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Nationen müssen sich einander zu Führern dies und alle würden Unrecht haben, wenn sie sich der Einsichten beraubten, die sie sich gegenseitig ges wahren können. Es ist etwas ganz Besonderes in dent Unterschiede deskeinen Volkes von dem anderen: das Klima, der Anblick der Natur, die Sprache, die Regierung, besonders aber die Begebenheiten der Geschichte eine Macht, welche noch außerors dentlicher ist, als die übrigen alle - tragen zu dies sen Verschiedenheiten bei, und kein Mensch, wie groß auch seine Einsicht seyn möge, vermag zu errathen, was sich auf eine natürliche Weise in dem Geiste eines Anderen entwickelt, der auf einem verschiedenen Boden lebt, und eine andere Luft aths met. Man wird sich also in jedem Lande wohl dabei befinden, fremde Gedanken aufzunehmen; denn, was diesen Punkt betrift: so macht die Gast freundschaft das Glück des Empfängers,

Zwei und dreißigstes Capitel.

- Von den schönen Künsten in Deutschlaud.

Im Allgemeinen haben die Deutschen mehr Empfänglichkeit für die Kunst, als sie Geschicklichs keit besitzen, diese Kunst auszuüben. Kaum haben fie einen Eindruck erhalten, so ziehen sie daraus eine Menge Ideen. Sie sprechen viel von Ges heimniß, aber nur um es zu offenbaren, und man kann keine Art von Eigenthümlichkeit in Deutsch land aufweisen, ohne daß Jeder erklären will, wie man dazu gekommen ist. Dies ist ein wesentlicher Nachtheil; vorzüglich für die Künste, wo alles Sensation ist. Sie werden zergliedert, ehe man fie gefühlt hat, und wenn man hinterher auch sagt, daß die Zerglied.rung überflüssig sey: so hat man

doch die Frucht von dem Baum des Erkenntnisses genossen, und die Unschuld des Talents ist dahin.

Nicht, daß ich in Beziehung auf die Künste jene Unwissenheit empfehlen möchte, die ich in Dingen der Literatur zu tadeln nicht aufgehört habe. Allein man muß unterscheiden zwischen den Stus dien, die sich auf die Ausübung der Kunst beziehen, und zwischen denen, welche die Theorie des Tas lents zum ausschließenden Gegenstande haben. Diese, wenn sie allzuweit getrieben worden, ers sticken die Erfindung. Man wird verwirrt durch die Zurückerinnerung an Alles, was über ein Meiz sterwerk gesagt worden ist; man fühlt zwischen sich und dem Gegenstande, den man mahlen will, eine Menge von Abhandlungen über Mahlerei und Bildhauerei, über das Ideale und das Reale; und der Künstler ist nicht mehr allein mit der Natur. Ohne allen Zweifel ist die Aufmunterung der Geist aller dieser Handlungen; allein durch allzu viel Aufmunterung ermüdet man das Genie, wie man es durch allzu viel Zwang erstickt, und in Dingen, die von der Einbildungskraft abhängen, bedarf es einer so glücklichen Mischung von Hindernissen und Erleichterungen, daß Jahrhunderte vergehen können, ohne daß man den eben rechten Punkt ers reicht, wo die Blüthe des menschlichen Geistes in ihrer ganzen Kraft hervorbricht.

Vor der Reformation hatten die Deutschen eine Schule der Mahlerei, welche die italienische Schule nicht verschmähete. Albrecht Dürer, Lucas Cranach, Holbein, haben in ihrer Manier zu mahlen, Aehns lichkeit mit den Vorgängern Raphaels, Perugino, Andreas Mantegna u. f. w. Holbein nähert sich dem Leonardo da Vinci. Im Ganzen ist indeß in der deuts schen Schule mehr Hårte, als in der italienischen, wenn gleich nicht weniger Ausdruck und Andacht in

den Physiognomien. Die Mahler des fünfzehnten Jahrhunderts besaßen wenig Kenntniß von den Mitteln der Kunst; dafür bricht aus ihren Werken eine rührende Treuherzigkeit und Bescheidenheit hervor. Man entdeckt keine Ansprüche auf ehrgeizige Wirkungen; man fühlt nur jene innige Bewegung, für welche alle Menschen von Talent eine Sprache suchen, um nicht auszuscheiden, ohne ihren Zeitgenossen ihr Ges muth mitgetheilt zu haben.

In den Gemahlden des vierzehnten und fünfs zehnten Jahrhunderts sind die Falten der Gewån. der ganz gerade, die Kopfbekleidung ein wenig starr und die Stellungen höchst einfach; allein in dem Ausdruck der Figuren ist etwas, das man zu betrachten nicht ermüdet. Gemåhlde, welche die chriftliche Religion eingehaucht hat, bewirken einen Eindruck, der mit dem der Psalmen große Aehns lichkeit hat, welche die Poesie mit der Frömmigkeit so bezaubernd vermischen.

Die zweite und schönere Epoche der Mahlerei war die, wo die Mähler die Wahrheit des Mits telalters beibehielten, indem sie ihr den vollen Glanz der Kunst beigesellten. Bei den Deutschen entspricht nichts dem Jahrhundert Leo's des Zehns ten. Gegen das Ende des siebzehnten bis zur Mitte des achtzehnten Jahrhunderts geriethen die schönen Künste beinahe allenthalben in einen fons derbaren Verfall. Der Geschmack artete in Affecta= tion aus. Jetzt offenbarte sich der große Einfluß Winkelmanns nicht blos auf sein Vaterland, fons dern auch auf das übrige Europa. Seine Schrifs ten gaben jeder künstlerischen Einbildungskraft die Richtung nach dem Studium und der Bewundes rung der Denkmåler des Alterthums. Er verstand fich aber besser auf Bildhauerei, als auf Mahlerei; auch bestimmte er die Mahler, in ihre Werke mehs folos

kolorirte Statuen aufzunehmen, als allenthalben die lebendige Natur fühlbar zu machen. Indeß verliert die Mahlerei durch Annäherung an die Bildhauerei den besten Theil ihres Zaubers; denn die Tauschung, welche der einen nothwendig ist, steht den unbeweglis chen und ausgesprochenen Formen der anderen ents gegen. Nehmen die Mahler ausschließend die antike Schönheit zum Modell, welche sie nur aus Statuen kennen: so begegnet ihnen, was man der klassischen Literatur der Modernen zum Vorwurf macht, nähms lich, daß sie die Wirkungen der Kunst nicht in ihrer eigenen Begeisterung schöpfen.

Mengs, ein deutscher Mahler, hat sich in seis nen Schriften über die Kunst als einen philosos. phischen Denker gezeigt. Als Winkelmanns Freund, theilte er deffen Bewunderung für die Antike. Gleichwohl hat er sehr oft die Fehler vermieden, welche man den, durch Winkelmanns Schriften gebildeten Mahlern zum Vorwurf machen kann: Künstlern, die sich größten Theils auf die Nachbildung der alten Meisterstücke beschränken. Mengs hatte ich auch den Corregio zum Muster genoms men, d. h. einen Meister, der sich in seinen Gemåhlden von der Gattung der Bildhauerei ents fernt, und in seinem Helldunkel die unbestimmten und köstlichen Eindrücke der Melodie zurückruft.

Bis zu dem Augenblick, wo die neue Schule ihren Einfluß auch auf die schönen Künste erstreckte, hatten die deutschen Künstler beinahe ohne Ausnahme Winkelmanns Meinungen angenommen. Göthe, dessen universellen Geist wir allenthalben wiederfinden, hat in seinen Werken gezeigt, daß er den wahren Genius der Mahlerei weit besser bes griff, als Winkelmann. Doch, wie dieser, überzeugt, daß die Gegenstände der christlichen Welt der Kunst nicht günstig sind, sucht er den Enthus v. Staël Deutschland II.

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fiasmus für die Mythologie der Alten wieder zu erwecken; und dies ist ein Versuch, der nie gelins gen kann. Vielleicht sind wir, in Hinsicht der schönen Künste, gleich unfähig Christen oder Heis den zu seyn; allein, wenn die schöpferische Einbils dungskraft zu irgend einer Zeit in dem Menschen wieder aufleben sollte, so wird sie sich nicht durch Nachahmung der Alten fühlbar machen.

Die neue Schule behauptet in den schönen Künsten dasselbe System wie in der Literatur: fie erklärt nåmlich das Christenthum ganz laut für die Quelle des Genies der Modernen. Die Schrifts steller dieser Schule charakterisiren auch auf eine ganz neue Weise das, was in der gothischen Baus kunst zu den religiösen Gefühlen der Christen paßt. Daraus folgt nun freilich nicht, daß die Moder= nen nur gothische Kirchen bauen können und dür fen; weder Kunst noch Natur wiederholen sich. Das Einzige, worauf es ankommt bei dem gegens wärtigen Schweigen des Talents, ist, die Verachs tung zu beseitigen, die man auf alle Schöpfungen des Mittelalters hat werfen wollen. Unstreitig brauchen wir sie nicht anzunehmen: aber nichts schadet der Entwickelung des Genies mehr, als alles Originelle als barbarisch zu betrachten.

Ich habe, als ich von Deutschland redete, bereits die Bemerkung gemacht, daß es daselbst wenig merkwürdige moderne Gebäude gebe. Im Norden von Deutschland erblickt man im Ganzen nur goz thische Denkmåler, und die Natur und die Poesie unterstützen die Stimmungen des Gemüths, welchen aus diesen Denkmälern hervorgehen. Ein deutscher Schriftsteller, Namens Görres, hat eine interessante Beschreibung von einer alten Kirche ges liefert. Man sieht, sagt er, Figuren von Rittern, welche mit gefalteten Hånden auf einem Grabmal

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