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seyn, das Ausland mit ihnen bekannt machen zu wollen. Ich begnüge mich mit der Erklärung, das kein unparteiischer Richter ihrem Verfasser die vollkommenste Kenntniß der theatralischen Wirkung absprechen kann. Die Versöhnung, Menscheits haß und Reue, die Huffiten, die Kreuzs fahrer, Hugo Grotius, Johanna von Montfaucon, Rolla's Lod 2c. erregen das lebhafteste und allgemeinste Intereffe, so oft fie aufgeführt werden. Gleichwohl ist auch nicht zu leugnen, daß Kotzebue seinen Personen weder die Farbe des Jahrhunderts, in welchem sie lebten, noch den Charakter giebt, den die Geschichte ihnen beilegt. Seine Personen, aus noch so entlegenen Ländern und Zeiten, zeigen sich als Zeit und Volksgenossen, sprechen und handeln einer wie der andre, entfalten dieselben philosophischen Meis nungen, dieselben modernen Sitten; und sei es ein Mädchen von heute oder eine Sonnenjungs fran, die Herr von Kotzebue auftreten läßt, so stellt er in beiden immer ein und dasselbe natürliche und pathetische Gemålde der gegenwärtigen Zeit auf. Könnte sein theatralisches Talent, welches in Leutsch= land einzig in feiner Art ist, sich mit der Gabe vers einigen lassen, Charaktere zu malen, wie die Geschichte sie aufstellt; könnte seine poetische Sprache fich bis zur Höhe der Situationen erheben, deren finnreicher Erfinder er ist, so würden seine Stücke fich eines eben so dauerhaften Erfolgs zu erfreuen haben, als sie sich jetzt eines glänzenden Beifalls erfrenen.

Uebrigens ist nichts so felten, als in demsels ben Dichter beide Eigenschaften, die den großen Dramatiker ausmachen, beisammen zu treffen, nehm lich die Kunstfertigkeit, wenn ich sie so nennen darf, und den allgemeinen Ueberblick des Genies. Dies

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lauschen; sie entdecken in der Ebene einen langen Zug von Kindern, deren jedes einen Eichenzweig in der Hand hålt; sie begreifen nicht, was dieses bedeute, faffen ihre Speere und stellen sich an den Eingang des Lagers, um einen Ueberfall zu verhindern. Die Kinder gehen ohne Furcht auf den Lanzenwald zu, und die Huffiten treten allmählig und unwills fürlich zurück, so wie jene sich nähern, unmuthig über ihre Menschlichkeit, und einer ungewohnten Empfindung sich bewußt und sich schämend. Pros cop tritt aus dem Zelte, läßt sich den Bürgermeis ster vorführen, der von ferne den Kindern gefolgt war, und befiehlt ihm, seine Söhne zu nennen. Der Bürgermeister weigert sich; die Soldaren můs sen ihn, auf Befehl des Feldherrn, ergreifen, und in diesem Augenblick stürzen die vier Knaben hers vor und umklammern den Vater.,,Jcht kennst ,,Du sie alle," spricht der Bürgermeister zu Procop; ,,sie selber haben sich genannt." Das Stück schließt glücklich der dritte Akt ist ein großes Freudens und Erlösungsfest; aber der zweite ist von großer Wirkung auf dem Theater.

Romanenscenen machen das ganze Verdienst der Kreuzfahrer aus. Ein junges Mädchen, in der Meinung, ihr Liebhaber sei im Kriege geblieben, ist nach Jerusalem in ein Kloster gegangen, worin Kranke und Verwundete gepflegt werden. Man bringt einen Ritter ins Klöster; er ist schwer vers wundet. Die Nonne tritt verschleiert ins Krankens zimmer, kniet, ohne die Augen aufzuheben, nieder, und fängt an, die Wunde zu verbinden. Zufällis gerweise, und mitten im Schmerze, spricht der Ritter halblaut den Namen feiner Geliebten aus; diese Geliebte ist sie; sie erkennt ihn. Er will sie ents führen; die Aebtiffin erfährt das Geheimniß, ers fährt, daß die Nonne einverstanden sei, spricht ihr

in der Wuth das Urtheil, lebendig begraben zu werden. Der unglückliche Ritter schleicht vergebens um die Klostermauern, hört schon in der Kirche die Orgel, und die Todtenfeier für die noch Lebende und ihn Liebende. Die Lage ist herzzerreißend; aber alles löset sich glücklich auf. Türfen, vom jungen Ritter angeführt, stürmen das Kloster, befreien die Schöne. Ein Kloster in Asien wird im dreizehnten Jahrhundert gerade so behandelt, wie die Nonnen in den Victimes cloîtrées von Monvel, zur Zeit der Revolution; so wenig Unterschied weiß Kozebue zwischen Kloster und Kloster, Jahrhundert und Fahrs hundert zu machen; einige humane, und ziemlich lockere Sentenzen führen das Stück zum Schluß, und alles geht fröhlich und befriedigt nach Hause.

Kotzebue hat ebenfalls aus der Anekdote der Verhaftung des Hugo Grotius, auf Befehl des Prinzen von Oranien, und aus seiner Befreiung mit Hülfe einiger Freunde, die ihn in einem Büchers kasten aus dem Gefängniß schaffen, ein Schauspiel gemacht. Er dichtet in diesem Stücke überaus. interessante Situationen; unter andern erfährt ein junger Officier, Liebhaber der Tochter des Grotius, von ihr selbst ihre Absicht, dem Vater zur Freiheit zu verhelfen, verspricht sogar, ihr in der Ausführung behilflich zu seyn; der Commandant, sein Freund, vertraut ihm auf vierundzwanzig Stunden die Fes ftungsschlüssel, weil er sie so lange verlassen muß. Todesstrafe war auf den gesetzt, der den Gefanges nen entweichen lassen würde, follte es der Coms mandant selbst seyn. Der junge Lieutenant, der fich für seines Freundes Leben verantwortlich ges macht, so lange er deffen Stelle vertritt, verhindert den Rettungsplan des Vaters seiner Geliebten, und bringt ihn im Augenblick, wo er in den Kahn treten wollte, ins Gefängniß zurück. Er erträgt mit

Heldenmuth die Vorwürfe, den ganzen Unwillen des jungen Mädchens, die ihn für meineibig bålt; iht kömmt der Commandant zurück, nimmt seine Stelle wieder ein; Grotius Rettung wird ein zweitesmal versucht, gelingt, und der junge Krieger weiß durch eine edle Lüge von den Schuldigen die Todesstrafe auf sich zu lenken. Seine Freude, als. der über ihn ausgesprochene Tod seiner Geliebten die Augen öffnet, ihr die Achtung für ihn abzwingt, ist von großer theatralischer Wirkung; zuletzt zeigt fich aber so viel Edelmuth nicht nur in Grotius, der freiwillig ins Gefängniß zurückkehrt; im Måd, chen, im Prinzen von Oranien,-im Verfasser selbst, daß man zuleht nur Amen zu allem zu sagen braucht. Die Situationen des Stücks sind aus einem französischen Drama entlehnt; nur sind in diesem Drama die Personen erdichtet und unbedeutend; weder Grotius, noch der Prinz von Oranien erscheinen unter ihrem Namen; und das mit Recht, denn im deutschen Stück liegt nichts, was in den Charakter dieser beiden geschichtlichen Personen eins schlüge.

Johanna von Montfaucon ist eine Rits tergeschichte von Kotzebue's eigner Erfindung. Er hat seinen Stoff behandeln und ausmalen können, wie ihm beliebt hat. Eine reizende Schauspieles riu, Madame Unzelmann, gab die Johanna; die Art, wie sie ihr Herz und ihr Schloß gegen einen unritterlichen Krieger vertheidigte, gefiel ungemein auf der Bühne. Abwechselnd kriegerisch und in Verzweiflung; bald von ihrem Helm, bald durch das flatternde Haupthaar verschönert, war sie im mer reizend und interessant. Doch dergleichen Si tuationen sind mehr für die Pantomime als für die Rede geeignet; die Worte dienen den Bewe gungen zur musikalischen Begleitung.

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