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die Rede, obschon sich auch Roon bei den Letteren „besonders energisch“ für seine Wahl ausgesprochen. Das Breslauer liberale Wahlkomitee hatte Professor Röpell empfohlen. Röpell wurde gewählt und war „so naiv,“ Bernhardi vor der Eröffnung des Parlaments am 24. Februar in Berlin zu besuchen. Bernhardi sprach zu ihm „nach Verdienst“ von der Hirschberger Wahl, so daß er „von dem lebhaften Verlangen ergriffen wurde," wieder aus dem Zimmer zu kommen. Bernhardi gab troßdem die Hoffnung nicht auf, noch in den Reichstag zu kommen. Minister Eulenburg hatte versprochen, ihn für eine Nachwahl zu empfehlen.

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Bernhardis Wahl ist nicht, wie sein Sohn meint, „im Wesentlichen durch allerhand lichtscheue Machenschaften der Liberalen“ unmöglich geworden. Seine Unkenntniß der preußischen Parteiverhältnisse und seine Abneigung, sich besser zu unterrichten, tritt im siebenten Theil seiner Tagebuchblätter immer greller hervor. Grabow bleibt bei ihm eine Hauptperson in der Fortschrittspartei (Bd. VII S. 271). „In Berlin sind sechs feuerrothe Demokraten gewählt; darunter der Erzdemokrat Lasker, der demokratische Jesuit Waldeck, Schulze-Delizsch, der Preußen den Großstaatkisel austreiben will". (Bd. VII S. 334).

Den späteren Justizminister Friedberg verdächtigt er, daß er den Kronprinzen und die Kronprinzessin im Interesse der Juden beeinflusse, es auch so einrichte, daß der Kronprinz vielfach mit Virchow und Twesten zusammenkomme. Er ist entseßt, als er im April Virchow in einer Gesellschaft beim Kronprinzen trifft. Wiederholt scheint er seinem Freunde May Duncker seine antisemitischen Abneigungen vorgetragen zu haben, ohne zu ahnen, daß dessen ausgezeichnete Mutter die Tochter eines jüdischen Bankiers war! (Haym-Duncker S. 5. Bernhardi Bd. VII S. 311, 315, 318, 335, 355.)

7) Ueber die Fraktionen des konstituirenden Reichstages siehe Parisius „Deutschlands politische Parteien“ S. 90.

8) Der Brief Witts ist bei Hensel S. 165 gekürzt und verstümmelt abgedruckt. 9) Nach der Verfassung mußte zwei Mal abgestimmt werden. Im Ganzen stimmten 53 Fortschrittsmänner gegen die Verfassung. Beißke aber starb zwischen der 1. und 2. Abstimmung. Beurlaubt fehlte das erste Mal Berger-Solingen, das zweite Mal Chomse. Demnach wurden das erste Mal 51, das zweite Mal 50 fortschrittliche Stimmen gegen die Verfassung abgegeben. Für die Verfassung stimmten 9 von der Fortschrittspartei Bassenge, Baur, Coupienne, Lesse (später nationalliberal), Qual, Rondé, Schanz, Selten, Weese.

10) Wörtlich aus meiner Schrift: „Die deutsche Fortschrittspartei von 1861 bis 1878" Berlin 1879. S. 25 f.

11) Das Programm ist wörtlich abgedruckt mit allen Unterschriften in meinem Buche über die politischen Parteien. S. 99 bis 103.

12) Er verstand sich auf die Schafzucht. Es heißt in dem Briefe: „Daß ich durch diese Kreuzung die Konstanz der Heerde veringere, weiß ich wohl; wenn aber nur das erste Produkt gut ist, und man dann je nach dem Bedürfniß des Marktes fortzüchtet, wird wenigstens so viel zu erreichen sein, daß man Wollreichthum und Mastungsfähigkeit verbindet; auf Bockzucht verzichte ich."

13) In Allenstein - Rössel fand die Nachwahl erst am 10. Oktober statt. Die konservativen Landräthe stellten den bekannten Eisenbahngründer Dr. Strousberg als konservativen Kandidaten auf, die Liberalen Hoverbeck, der ja, falls er dort gewählt wäre, sein Berliner Mandat zu Gunsten des Allensteiner niedergelegt haben würde; aber er fiel mit 3109 gegen 3490 Stimmen durch.

14) Näheres über diesen Wahlkampf siehe in meinem Buche über Deutschlands politische Parteien. S. 106.

Fünfunddreißigstes Kapitel.

Norddeutscher Reichstag I. Session und die Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhause.

Die erste Session des Reichstages des norddeutschen Bundes wurde vom Könige am 10. September 1867 eröffnet. Die Verfassung des norddeutschen Bundes war in allen Bundesstaaten auf verfassungsmäßigem Wege Geset geworden. Ein Vertrag mit den süddeutschen Staaten sicherte Fortdauer des Zollvereins. Wichtige Geseze über die Freizügigkeit, über die Verpflichtung zum Kriegsdienst, über das Paßwesen, über Maß- und Gewichtsordnung, über Postwesen u. s. w. wurden in der Thronrede angekündigt.

Die Session dauerte nur bis zum 26. Oktober. Simson wurde wieder Präsident.

Hoverbeck trat erst am 27. September in den Reichstag ein. Er wurde sofort in die Militärkommission (zur Vorberathung des Gefeßentwurfs, betreffend die Verpflichtung zum Kriegsdienste) gewählt.

Es war schon früher beschlossen, den Haushaltsetat im Plenum, dagegen Gesezentwürfe über das Postwesen und über die Erhebung einer Abgabe für Salz in Kommissionen zu berathen. Der lettere Entwurf schloß sich dem vom preußischen Landtage angenommenen Gesetz an. Unter Aufhebung des Salzmonopols sollte für das zum inländischen Verbrauch bestimmte Kochsalz eine Abgabe von zwei Thalern für den Zentner gezahlt werden. Der Entwurf stützte sich auf eine im Mai geschlossene Uebereinkunft mit den süddeutschen Staaten, mit denen der Zollverein zunächst bis Ende 1877 und, wenn nicht ein Jahr vorher gekündigt würde, noch zwölf Jahre weiter fortgesezt werden sollte. Hoverbeck beantragte mit Unterstützung der fortschrittlichen Parteigenossen, in dem § 2 durch Einfügung der Worte „bis längstens zum 31. Dezember 1877" die Erhebung der Salzsteuer bis dahin zu begrenzen. Bei der Berathung vom 30. September begründete er den Antrag. Er berechnete in Uebereinstimmung mit den Angaben der Regierung die Höhe der Steuer auf zehn Silbergroschen pro Kopf.

„Das aber ist für die unteren Volksklassen eine Höhe der Besteuerung, welche es rechtfertigt, wenn aus dieser Klasse Klagen über Steuerüberbürdung fort

und fort erhoben werden. Ich bin keineswegs gewillt, ungerechtfertigte Wünsche der Arbeiterbevölkerung zu befürworten, aber wo ihnen wissentlich und ersichtlich Unrecht geschieht durch die Art der Besteuerung, da scheint es mir doppelt unsere Pflicht zu sein, ihnen zu ihrem guten Rechte zu verhelfen.“

Wie im preußischen Abgeordnetenhause erklärten sich auch hier Abgeordnete aller Parteien eifrig für möglichst schleunige Abschaffung der Salzsteuer, allein der Antrag Hoverbeck wurde mit 143 gegen 52 Stimmen verworfen. Die große Mehrheit des Reichstages begnügte sich auf Antrag der Konservativen,

„den Bundeskanzler aufzufordern, auf möglichst schleunige Herabseßung der Transportpreise für das Salz auf den Eisenbahnen .. sowie auf eine allmälige Herabseßung der Salzsteuer Bedacht zu nehmen."1)

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Einen Erfolg hat die Aufforderung nicht gehabt.

Hoverbeck hat in dieser Session noch einige Male das Wort ergriffen; zunächst bei einer Wahlprüfung. Harkort hatte sich entschließen müssen, eine Kandidatur im Kreise Hagen gegen seinen alten Freund und Landsmann Georg v. Vincke anzunehmen. Letterer hatte im konstituirenden Reichstag in der Regel mit der äußersten Rechten gestimmt. Harkort aber hielt zur Opposition fester wie je zuvor. Sein Wahlprogramm war eine öffentliche Erklärung:

,,Keine neuen Steuern!

Gründe: Nach Herrn v. Manteuffel hat die Regierung heidenmäßig viel Geld. Bestehende Steuern wachsen und werden nach der Verfassung unweigerlich forterhoben. Dagegen gehen Handel und Wandel schlecht, weil die Vertrauensseligkeit fehlt, und der Volksbeutel leidet an der Schwindsucht."

Außerdem hatte er einen Wahlspiegel für Arbeiter, Bürger und Bauern geschrieben, in dem er heftig auf die Nationalliberalen schalt.2)

Harkort siegte über Vincke erst in der Stichwahl mit 6557 gegen 5746 Stimmen. Im ersten Wahlgange hatte Vincke 3653, Harkort nur 2985 Stimmen erhalten. Harkort schloß sich jezt der Fortschrittspartei an. Bei der Stichwahl sollten Ungehörigkeiten zu seinen Gunsten vorgekommen sein. Die Abtheilung, der die Wahlprüfung oblag, beantragte Beanstandung und Beweisaufnahme. Hoverbeck unterstüßte den Antrag, wünschte aber gerichtliche Vereidigung der Zeugen:

Im Allgemeinen glaube ich, liegt es im Interesse des Reichstages, bei den Wahlprüfungen so streng als irgend möglich zu verfahren, und es ist für mich eine große Freude, daß es mir möglich wird, hier in einem Punkte für eine strenge Wahl aufzutreten, die wenigstens den Verdacht ausschließt, daß man seinerseits eine gewisse politische Richtung begünstigen wolle."

Die Wahl wurde zwar beanstandet, aber nach erhobener

Beweisaufnahme erst in der folgenden Session im Juni 1868 für gültig erklärt.

Der Gesezentwurf, betreffend die Verpflichtung zum Kriegsdienste wurde, entsprechend den Anträgen der Kommission, im Wesentlichen angenommen und endete den langjährigen Streit zwischen Volksvertretung und Regierung in Preußen in allen Punkten zu Gunsten der Regierung.

Die Fortschrittspartei, die Hoverbeck in der Kommission vertreten hatte, stellte eine Reihe Abänderungsanträge. Hoverbeck begründete diese in den Sizungen vom 17. und 18. Oktober, doch wurden die meisten abgelehnt. So wurde ein Antrag, der hindern sollte, daß die Reservisten auch wegen „nothwendiger Verstärkungen" des Heeres eingezogen werden dürften, und dadurch wie Hoverbeck sagte, der größte Theil der waffenfähigen Mannschaft der Willkür der Militärbehörde preisgegeben würde, mit 165 gegen 81 Stimmen abgelehnt. Bismarck, Moltke und Roon hatten den Antrag bekämpft, für den dessen ungeachtet Forckenbeck, v. Hennig, Lasker, Twesten und Unruh stimmten. Hoverbeck sprach in der Rede zur Generaldiskussion über Mittel, Kriege zu hindern:

„Sorgen Sie für ein mäßiges Angriffsheer und für ein möglichst starkes Vertheidigungsheer, dann wird es das Interesse aller Staaten sein, nicht anzugreifen. Ich sage das Interesse aller Staaten, ich könnte mich noch anders ausdrücken. Das Interesse der Völker ist es niemals, anzugreifen, nach dem Interesse der Völker würde niemals ein Krieg entstehen. Aber Sie werden selbst die Gewalt= haber, die augenblicklich die Geschicke der Völker in der Hand haben, verhindern, einen großen Krieg anzufangen, wenn diese Gewalthaber sich sagen müssen: Du bist schwach im Angriff, stark nur in der Vertheidigung."

Ohne Erfolg sprach er gegen die Wiederherstellung der Rechte der mediatisirten Standesherren auf Befreiung von der Wehrpflicht. Mehr Glück hatte er mit den Ausführungen gegen die Dienstbefreiung der „frommen und wehrlosen Mennoniten", deren „zarte Gewissen" Anstoß nehmen, den Feind zu tödten:

„Die Mennoniten wollen den Feind nicht in der Schlachtordnung erlegen; es hindert aber nichts, daß sie unsere Gefallenen und Verwundeten aus derselben zurückholen. In den Krankenträgerkompagnien ist für sie Plaz."3)

Hoverbeck nahm am 23. Oktober Gelegenheit, den Schuß des Präsidenten Simson für ein Mitglied des Hauses gegen ein Mitglied des Bundesraths zu verlangen. Der fürstlich detmoldische Bundesrathsbevollmächtigte Kabinetsminister v. Oheimb (vorher und nachher preußischer Landrath) hatte erklärt, daß er einen Ausdruck in der Petition, die von dem Abgeordneten für LippeDetmold, Hausmann,) herrührte, mit Verachtung zurückweise.

Simson erwiderte, ein Mitglied des Bundesraths dürfe er nach der Verfassung nicht unterbrechen. Würde die Ordnung des Hauses durch ein Mitglied des Bundesraths verlegt, so würde er diesem erklären, daß er ihn zur Ordnung rufen würde, wenn er Mitglied des Reichstages wäre. Hoverbeck erklärte :

„Ich glaube, die Macht des Präsidenten geht dahin, Jeden, der hier im Hause das Wort ergreift, auf die parlamentarische Ordnung zurückzuweisen, und das, glaube ich, gilt für jedes Mitglied des Hauses wie des Bundesraths."

Oheimb nahm den beleidigenden Ausdruck zurück.

Die Session des Reichstages ward am 26. Oktober vom Könige mit einer Thronrede geschlossen, voller Lob über patriotischen Ernst und anstrengende Thätigkeit der Abgeordneten. hieß darin:

„Die von Ihnen berathenen Geseze über den Bundeshaushaltsetat, über die Verpflichtung zum Kriegsdienst, über die Freizügigkeit, das Postwesen, den Posttarif, das Paßwesen, die Besteuerung des Salzes, die Nationalität der Kauffahrteischiffe, die Ausbildung der Kriegsmarine und der Küstenvertheidigung, über die vertragsmäßigen Zinsen und die Bundeskonsulate haben in der Form, welche sie durch Ihre Beschlüsse erhielten, die Zustimmung des Bundesrathes gefunden.“

Auch wurde die Hoffnung ausgesprochen, daß in Folge des Vertrages über die Fortdauer des Zollvereins im Verhältniß zu allen süddeutschen Staaten die Reichstagsabgeordneten sich bald wieder in Gemeinschaft mit Abgeordneten aus Süddeutschland zum Zollparlament versammeln würden.

Die preußischen Reichstagsabgeordneten hatten sich während der kurzen Reichstagssession auch mit Vorbereitung der bevorstehenden Wahlen zum Abgeordnetenhause zu beschäftigen. Das Abgeordnetenhaus war am 22. September wegen des nothwendigen Hinzutritts von 80 Abgeordneten aus den annektirten Provinzen aufgelöst worden. Die Urwahlen waren auf den 30. Oktober, die Abgeordnetenwahlen auf den 7. November an= gesezt. Mit seinem nationalliberal gewordenen Spezialkollegen Forckenbeck (siehe oben Seite 93) hatte Hoverbeck sich jedenfalls bald nach seiner Ankunft in Berlin ausgesprochen.") Bis kurz vor den Urwahlen erklärte Forckenbeck, kein Mandat für das neue Abgeordnetenhaus annehmen zu wollen. Daß er in Königsberg nicht wiedergewählt werden würde, glaubte er nach der ungünstigen

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