Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

Einbildungskraft ein; aber wenn das Mystische immer weiter geht, wenn der Dichter gar vermu, then läßt, eine höllische Macht habe sich ihrer bes meistert; wenn zuleht nicht allein Attila von ihr in der Hochzeitnacht, sondern neben ihm sein vier zehnjähriger Sohn ermordet wird, so entweicht alle Weiblichkeit aus diesem Wesen, und der Abscheu, den fie einflößt, ist stärker als der Schauder, den fie erregt. Gleichwohl ist die Person Hildegunde's eine originelle Dichtung; in einem Epos, welches allegorische Personen zuläßt, würde diefe Furie, sich unter sanften Zügen den Schritten eines Tyrannen wie die treulose Schmeichelei anschmiegend, von großer Wirkung seyn.

Endlich erscheint er, der grause Attila, im Wis derschein der Flammen des brennenden Aquileja. Er setzt sich auf eine der Ruinen von der abges brannten Stadt, und hält sich für den Beauftrags ten der Gottbeit, in Einem Tage das Werk von Fahrhunderten zu vollenden. Er überläßt sich einer Art von Aberglauben gegen sich, ist selbst der Gott, dem er dient, glaubt an sich, betrachtet sich als das Werkzeug der himmlischen Beschlüsse, und diese Ueberzeugung giebt seinen Verbrechen den Anstrich eines Systems von Gerechtigkeit.

wirft seinen Feinden ihre Vergehungen vor, als wå, re er nicht mit schwerern Sünden belastet als sie; er ist wild und wüthend, und dabei doch ein edel müthiger Barbar; er ist Despot, und zeigt sich als einen Sclaven seines Willens; mitten unter dem Raube der ganzen Welt lebt er wie ein gemeiner Krieger, und verlangt von der Erde nichts als die Wonne, sie zu erobern.

Attila verwaltet das Amt eines Richters auf offenem Plate, spricht über die ihm vorgetragenen Beschuldigungen und Klagen mit dem Infincte

[graphic][subsumed]

get, weil es sich so tyrannisch gegen die Welt bes zeigte. Dieses Gemålde ist der Feder eines Tas citus würdig.

Mitten unter diesen nach dem Leben gezeich neten Charakteren zeigt sich der Papst Leo, eine erhabene Person, durch die Geschichte bekannt, und die Prinzessin Honoria, deren Erbtheil Attila von Valentinian zurückfordert, um es ihr wieder zuzustellen. Honoria liebt insgeheim und mit Leidens. schaft den stolzen Hunnenkönig, den sie nie geses ben, für dessen Ruhm sie aber entbrennt. Man sieht die Absicht des Dichters; er wollte Hildes gunde und Honoria zum bösen und guten Geist Attila's machen; und schon schwächt die Allegorie, die man in diesen Personen durchschimmern sieht, das dramatische Interesse, das sie einflößen könn ten. Gleichwohl hebt sich dieses Interesse wieder mächtig in mehrern Scenen des Stücks, und vor allem in der, wo Attila, nachdem er Valentinians Truppen in die Flücht geschlagen, auf Rom loss geht, und auf seinem Wege dem Papst Leo, auf einer Bahre getragen und mit dem kirchlichen Poms pe umgeben, begegnet.

Leo fordert ihn im Namen Gottes auf, sich. zu beherrschen, und nicht nach Rom, nicht in die ewige Stadt zu kommen. Attila wird plöglich von einem religiösen Schrecken ergriffen, der bis her seiner Seele fremd war. Ihn dünkt, er sehe im Himmel den Apostel Petrus, der mit bloßem Schwerte ihm den Eingang verweigert.

Raphael hat in einem seiner schönsten Ges målde Leo's Ankunft bei Attila dargestellt. Einer. seits die größte Ruhe auf dem Gesichte des wehrs losen Greises, den andere Greise, sich auf den Schuß Gottes verlassend, wie er, umgeben. An dererseits spricht Entsetzen aus den furchtbaren

Zügen des Hunnenkönigs; sein Pferd selbst scheut vor dem himmlischen Lichte, und die Krieger des unüberwindlichen Eroberers senken die Blicke vor dem heiligen Mann, der furchtlos an ihnen vor, überzieht.

Die Worte des Dichters drücken den erhabes nen Sinn des Malers vollkommen ́aus. Leo's Rede ist ein Hymnus voll Begeisterung; auch die Art, wie die Bekehrung des Weltüberwinders ans gedeutet wird, scheint mir überaus schön. Attila, der bisher immer unverwandt nach der Stelle, wo Leo gewesen ist, hingeblickt hat, und, was er für eine Erscheinung hält, anstarrt, ruft einen seiner vertrautesten Krieger, Edecon, herbei:

Attila.

Siehst du in jenen Höhen

Nicht einen Riesen, schrecklich anzusehen;
Dort über jener Stelle,

Auf die der Alte stand in Sonnenhelle?

Edecon.

Ich seh nur Raben', die in vollen Zügen,
Nach Lebensnahrung zu den Todten fliegen.
Attila.

Nein, ein gespenstig Wesen,

Und das vielleicht, das binden kann und lösen.
Denn als der Greis die Worte

Gesprochen, flammt es auf an jenem Orte,
Mit drohenden Gebehrden,

Das Haupt am Himmel und den Fuß auf Erden!
Da steht es, ohne Regen,

Und hält ein feurig Richtschwert mir entgegen.

Edecon.

Ich sehe nur der Sonne Feuerglüthen,

Die von den Kuppeln Dems herniederfluthen.
you

Attila.

Ein Tempel von Gold, mit Perlen geschmücket,-
Er trägt ihn auf filberumlocketem Haupt,

Und während die Rechte das Flammenschwert zücket,
Erheber die Linke, mit Rosen umlaubt

Zwei Schlüssel von Erz, die Strahlen ergießen,
Als ob sie, die Thore Walhalla's *) zu schließen,
Der Riese den Händen des Wodan geraubt.

Von diesem Augenblick wirkt die christliche Religion auf Attila's Seele, und, dem Glauben seiner Våter widerstrebend, giebt er seinem Heere den Befehl, sich von Rom zu entfernen.

Man wünschte, das Trauerspiel hier endigen zu sehen, und es enthält Schönheiten für mehr als ein Stück. Aber es folgt noch ein fünfter Act, in welchem Leo, für einen Papst viel zu tief in die Theorie der mystischen Liebe eingeweihet, in derselben Nacht, wo Hildegunde sich mit Attila vermählt, und ihn ermordet, die Prinzessin Honos ria in Attila's Lager begleitet. Der Papst, der diese Begebenheit vorherweiß, sagt sie vorher, ohne sie zu verhindern, denn Attila's Schicksal muß in Erfüllung gehen. Honoria und Leo beten für ihn auf der Bühnes Das Stück schließt mit einem Halleluja, erhebt sich gen Himmel wie ein poetis scher Weihrauch, und verdunstet anstatt zu enden.

In Werners Versen liegen Schäße und Ges heimnisse der Harmonie verborgen; es ist unmög lich, die Schönheit seiner Reimkunst in das Frans zösische überzutragen. Ich erinnere mich unter andern an eine Stelle eines aus der polnischen Geschichte entlehnten Trauerspieles, wo er ein Chor junger Schatten in den Lüften erscheinen läßt.

*) Walhalla ist das Paradies, und Wodan der Hauptgott der Scandinavier.

« ZurückWeiter »