchte namentlich, obgleich vergeblich, sich in den Besitz von Südtirol zu setzen. Auch lief die italienische Österreichs Kämpfe 1866. (IV. Band.)

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Flotte unter Admiral Persano von Ancona aus, suchte mittelst eines zweitägigen Bombardements die österreichische Insel Lissa zu bezwingen, ward aber am 20. Juli von der kaiserlichen Flotte unter Contre-Admiral v. Tegetthoff angegriffen, geschlagen und zum Rückzuge nach Ancona gezwungen.

Indessen hatte die königlich preussische Regierung sich gleich anfänglich bereit erklärt, dem Kaiser der Franzosen die Bedingungen bekannt geben zu wollen, unter welchen es ihre militärische Situation und ihre Beziehungen zu Italien erlauben würden, einen Waffenstillstand einzugehen.

Diese Bedingungen wurden am 9. Juli festgestellt und am 11. durch Fürst Reuss nach Paris überbracht. Das Wiener Cabinet erhielt von denselben am 12. Juli nur insofern Kenntniss, als die französische Botschaft mittheilte, es handle sich hauptsächlich um den Austritt Österreichs aus dem deutschen Bunde, die übrigen Forderungen seien geringfügigerer Natur und discussionsfähig, Preussen mache aber von der Annahme dieser Bedingungen seitens Österreichs den Abschluss eines Waffenstillstandes abhängig ').

Der französische Botschafter, Herzog von Gramont, übernahm es hierauf am 13., seine Regierung zu benachrichtigen, dass der Kaiser von

1) Ein in dieser Beziehung vom französischen Minister des Äussern, Mr. Drouyn de Lhuys, an den Fürsten Metternich gerichtetes Schreiben vom 12. Juli lautete : „Die Instructionen, welche ich dem Herzog von Gramont sende, lassen sich in Folgendem zusammenfassen:

„1. Der Kaiser weiss, dass Preussen, um den Waffenstillstand zu unterzeich„nen, Friedens-Präliminarien verlangt.

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2. Wir kennen diese Präliminarien nicht im Detail, aber der Austritt Öster„reichs aus dem (deutschen) Bunde ist offenbar ein sine qua non; die andern Bedin"gungen sind, sagt man uns, ohne Bedeutung.

3. Der Kaiser denkt, dass der Waffenstillstand und Verhandlungen zum „Zwecke des Friedensabschlusses allein eine günstige Wendung tür Sie in Aussicht „stellen.

4. Seine Majestät ist entschlossen, bei der gegenwärtigen Krisis die französische Nation nicht in einen Krieg zu stürzen.

„5. Österreich hat somit ohne Zögern zu entscheiden, ob es den Kampf bis „zum Äussersten fortsetzen, oder ob es die Verhandlungs-Grundlage seines Austrittes aus dem Bunde annehmen wolle.

6. Der Kaiser wünscht über diesen Punkt so schnell als möglich ins Klare ngesetzt zu sein.

„Dies ist der Sinn dessen, was ich an Herrn von Gramont schrieb. Was „die Sendung des Prinzen Reuss anbelangt, so bestand sie in der Übergabe eines Briefes des Königs von Preussen, welcher die Vorschläge nicht genau formulirte; „einige mündliche Erläuterungen wurden gegeben; wir besitzen jedoch ich wie„derhole es keine klare Auseinandersetzung der Präliminarien, welche Preussen verlangt, um den Waffenstillstand zu unterschreiben; wir wissen nur, dass der „Austritt Österreichs aus dem deutschen Bunde das sine qua non bildet. Damit wäre der Waffenstillstand möglich, ich glaube sogar gewiss; ohne dieses ist er un„möglich . . . . .

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...

Österreich, bevor er in den Austritt aus dem deutschen Bund willige, nothwendig die andern Forderungen Preussens kennen müsse.

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Wenn sich unter denselben einige unannehmbare Forderungen fänden, wie z. B. eine Gebietsabtretung, so zieht Österreich vor, die Waffen weiters. ,,entscheiden zu lassen, und, wenn es sein muss, mit Ehren unterzugehen, als „sein Heil um einen solchen Preis zu erkaufen."

Kaiser Napoleon war nun bemüht, selbst ein Programm zu entwerfen, und empfahl am 14. Juli dasselbe in der folgenden Fassung den Höfen von Preussen und Österreich zur Annahme:

„Die Integrität des österreichischen Kaiserthums, mit Ausnahme von Venetien, wird erhalten bleiben."

Österreich wird die Auflösung des ehemaligen deutschen Bundes an,,erkennen und sich einer neuen Organisation Deutschlands, zu dem es nicht gehören wird, nicht widersetzen."

Preussen wird im Norden von Deutschland einen, Bund (union) grün„den, der aus allen nördlich der Mainlinie liegenden deutschen Staaten be„stelt. Es wird mit dem Ober-Befehle der militärischen Kräfte dieser Staaten „betraut werden."

„Die südlich des Main gelegenen Staaten werden die Freiheit haben, "unter sich einen Südbund zu bilden, der eine internationale unabhängige Existenz geniessen wird."

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„Die zwischen dem Nord- und Südbunde zu erhaltenden nationalen ,,Bande werden durch freies gegenseitiges Vernehmen geregelt werden." Die Elbeherzogthümer werden mit Preussen vereinigt, mit Ausnahme „jener Districte in Nord-Schleswig, deren Bevölkerungen in freier Abstim„mung ihre Vereinigung mit Dänemark wünschen würden."

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Österreich und seine Alliirten würden einen Theil der Kriegskosten an "Preussen vergüten."

Zwei Tage später ging Prinz Napoleon nach Ferrara ab, um die italienische Regierung, indem er sie betreffs ihrer Forderungen beruhigte, zur Einstellung der Feindseligkeiten zu bewegen und mit ihr die Formen zu berathen, unter denen das Venezianische an Italien überzugehen hätte, bezüglich welcher Kaiser Napoleon von einer förmlichen Retrocession absehen wollte und nur eine vorgängige Abstimmung der Bevölkerung über ihre Vereinigung mit Italien verlangte.

Bevor noch die franzen Propositionen anlangten, erklärte die preussische Regierung durch Vermittlung des im preussischen Hauptquartier anwesenden französischen Gesandten Mr. Benedetti, in der Nacht vom 12. zum 13. Juli direct in Wien, eine Waffenruhe von 3 Tagen eingehen zu wollen, wenn die österreichischen Truppen das ganze Terrain nördlich der

Thaya allsogleich räumen, die übrigen im Norden und Süden befindlichen kaiserlichen Truppen unverzüglich halten gemacht würden, und die durch die Festungen Königstein und Theresienstadt unterbrochene Bahnverbindung von Dresden nach Prag für die preussische Armee geöffnet würde.

Da dieser Vorschlag nur im Interesse Preussens erdacht war, um die Versammlung der österreichischen Streitkräfte an der Donau zu verzögern und da das Anerbieten, dass die preussischen Truppen sich während der Waffenruhe 3 Meilen vom verschanzten Lager von Olmütz entfernt halten. würden, gänzlich werthlos erschien, so konnte auf denselben nicht eingegangen werden; die kaiserliche Regierung schlug dagegen die Festsetzung einer Demarcationslinie vor, welche von beiden Theilen nicht überschritten werden, hinter der aber volle Bewegungsfreiheit hätte stattfinden sollen.

Diese Demarcationslinie sollte längs der Thaya und 2 Meilen westlich der Bahnstrecke Lundenburg Olmütz laufen, wodurch die zu dieser Zeit für den Rücktransport der Nord-Armee höchst wichtige Eisenbahnverbindung zwischen Olmütz und Wien freigeblieben wäre.

Die kaiserliche Regierung erbot sich gegen Annahme dieser Bedingungen durch die preussische Heeresleitung, ihrerseits im Einvernehmen mit Seiner Majestät dem König von Sachsen die Benützung der Eisenbahn zwischen Dresden und Prag für die preussische Armee zu gestatten. Die Waffenruhe sollte auch auf das 7. und 8. deutsche Bundes-Armee-Corps ausgedehnt werden.

Inzwischen langte das französische Programm in Wien und im preussischen Hauptquartier ein.

Die kaiserliche Regierung erklärte, sich nicht aussprechen zu können, bevor Preussen das Programm angenommen habe; die preussische Regierung hingegen nahm Anstand, demselben beizutreten, wenn Österreich sich nicht zu einigen Gebietsabtretungen, zur Regelung der Grenzen, herbeilassen wolle. Am 19. Juli ward endlich, namentlich durch die energischen Bemühungen des Herzogs von Gramont, der an diesem Tage mit im Allgemeinen den Vorschlägen des Kaisers Napoleon conformen Erklärungen Österreichs in Nikolsburg eintraf, eine Verständigung angebahnt. Die preussische Regierung liess an diesem Tage durch ihren Botschafter Grafen Goltz in Paris erklären, dass sie in den französischen Propositionen hinreichende Garantien finde, um unverweilt einen Waffenstillstand eingehen zu können und erbot sich, bei Reciprocität von Seite Österreichs, während 5 Tagen aller Feindseligkeiten sich zu enthalten, während welcher Zeit Österreich sich endgiltig über die Verhandlungsbasis auszusprechen hätte ').

1) Herzog von Gramont telegraphirte Abends ungefähr Folgendes nach Paris: Der König von Preussen stimmt bei, auf Grundlage der vom Kaiser Napoleon

Die vorläufige fünflägige Waffenruhe, zu welcher Österreich am 20. Juli seine Zustimmung gab, hatte noch den Zweck, die Entschlüsse der italienischen Regierung, von welcher nach der Erklärung des Grafen Barral erst innerhalb sechs Tagen eine Antwort auf die Waffenstillstands-Vorschläge zu gewärtigen war, abzuwarten ').

Daher sollte die Waffenruhe am 22. Mittags beginnen und am 27. zu gleicher Zeit enden *).

vorgelegten Propositionen einen Waffenstillstand zur Einstellung der Feindseligkeiten, „nicht aber als Friedensbasis, einzugehen, indem er sich vorbehält „beiden Schlussverhandlungen territoriale Erwerbungen im Norden Deutschlands zu fordern.

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Unter diesem Vorbehalte willigt der König von Preussen ein, österreichische „Bevollmächtigte in seinem Hauptquartier zu empfangen, die am 21. oder 22. dort ,,würden ankommen können. Zu diesen Unterhandlungen müsse jedoch noch die „Zustimmung Italiens verlangt werden.

Am 20. schrieb Graf Bismarck Folgendes an den Grafen Goltz:

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.Der König hat zu dem Waffenstillstande seine Genehmigung ertheilt. Barral, der ebenfalls hier ist, erbittet sich Instruction und Vollmacht von Florenz. „Es ist zweifelhaft, ob diese so rasch eintreffen können.

„Der König hat sich nur sehr schwer und aus Rücksicht auf den Kaiser Napoleon hiezu entschlossen, und zwar in der bestimmten Voraussetzung, dass für „den Frieden ein bedeutender Territorial-Erwerb im Norden Deutschlands gesichert ,,sei. Der König schlägt die Bedeutung eines norddeutschen Bundesstaates geringer „an als ich, und legt demgemäss vor Allem Werth auf Annexionen, die ich allenfalls neben der Reform als Bedürfniss ansehe, weil sonst Sachsen, Hannover für ein ,,intimes Verhältniss zu gross blieben.

„Der König bedauert, dass Euer Excellenz nicht an dieser Alternative des Programms vom 9. nach dem Schlusssatze der Depesche bis auf Weiteres „festgehalten haben. Er hat, wie ich zu Ihrer ganz intimen persönlichen Direc„tive mittheile, geäussert: Er werde lieber abdanken, als ohne bedeutenden „Ländererwerb für Preussen zurückkehren und hat heute den Kronprinzen hieher „gerufen. Ich bitte Euer Excellenz auf diese Stimmung des Königs Rücksicht zu nehmen.

„Noch bemerke ich, die französischen Punkte würden uns, vorausgesetzt eine „Grenzregulirung mit Österreich, auch als Präliminarien für Separat-Frieden mit Österreich genügen, wenn Österreich einen solchen schliessen will, sie genügen „nicht für den Frieden mit unseren übrigen Gegnern, besonders in Süddeutschland; ihnen „müssen wir besondere Bedingungen machen und die Mediation des Kaisers, die ,sie nicht angerufen, bezieht sich nur auf Österreich.

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Wenn auch wir Italien gegenüber frei würden durch Cession Venedigs, so können wir doch Italien nicht frei lassen, bevor das im Tractat für uns stipulirte „Äquivalent Venetiens uns gewährt ist.“

1) Dabei sagte Bismarck zu Barral, „lass Preussen sich hiemit gar nicht gegen Österreich bindet und dass Italien daher thun kann, was es will."

2) Mr. Benedetti richtete hierauf an den

gende Schreiben ddo. Nikolsburg, 21. Juli 1866.

Herzog von Gramont das fol

„Herr Herzog, ich bin in der Lage, Ihnen mitzutheilen, dass die Feindseligkeiten morgen den 22. Juli Mittags vollkommen werden eingestellt werden. Befehle wurden sogleich abgesendet, damit die die preussischen Vorposten commandirenden

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