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mir die Fragstellung: 1. deutsch oder dänisch? dann dem deutschen Theil. 2. Augustenburgisch oder preußisch? Viele der großen Grundbefißer und höheren Verwaltungsbeamten würden sich jetzt in letterer Richtung aussprechen." Denkwürdigkeiten aus dem Leben Roons Band II S. 192.

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18) In dem Briefe des Kronprinzen an den Herzog vom 29. Mai heißt es: Viktoria und ich sind sehr glücklich über diese günstige Gestaltung der Dinge." 19) Jansen-Samwer S. 736, Brief v. 15. Juni 1864.

20) Der Staatsministerialbeschluß vom 12. Febrnar 1864 wurde erst 1865 bekannt. Siehe unten.

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21) Die sogenannte Kronprinzenstiftung war von dem kronprinzlichen Paar angeregt. Sie sandten dazu den ersten erheblichen Beitrag. Die Stiftung hatte den Zweck, für die Hinterbliebenen der Gefallenen und für die aus dem Kriege zurückkehrenden erwerbsunfähigen Soldaten zu sorgen. Der Abgeordnete Rechtsanwalt Mellien erbot sich, öffentlich die Gaben, die zu Ehren der Landwehr“ der Wittwe und den Waisen des Landwehrmanns Klincke gewidmet würden, zu verwalten und „der Geber und ihres Sinnes würdig“ zu verwenden. Klincke hinterließ Frau und drei Kinder in dürftigen Verhältnissen.

22) Das Lied von Hoffmann v. Fallersleben der Bürgermeister v. Seckenheim“ (14. November 1844) betrifft eine Landtagswahl in Baden. Der Amtmann (Landrath) warnt die Bauern von Seckenheim, sie sollten nicht liberal wählen. Da antwortet der Bürgermeister (Gemeindevorsteher) „geschwind wie der Wind“: „Herr Amtmann, Herr Amtmann, ei was er auch spricht

Von Nußen und Schaden, das kümmert uns nicht.

Wir wählen nach unserem Bauernverstand

Zum Besten für uns und das Vaterland.

Wir Bauern, wir brauchen zu unserm Gedeihn

Nichts weiter als Regen und Sonnenschein.

Und Regen und Sonnenschein gebt ihr uns nicht,

Und Regen und Sonnenschein nehmt ihr uns nicht.“

Hoffmanns Werke, herausgegeben von Gerstenberg, Berlin 1891, Bd. 5, S. 21. Hoffmann erzählt im 4. Bande seiner Aufzeichnungen „Mein Leben“, daß er am 14. Mai 1847 bei einem politischen Gastmahl mit Stuttgarter Liberalen bei EBlingen in Württemberg das Lied vor ländlichen Wahlwännern zum allgemeinen Jubel der Bauern gesungen habe.

23) Bismarck hatte schon von Paris aus in einem Briefe vom 15. Juli 1862 an den damaligen Minister Graf Bernstorff die Vermuthung ausgesprochen, daß die Kreisrichter des Abgeordnetenhauses, wenn sie von den Kosten ihrer Stellvertretung hörten, vielleicht vernünftiger" werden würden. (Siehe Kohl, Bismarck-Jahrbuch Bd. 6 S. 158.) Dieser erst nach Bismarcks Tode veröffentlichte Brief ergänzt den im 2. Bande dieses Buches S. 61 besprochenen Brief an Roon vom 15. Juli 1862. Die drei Obertribunalräthe Waldeck, Frech und Reichensperger hatten keine Stellvertreter, weil sie ihre Arbeiten auch während der Session selbst erledigten.

24) Erst am 24. Oktober 1869 wurde vom Staatsministerium beschlossen, die Stellvertretungskosten unmittelbarer Staatsbeamten bis auf Weiteres auf Staatsfonds zu übernehmen. Auch die Urtheile des Disziplinarsenats des Obertribunals gegen Richter wegen politischer „Agitation“ verstießen gegen das Gesetz nach der bis dahin unwidersprochenen Auslegung. Es konnten in Preußen richterliche Beamte früher stets nur durch Urtheil der ordentlichen Gerichte ihres Amtes entlassen werden.

Ein Disziplinargesetz vom 29. März 1844 wurde in Bezug auf den Richterstand durch Verordnung vom 6. April 1848 aufgehoben. Erst aus einer oktroyirten Verordnung vom 10. Juli 1849 ist das Disziplinargefeß gegen richterliche Beamte vom 7. Mai 1851 hervorgegangen. In diesen findet sich zuerst die Bestimmung, wonach als ein Dienstvergehen zu erachten ist, wenn ein Richter sich durch sein Verhalten in oder außer dem Amte der Achtung, des Ansehens oder dez Vertrauens, die sein Beruf erfordert, unwürdig zeigt. Zuerst in einem Disziplinarurtheil des Obertribunals vom September 1863 wurde ausgeführt, daß

das Verhalten eines Beamten in politischen Angelegenheiten vom Gesichtspunkt seiner besonderen Dienstpflichten beurtheilt werden müsse.

Ein Urtheil des Disziplinarsenats vom 3. Oktober 1864 führte dann aus, daß ein Beamter seine Amtspflicht verlege, wenn er eine Thätigkeit entwickele, durch die er sich mit den Anschauungen und Auffassungen der Staatsregierung in Widerspruch seye; auch das Vertrauen des Ministeriums erfordere sein Beruf. Damit war die Unabhängigkeit der Richter in Preußen gebrochen.

25) Friedjung Bd. I S. 161 scheint irrthümlich anzunehmen, es handle sich in dem Ausspruch Lassalles um das Wahlrecht zu einem deutschen Parlamente.

26) Der Bericht, den der 36 er Ausschuß über seine und seiner geschäftsleitenden Kommission Thätigkeit in der Zeit vom 22. Dezember 1863 bis 30. September 1865 der zu Frankfurt am 1. Oktober 1865 stattfindenden Versammlung der Mitglieder deutscher Landesvertretungen vorlegte, sagte bei einer Mittheilung über die Betheiligung der Abgeordneten an der Rechtsverwahrung vom April 1864: „Es waren zumeist der privilegirte Adel, die ultramontane Partei, der annexionssüchtige Partikularismus in Preußen und die Führer des deutschen Reformvereins, welche sich dieser gemeinsamen Kundgebung in einer nationalen Sache entzogen." Waldeck, Mellien und ihre Freunde gehörten nicht zu dem annexionssüchtigen Partikularismus.

Achtundzwanzigstes Kapitel.

Das vierte Jahr des Verfassungskonfliktes und des budgetlosen Regiments bis zum Schluß der Seffion (17. Juni 1865).

Am 29. Dezember 1864 wurde der Landtag zum 14. Januar 1865 einberufen. Friz Harkort veröffentlichte am 2. Januar an seine Wähler in der Hagener Zeitung eine Erklärung über das Verfahren, welches das Abgeordnetenhaus in dieser kritischen Zeit dem Ministerium gegenüber einzuhalten habe. Mit ihrem Inhalt war wohl die Mehrheit auch der Abgeordneten der Fortschrittspartei einverstanden. Harkort hatte in Sachen Schleswig-Holsteins stets mit der Mehrheit gestimmt, aber die Rechtsverwahrung der Abgeordneten nicht unterzeichnet. In seiner Erklärung heißt es:

„Vor allen Dingen gilt es, zäh und besonnen, nicht durch Kompromisse vom Rechte zu weichen, die Verfassung muß Richtschnur bleiben, dann wird die Session nicht unfruchtbar sein.

Zunächst sind die Wünsche und Beschwerden des Landes gründlich zur Sprache zu bringen. Die Gesetzgebung stockt, es fehlen z. B. das Schulgeseß, das Berggesez, die Revision der Eisenbahngeseße, die Regulirung der drückenden Einquartierungslasten, die verbesserte Gemeinde- und Kreisordnung 2. Eisenbahn- und

Kanalanlagen, die auffallende Nichtbestätigung der Gemeindewahlen, die Lage der Presse, die Häusersteuer und andere Dinge bieten Arbeit vollauf.

Die Berathung des Budgets muß in gewohnter pünktlicher Weise, nicht voreilig, erfolgen, damit das Land sehe, daß wir das Unsrige thun.

In Betreff der Reorganisation des Heeres, Linie und Landwehr bleibt das Gesetz von 1814 maßgebend, bis ein neues mit der Volksvertretung vereinbart ist; auf diesem Wege wird sich die zweijährige Dienstzeit finden.

In Marinesachen müssen die so nöthigen Reformen mit den Billigungen gleichen Schritt halten.

Was Schleswig-Holstein anbelangt, so hat das Haus bereits in voriger Session eine seiner würdige Stellung eingenommen. Ehrlich währt am längsten. Bundesland kann man nicht annektiren, ohne die Bewohner zu fragen, denn die Völker sind dem Begriffc, eine Heerde zu sein, entwachsen. Dagegen kann Preußen ver= langen, daß in den Herzogthümern nicht ein zweites Hannover entstehe; eine Hafenstation in Ost- und Nordsee, die Durchführung des Kanals zwischen beiden Meeren und der Anschluß an das preußische Heer sind Forderungen, welche durch die gebrachten Opfer wohl begründet erscheinen.

„Keine neuen Steuern oder Anleihen, bevor die Beschwerden erledigt sind,“ das ist der Grundsaß jener uns einst aus hohem Munde empfohlenen Erbweisheit!“

Der König eröffnete den Landtag in Person. In der Thronrede erklärte er es für seine landesherrliche Pflicht, die bestehenden Einrichtungen des Heerwesens aufrecht zu erhalten und auf der gegebenen Grundlage zu höherer Vollkommenheit auszubilden. Er erwartete dazu die verfassungsmäßige Mitwirkung beider Häuser des Landtags. Ein Plan zur Erweiterung der Flotte, ein Invalidenpensionsgesetz und Vorlagen über die durch den ohne Anleihe geführten Krieg veranlaßten Kosten wurden angekündigt; ferner die Entwürfe einer allgemeinen Wegeordnung, eines allgemeinen Berggesetzes und Vorlagen wegen Erweiterung und Vervollständigung des Eisenbahnnezes u. s. w. u. s. w. Sein dringender Wunsch sei auf Ausgleichung des Konfliktes gerichtet; die der Landesvertretung durch die Verfassungsurkunde eingeräumten Rechte zu achten und zu wahren, sei er auch ferner entschlossen. Ein Einverständnis mit der Landesvertretung könne die Regierung nicht anders erstreben, als unter Aufrechterhaltung der Heereseinrichtung.

Dunkel waren die Aussprüche der Thronrede über die schleswig-Holsteinische Frage. Es solle versucht werden, die berechtigten Forderungen in Betreff der durch den Frieden mit Dänemark Deutschland zurückgegebenen Nordmarken „mit allen begründeten Ansprüchen so des Landes wie der Fürsten in Einklang zu bringen." Um einen sicheren Anhalt für seine Beurtheilung der streitigen Rechtsfragen zu gewinnen, habe er die Syndici „seiner

Krone ihrem Beruf entsprechend zu einem Rechtsgutachten aufgefordert."

Die neue Geschäftsordnung bestimmte, daß das Haus sich unter dem Vorsitz des Präsidenten der voraufgegangenen Session provisorisch zu konstituiren habe. Grabow eröffnete die erste Sizung mit einer patriotischen Ansprache.

„Die Befreiung und Trennung der deutschen Herzogthümer von Dänemark hat ein aus den verschiedenen Waffengattungen und Dienstaltern unseres tapfern Volks in Waffen gebildetes, heldenmütiges Heer im Vereine mit Oesterreichs braven Kriegern unter der kühnen Führung eines ruhmgekrönten Hohenzollern und unter Mitwirkung unserer jungen, in der Feuertaufe glänzend bewährten Marine mit seinem Blute siegreich erkämpft, und das vom trozigen Nebermuthe gebeugte deutsche Recht wieder hergestellt.

Die Erstürmung der Düppler Schanzen, der Uebergang nach Alsen reihen sich den Thaten glorreich an, welche Preußens Waffenruhm unsterblich gemacht haben.

Die Scharte von Olmüß ist ausgeweßt, der Londoner Vertrag vom 8. Mai 1852 zerrissen, Preußens verpfändete Ehre auf Schleswigs Fluren ruhmreich eingelöst."

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In der Zusammensetzung des Abgeordnetenhauses hatte sich wenig geändert. Die Ersazwahlen seit Schluß des vorigen Landtages waren sämtlich zu Ungunsten der Regierung ausgefallen. Sybel hatte im Oktober 1864 das Mandat wegen körperlicher Leiden niedergelegt mit einer Ansprache an die Wähler, in der er erklärte, es werde ihm äußerst schwer, zurückzutreten, ehe unser Kampf für die wahren Interessen der Monarchie und des VaterLandes ausgetragen ist." Für ihn wurde der zur Disposition gestellte Oberstaatsanwalt Kanngießer in Greifswald gewählt, der dem linken Zentrum, von 1866 der nationalliberalen Partei angehört hat. In Breslau hatte Pflücker, in Berlin IV Temme das Mandat niedergelegt. In Breslau wurde der frühere Oberbürgermeister von Brandenburg, Franz Ziegler, und in Berlin IV der Gerichtsassessor Eduard Lasker gewählt.1)

Die Session des Abgeordnetenhauses dauerte vom 14. Januar bis 17. Juni; es war die längste seit Revision der Verfassungsurkunde. Der seit drei Jahren (Anfang 1862) bestehende Konflikt wurde nicht ausgeglichen und auch nicht gemildert.

Am 16. Januar war Präsidentenwahl. Grabow war mit 222 von 256 Stimmen gewählt. Er dankte mit der Bitte um Unterstützung in Ausübung seines Amtes. Daran schloß er eine Ansprache:

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Meine Herren! Bei unserer leßten Entlassung ward „einstweilen auf die Hoffnung einer Verständigung mit diesem Hause verzichtet.“

Seitdem sind Verfolgungen der liberalen Presse, Disziplinirungen der liberalen Beamten, Nichtbestätigungen der liberalen Kommunalwahlen, Verunglimpfungen, Verdächtigungen und Verleumdungen der liberalen Staatsbürger in noch stärkerem Maße als in den früheren Jahren, hervorgerufen. Die liberale Gesinnung ist in den Bann gethan. Die Ueberzeugungstreue, der schönste Schmuck des altpreußischen Beamten, ist in die neupreußische Acht erklärt. Die Art wird an den seit 1808 die schönen Früchte „Gemeinsinn und Gemeinwohl“ tragenden Baum der Selbstverwaltung der Städte und Gemeinden gelegt, um die dreimal erprobte öffentliche Meinung, die stärkste Macht im Staate, zur Umkehr zu stimmen, das Abgeordnetenhaus zur Unterwerfung zu zwingen und damit der Verfassung die Lebensadern zu unterbinden.

Doch das Gewissen des preußischen Volkes und seiner erwählten Vertreter, welche vor Gott und der Krone geschworen haben, die Verfassung gewissenhaft zu beobachten", läßt sich durch keine Macht der Erde in Heilighaltung der verfassungsmäßigen Rechte der Krone und des Volkes beugen. Den königlichen Wahlspruch:

Nur, wer sich auf den Fels des Rechtes stellt,

Der steht auf dem Fels der Ehre und des Sieges.

haben auch wir zu dem unsrigen erforen. Unter diesem Banner können wir die schon seit Jahren auch von uns dringend gewünschte, aber bisher vergeblich er= strebte Verständigung nur auf einem Wege finden, der es uns möglich macht, die beschworenen und unserer gewissenhaften Treue anvertrauten Rechte des Volkes nicht preiszugeben.

Möge die königliche Staatsregierung mit uns einen solchen Weg betreten zum Heil und Frommen unseres Vaterlandes, dessen Wohlfahrt und Ehre wir zu allen Zeiten in unserm treuen Preußenherzen hoch und heilig halten."

Unruh wurde mit 180 von 243 und Bockum-Dolffs mit 180 von 227 Stimmen zu Vizepräsidenten gewählt.

Die zweite Rede Grabows, gegen die Minister Graf Eulenburg am folgenden Tage protestirt hatte,2) wurde von der konservativen und altliberalen Presse heftig angegriffen. Sie sollte daran schuld sein, daß das Ministerium keine Verständigungsversuche machte.

Die Session nahm zunächst den gewöhnlichen Verlauf. Die Minister brachten eine größere Anzahl kleinerer Geseze ein, der Finanzminister Bodelschwingh das Budget. Von den Klerikalen Reichenssperger und den Konservativen Wagner-Neustettin und Genossen. wurden Entwürfe zu einer Adresse an den König eingebracht. Sie famen am 24. Januar zur Schlußberathung. Auf Antrag des Referenten Twesten wurde beschlossen, beide Anträge abzulehnen.

Das Budget ging mit allen Anlagen wie in früheren Jahren zur Vorberathung an die Budgetkommission, nachdem ein Antrag von Hennig auf Vorberathung im Hause abgelehnt war.3)

Die Budgetkommission, Hoverbeck gehörte ihr an, konstituirte sich wiederum unter dem Vorsiz von Bockum-Dolffs. Sie hatte in

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