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Sprache anreden. Der Erzieher findet in diesen unbestimmten vielfältigen Empfindungen nichts als Verwirrurg und Lärmen; sie kehren in das Schloß zurück, und er freut sich, die Bäume in Hausges råth verwandelt, die Naturprodukte dem Gebrauch. untergeordnet, und eine erkünftelte Regelmäßigkeit an die Stelle der geräuschvollen Bewegung der Existenz gebracht zu sehen. Die Hofleute erholen fich von ihrer Besorgniß, als sie hören, daß Prinz Zerbino, nachdem er von seinen Reisen zurückgekommen, und durch die Erfahrung belehrt worden, verspricht, sich nicht mehr mit den schönen Küns fen, der Poesie, den überspannten Gefühlen abzugeben, kurz nichts zu thun, was dem Egoismus den Sieg über den Enthusiasmus erschweren könnte.

Die meisten Menschen fürchten auf der Welt nichts so sehr, als für Simpel gehalten zu wers den. Es ist in ihren Augen weit weniger låchers lich, sich bei allen Gelegenheiten mit sich selbst bes fchäftiget, als in einer einzigen, fich von Andern hinters Licht geführt zu zeigen. Folglich liegt Witz und eine lobenswürdige Anwendung des Wißes, im Spotte über alles, was persönliche Berech nung heißt. Vom calculirenden Geiste wird im mer so viel bleiben, als zum Umtriebe in der Welt erforderlich ist; hingegen dürfte von einer höheren Natur alles, selbst das Andenken, in kurzer Zeit ganz von der Erde verschwinden.

In Liek's Lustspielen trifft man eine Laune an, die aus den Charakteren selbst entspringt, und nicht in witzigen Epigrammen besteht; eine Laune, worin die Phantasie vom Spotte unzertrennbar ist; nur läßt auch bisweilen diese Phantasie das Komische verschwinden, und schiebt lyrische Poefie und Scenen ein, wo man nichts als in Handlung gesetzte Lächerlichkeiten erwartete. Den Deuts schen fällt es überaus schwer, sich in ihren Gei

fteswerken nicht schwankenden Träumereien hinzus geben; gleichwohl ist dieser Gemüthsrichtung nichts so fremd, als das Lustspiel und überhaupt das Theater. Unter allen Gefühlen ist die Träumerei das einsamste; kaum läßt sich, was wir träumend` dachten, dem innigsten Freunde mittheilen; wie follte es möglich seyn, die versammelte Menge Theil daran nehmen zu lassen?

Zu den allegorischen Stücken muß man den Triumph der Empfindsamkeit, ein kleines Schauspiel Göthe's rechnen, worin er åußerst sinns reich die doppelte Lächerlichkeit des gespielten Enthusiasmus, und der wirklichen Nullität aufgestellt hat. Die Hauptperson des Stücks scheint für alle Ideen eingenommen zu seyn, die eine starke Phantafie und ein tiefes Gemüth vorausseßen; gleichwohl ist er im Grunde nichts mehr als ein guterzogener, überaus artiger, an Convenienz klebender Prinz; nur hat er sichs beikommen lassen, mit diesen guten Eigenschaften eine erborgte Empfindsamkeit zu vers binden, der man das Bestellte, das Erkünftelte im ersten Augenblick ansieht. Er bildet sich ein, er liebe die düstern Wälder, den Mondschein, die sternenhellen Nächte; da er sich aber vor Kälte und Ermüdung fürchtet, so hat er Decorationen malen lassen, die diese verschiedenen Gegenstände vorstellen, und läßt sich auf seinen Reifen von einem großen Rüftwagen begleiten, der die Naturschönheiten ihm mit Extras postpferden nachfahren muß.

Diefer sentimentale Prinz bildet sich ferner ein, er sey in ein Frauenzimmer verliebt, dessen Geist und Talente ihm sehr gerühmt worden waren; um ihn auf die Probe zu stellen, seht dieses Frauens zimmer eine verschleierte Gliederpuppe an ihren Play, die, wie man denken kann, nie ein unschicks liches Wort sagt, und deren Stillschweigen in den Augen des Prinzen für die Zurückhaltung des gu

ten Geschmacks, und die trübsinnige Schwärmerei einer zarten Seele gilt.

Der Prinz, über eine Gefährtin entzückt, die allen seinen Wünschen_entspricht, wirbt um die Gliederpuppe, und erfährt nun ganz zuleht, daß er unglücklich genug war, eine wahre Gliederfrau zur Gattin gewählt zu haben, während sein Hof ihm so viel Schönen aufstellte, die diese Rolle eben fo gut gespielt haben würden.

Gleichwohl, (wer wolte es lengnen?) reichen diese sinnreichen Ideen nicht zu einem guten Lufts spiele hin; die Franzosen haben, im Fach des Kos mischen, einen ausgemachten Vorzug vor allen übrigen Nationen. Die Menschenkenntniß, und die Kunstfertigkeit von dieser Kenntniß Gebrauch. zu machen, sichert ihnen, in dieser Hinsicht, die erste Stelle; nur ließe sichs bisweilen wünschen, selbst in Moliere's vorzüglichsten Stücken, daß die übers legte Satyre weniger, und die Phantasie mehr Plag einnahme. Unter den Stücken Molieres nähert sich der Festin de Pierre (Don Juan) dem deutschen Systeme am meisten; ein schauder: haftes Abentheuer dient den komischsten Situatio: nen zum Hebel; die größten Wirkungen der Phans tasie vermischen sich mit den treffendsten Schattirungen der Spotterei. Dieser eben so geistreiche als poetische Stoff ist der Spanischen Bühne ents lehnt. Die dreisten theatralischen Schöpfungen find in Frankreich selten; die französische Literatur liebt den sichern ruhigen Gang; hat sie sich aber durch ein glückliches Zusammentreffen von Umständen, in eine gefahrvolle Bahn gewagt, so weiß der Ge schmack die Keckheit mit bewundernswürdiger Künstlichkeit zu leiten, so daß aus einer fremden Dichtung, von französischen Händen bearbeitet, fast immer ein Meisterstück wird.

Sieben und zwanzigstes Capitel.

Von der Declamation.

Da die dramatische Kunst kein bestehendes Werk hinzustellen vermag und nur in der Erinnes rung Spuren hinterläßt, hat man wenig über das, worin sie besteht, nachgedacht. Nichts ist leichter als diese Kunst in ihrer Mittelmäßigkeit auszus üben, aber nicht mit Unrecht erzeugt sie in ihrer Vollendung solchen Enthusiasmus für sich, und weit entfernt, diese ihre Wirkung als eine flüchtige herabsehen zu wollen, glaube ich vielmehr, daß sich gerechte Gründe, worauf sie beruht, nachweisen lies Ben. Selten vermag man im Leben, das innere Geheimniß des Menschen zu durchdringen. Die Falschheit und der Schein, die Kälte und die Bes scheidenheit verändern, übertreiben, unterdrücken oder verschleiern, was im Grunde des Herzens vors geht. Ein großer Künstler ruft die Merkmale der Wahrheit in Gefühlen und Charakteren hervor und bietet uns untrügliche Zeichen der wirklichen Regungen und Affecte dar. So viele von uns gez hen durch das Leben, ohne von den Leidenschaften und ihrer Gewalt nur eine Ahnung zu haben, daß oft die Bühne dem Menschen zu einer Offenbarung feiner selbst wird, die ihn vor den Stürmen der Seele mit religiöser Furcht erfüllt. Und in der That, welche Worte vermöchten diese zu schildern, wie ein Zon, eine Bewegung, ein Blick! Die Worte drücken weniger aus als der Zon, der Ton selbst weniger als das Mienenspiel, und eben das nicht Auszusprechende ist es, das uns ein genialis scher Schauspieler erkennen läßt.

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Dieselben Verschiedenheiten, die zwischen der deutschen Tragdbie und der französischen obwalten, finden auch in ihrem dramatischen Vortrage fiatt. Die Deutschen halten sich aus allen Kräften an die Natur. Sie sind nur in ihrem Streben nach Einfachheit gesucht, und dieses kann auch wohl in den fchönen Künsten zu einer Künstelei ausarten. Die deutschen Schauspieler greifen tief in das Herz des Zuschauers, oder sie laffen ihn ganz kalt. Sie bauen dann mit Zuversicht auf seine Geduld. Die Engs länder haben mehr Majestät als sie im Vortrag der Verse, und sind doch von der gehaltenen Pracht entfernt, die bei den Franzosen die Tragödie von dem Künstler erfodert. Unsere Art verträgt das Mittelmäßige nicht, und man kommt in der Dars ftellung der französischen Tragödie nur durch die Vollendung der Kunst zur Natur zurück. In Deutschland sind die Schauspieler vom zweiten Range ohne Wärme und Bewegung, fie verfehlen oft die tragische Wirkung, aber sie werden fast nie lächerlich. Es geht in Deutschland auf der Bühne wie in der Gesellschaft zu; da sind Leute, die biss weilen langweilig werden, aber es hat dabei sein Bewenden. Auf der französischen Bühne aber werden uns die, die uns nicht rühren, völlig unerträglich. Durch solchen mißtönigen Wortschwall wird uns die Tragödie dergestalt zum Eckel, daß die pöbelmäßigste Parodie dieser erkänstelten Abges schmacktheit vorgezogen werden muß.

Die Beihülfen der dramatischen Kunst, die Mas schinerien und Decorationen, erfodern in Deutsch. land mehr Sorgfalt als in Frankreich, da sie die Tragödie öfters in Auspruch nimmt. In Berlin hat Iffland alles zu leisten gewußt, was man in dieser Hinsicht wünschen kann; in Wien aber wird selbst das Nothdürftigste der Vorstellung vernach låffigt.

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