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Dieses Chor ist von der größten Wirkung. Wers ner giebt der teutschen Sprache so viel Weichheit, so viel Sanftes, daß die ermüdeten und antheils losen Schatten nur halbgebildete Ldne zu athmen scheinen; jedes Wort, jeder Endreim von ihnen scheint so zu sagen zu verdunsten. Der Sinn der Worte trift mit der Lage vortreflich zusammen; fie malen eine kalte Ruhe, einen verwischten Blick; man hört in ihnen den fernen Nachhall des Les bens, und der blaffe Wiederschein ausgelöschter Eindrücke verbreitet über die Natur einen Wols kenschleier.

Wenn man in Werner Schatten findet, die einst lebten, so findet man auch in seinen Stücken fantastische Personen, die noch nicht gelebt zu has ben scheinen. In Beaumarchais's Prolog zu Las rare frågt ein Genius Wesen der Einbildungskraft, ob sie geboren seyn wollen; eines von ihnen giebt zur Antwort: Ich spüre noch nicht die geringste Neigung tazu. Diese wißige Antwort ließe sich sehr gut auf den größten Theil der allegorischen Figus ren anwenden, die man so gern auf die teutsche Bühne bringt.

Werner hat über die Templer ein Stück in zwei Bånden, die Söhne des Thales, geschrieben. Es ist für diejenigen, die in die Lehre der geheimen Orden eingeweihet sind, von großem Intereffe, denn man findet eher den Geist dieser Orden darin, als die historische Farbe derselben. Der Dichter sucht die Freimaurer an die Templer zu knüpfen; er bemüht sich zu zeigen, daß die nämlichen Ueberlieferungen und der nåmliche Geist in ihnen unveränderlich gewebt und gewals tet hat. Werners Phantasie finder großes Vers gnügen an Verbindungen, die die Spur des Ues bernatürlichen an sich tragen, weil sie auf eine.

außerordentliche Weise die Kraft jedes Einzelnen dadurch vervielfältigen, daß sie Allen dieselbe Tens denz geben. Dieses Stück, oder vielmehr dieses Gedicht, die Söhne des Thales, hat in Deutsch land eine große Wirkung hervorgebracht; ich zweifle, ob es in Frankreich Glück machen würde.

Eine merkwürdige Arbeit Werners hat zur Absicht, die Einführung des Christenthums in Preus ßen und Liebland zu schildern. Dieser dramatische Roman, (er heißt das Kreuz an der Ostsee) trågt das lebendige Gepräge von allem, was den Norden charakterisirte, beschreibt das Bernsteinsams meln, die eisstarren Berge, das rauhe Clima, die schnelle Entwicklung der schönen Jahreszeit, die Feindseligkeit der Natur, die Rohheit, die der Kampf mit Boden und Elementen den Bewohnern mits theilen muß. Man erkennt in allen diefen Gemåls den der Dichter, den aus der Quelle eigener Ges fühle schöpfte, was er ausdrückt und was er bes schreibt.

Ich habe auf einem Gesellschaftstheater ein Stück von Werner, betitelt der vier und zwanz zigste Februar, vorstellen sehen, worüber die Meinungen sehr getheilt sind und getheilt seyn müssen. Der Dichter verseht uns in eine dde Schweizergegend, wohin sich eine Familie vom Lande zurückgezogen, die sich der größten Verbres chen schuldig gemacht, und der Fluch vom Vater auf den Sohn vererbt hatte. Schon erstreckt sich dieser Fluch auf das dritte Glied; der jetzige Bewohner der Eindde hatte seinen Vater zu Tode ges frånkt, der sterbende Vater ihm geflucht. Der Sohn des Elenden spielt in der Jugend mit seiner Schwes ster ein grausames Spiel, tödtet sie, ohne es zu wissen und zu wollen, und entflieht nach der schulds losen Schuld. Nach seiner Entweichung ist der.

Water immer mehr verarmt; kein Segen ruht auf seis ner Hånde Werk; Feld und Garten verdorrt; das Vieh fållt um, er ist in der größten Dürftigkeit; seine Gläubiger drohen ihn aus der Hütte zu stoBen, ins Gefängniß werfen zu lassen; er sieht schon sein unglückliches Weib verlassen, und in den Eisgebirgen umherirrend. In dieser Noth trifft nach einer zwanzigjährigen Abwesenheit sein Sohn unbekannt bei ihm ein. Diesen Sohn bewegen sanfte religiöse Gefühle; er ist voller Reue, obschon seine Absicht, als er Brudermörder wurde, nichts weniger als blutig war. Er will im Vaterhause eine Zeitlang unerkannt bleiben, seinen Namen verbergen, um der Eltern Liebe zu gewinnen, noch ehe sie in ihm den Sohn wiederfanden; aber der Vater, lüstern in seinem Elende nach deni Gelde, was der Fremde bei sich führt, der in seis nen Augen ein Abentheurer ist, stößt ihm rade am vier und zwanzigsten Februar, in der Mitternachtsstunde, am Jahrestage des våterlichen Fluchs, der sich über die ganze Familie erstreckt

ges

ein Meffer in die Brust. Der Sohn entdeckt im Sterben sein Geheimniß dem Mörder, dem doppelt strafbaren Vater und Sohnsmörder, der in seiner Verzweiflung sich vor das Gericht stellt, das ihm sein verdientes Urtheil sprechen soll.

Diese Verwicklungen und Lagen find gråßlich, und bringen (wer wollte es läugnen?) eine große Wirkung hervor; gleichwohl bewundert man mehr die poetische Farbe des Stücks und die immer steigenden Motive der Leidenschaften, als den Stoff und die Grundlage der Handlung.

Das schaudernde Schicksal der Atriden in eine Bauerhütte übertragen, heißt das Gemälde der Verbrechen dem Zuschauer zu nahe rücken. Der

Glanz

Glanz der Hoheit, der Abstand von Jahrhunders ten, theilt der Bosheit selbst eine Art von Größe mit, die sich dem Ideal der Kunst näher anschließt; wo man aber das Messer, statt des Dolches ficht; wo man auf Gegenden, Sitten, Personen stößt, die man täglich vor Augen haben kann, verwandelt sich das edle Entsetzen, welches das Trauerspiel erregen foll, in die gemeine Furcht vor einem meuchelmörderischen Auftritt in einem Gukkasten.

Gleichwohl wird die Seele durch die dem våterlichen Fluche beigelegte Gewalt, wodurch er so zu sagen zur Vorsehung auf Erden wird, mächtig erschüttert. Das Fatum bei den Alten ist eine Laune des Schicksals; das christliche Fatum hinz gégen ist eine moralische Wahrheit unter einer furchtbaren Gestalt. Der Mensch, der seinen Ges wissensbissen nicht nachgiebt, stürzt sich, surch eine Folge des in ihm aufgeregten Gefühls, in neue Verbrechen; das zurückgestoßene Gewissen verwans delt sich in ein Gespenst, welches die Vernunft® verwirrt.

Die Frau des Mörders wird von einem Liede gequält, das ihr beständig gegenwärtig ist, und die Geschichte eines Vatermordes erzählt; allein, selbst im Schlafe, kann sie sich nicht erwehren; es halb-laut herzusagen; es wirkt in ihr, wie jene verworrene unwillkührliche Gedanken, deren trans rige Rückkehr eine innere Ahnung des bevorste henden Schicksals zu seyn scheint.

Die Beschreibung der Alpen und ihrer Dede ist vorzüglich schön; die Wohnung des Fluchbeladenen, die Hütte, worin die Greuel vorgehen, ist abgelegen und einsam; keine Kirchglocke ertönt in der Nachbarschaft; die Stunden werden von einer alten Schlaguhr angezeigt, dem leßten Hausgeråth, v. Staël Deutschland II.

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von dem sich die dürftigen Bewohner nicht trens nen konnten; der einförmige Schlag der Uhr, im Ed cope der Gebirge, wohin kein Leben dringt, erregt ein seltsames Echhaudern. Man frågt sich: wozu braucht es der Zeit an diesem Orte? wozu das Maas der Stunden, wo kein Interesse Abs wechselung in ihre Folge bringt? und die unglücks seligste von allen, die Stunde des Verbrechens, ers innert an den schönen Ausdruck eines Missionårs, der den Verdammten in der Hölle die unaufhörliche Frage in den Mund legte: „Wie hoch ist es an der Zeit?" und denen beständig geantwortet wurde: Die Stunde der Ewigkeit hat geschlagen!"

Man hat Werner den Vorwurf gemacht, er habe in seinen Tragödien Situationen, die mehr den lyrischen Schönheiten Raum geben, als sich zur Entwickelung dramatischer Leidenschaften eigs nen. In seinem Stück der Vier und zwanz zigste Februar könnte man ihm den entgegens gesehten Vorwurf machen. Der Inhalt des Stücks, die Sitten, die es aufstellt, sind der Wahrheit zu nahe gerückt, und zwar einer gråßlichen Wahrheit, die in dem Kreise der schönen Künste keinen Eins tritt finden sollte. Die schönen Künste schweben. zwischen Himmel und Erde; Werners schönes Tas lent erhebt sich bisweilen oberhalb, bleibt bisweis len unterhalb der Regionen stehen, die das Gebiet der Dichtungen sind.

Fünf und zwanzigstes Capitel.

Einzelne Werke der Teutschen und Dänischen Bühne.

Kotzebues dramatische Werke find in mehrere Sprachen übersegt; folglich würde es überflässig

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