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Der von Paur vorgeschlagene Gesezentwurf wurde im Abgeordnetenhause mit 178 gegen 108 Stimmen angenommen, vom Herrenhause aber abgelehnt.

Gegen das Salzmonopol hatte Hoverbeck schon 1849, zu einer Zeit, wo er sich grundsäßlich zu keiner politischen Partei bekannte, in Witts Dorfzeitung populäre Aufsäße geschrieben (siehe Band I, Seite 109 ff.). Jezt wurde von der Regierung ein Geseßentwurf vorgelegt, wodurch sie ermächtigt werden sollte, das Salzmonopol aufzuheben, aber eine Salzsteuer von zwei Thalern für den Zentner Kochsalz einzuführen, bei Steuerfreiheit allen Salzes zu landwirthschaftlichen und gewerblichen Zwecken. Das Weitere sollte durch Verträge mit den Zollvereinsstaaten festgestellt werden. Der Antrag wurde von den vereinigten Kommissionen für Finanzen und Zölle (Krieger-Berlin Berichterstatter) und für Handel und Gewerbe (Dr. Hammacher Berichterstatter) berathen und von der Mehrheit mit Aenderungen, denen die Regierung zustimmte, angenommen. Zugleich wurde einstimmig beschlossen, die Regierung aufzufordern, auf eine allmälige Herabsetzung der Salzsteuer und auf die Beseitigung der bei den übrigen Zollvereinsstaaten etwa entgegenstehenden Hindernisse Bedacht zu nehmen. Allseitig wurde ange= nommen, daß es unmöglich sei, die Salzsteuer, die jährlich 6 Millionen. Thaler einbrachte, sofort aufzuheben. Hoverbeck aber meinte, es müsse im Gesez sichergestellt werden, daß das Salz möglichst bald völlig steuerfrei werde. Er sagte bei der Plenarberathung am 1. Februar:

..„Nächst dem Salzmonopol... ist die schlechteste Steuer, die ich mir überhaupt denken kann, die Salzsteuer, die drückendste, weil sie die ungerechteste ist. Die Kommissionsvorlage sagt, sie wäre so schlimm, wie eine Kopfsteuer. Nach meiner besten Ueberzeugung ist sie noch schlimmer, denn sie trifft den Kopf des ärmeren Mannes stärker, als den des wohlhabenden.

Meine Herren! Ich habe Gelegenheit gehabt, das aus nächster Nähe zu untersuchen. Ich bin der Ueberzeugung, daß der arme Mann mehr Pfund Salz das Jahr über verbraucht und seiner Gesundheit wegen verbrauchen muß, als der Wohlhabende. Sehen Sie sich die nahrungslosen Stoffe an, mit denen sich der arme Mann ernähren muß. Die einzige Würze, die er hat, ist das Salz; es find bedeutend große Quantitäten, die er verspeisen muß, um sein Leben zu erhalten, und dafür verbraucht er entschieden mehr Salz, als der Reiche. Ich muß gestehen, daß, wenn ich mir denke, es könnte der böse Feind aufgerufen werden, um eine Steuer auszuwählen, welche die allerdrückendste und ungerechteste wäre, er sich für eine hohe Salzsteuer erklären würde. . . . Mein Standpunkt ist der: Wir müssen die Salzsteuer aufheben, weil dies unsere moralische Verpflichtung ist. Sie sehen auch, daß ich wünsche, diese Steuer könnte heute schon vollständig aufgehoben werden. Das aber erkenne ich allerdings als unmöglich an.“

Hoverbecks Antrag war nach Ansicht Vieler recht bescheiden.

Danach sollte die Steuer von zwei Thalern für den Zentner Kochsalz nur noch drei Jahre, also bis zum 1. Januar 1870 erhoben werden, dann aber von drei zu drei Jahren sich um zehn Silbergroschen vermindern, so daß sie vom 1. Januar 1882 bis 1885 nur noch zehn Silbergroschen betrüge und dann vom 1. Januar 1885 an feine Steuer mehr erhoben würde. Nicht bloß Twesten sprach die Hoffnung aus, daß man bis 1885 ohnehin zur Aufhebung der Salzsteuer gelangt sein würde, sondern auch v. Blanckenburgerklärte, nach seinen Wünschen ginge es viel zu langsam, wenn noch bis 1885 die Salzsteuer erhoben werden würde. Hoverbecks Antrag wurde verworfen; ebenso ein Antrag Virchows, der in der Meinung, es werde wohl nie eine preußische Landesvertretung geben, die nicht das Prinzip der fortschreitenden Ermäßigung und der endlichen Abschaffung der Salzsteuer auf ihre Fahnen schriebe, beantragt hatte, die Steuer zunächst nur auf drei Jahre zu bewilligen. Die Mehrheit begnügte sich nach Annahme des ganzen Gesezes, mit der von der Kommission vorgeschlagenen Resolution für allmälige Herabsehung der Salzsteuer. Hoverbeck bemühte sich im norddeutschen Reichstage (September 1867) vergeblich, die Aufhebung der Salzsteuer zum 31. Dezember 1877 durchzusehen (siehe unten). Die Steuer von sechs Pfennig für das Pfund Salz besteht noch heute.

Der Landtag wurde am 9. Februar geschlossen. Die vom König verlesene Thronrede sprach sich sehr befriedigt aus. Mit Recht konnte sie hervorheben, daß in weiten Kreisen als dankenswerthe Früchte der Session begrüßt werden würden:

„die Anbahnung der Aufhebung des Salzmonopols und des Gerichtskosten= zuschlages, die Regelung der Verhältnisse der Erwerbs- und Wirthschaftsgenossen= schaften, die Aufhebung der Beschränkungen des Zinsfußes, die Post- und Handelsverträge, die Umwandelung der Pommerschen Lehne, die Beseitigung der Rheinschifffahrtsabgaben, die Verbesserung der Besoldung der niederen Beamten und der Lehrer, sowie die Bewilligung der Mittel zur Ausführung und Vervollständigung wichtiger Eisenbahnen."

Anmerkungen zum 33. Kapitel.

1) Am selben Tage schrieb Hoverbeck in seinem Brief an Krieger: „Fraktion Drabich ist in der Konstituirung begriffen. Den besten Namen hat ihr der rothe Becker gegeben: regierungsfähige Fortschrittspartei".

2) Aus meinem Buche „Deutschlands politische Parteien“ S. 82.

3) Hervorzuheben ist Laskers geharnischte Rede gegen den Justizminister Grafen zur Lippe, den er namentlich auch als Syndikus des Staatsministeriums angriff, da er als solcher das erste Gutachten über alle Staatsrechtsfragen von Bedeutung abzugeben habe. Die Rede zu studiren, ist allen Justizministern in Preußen zu empfehlen.

4) Philippson behauptet S. 160, Forckenbeck habe die Regierung beim Dotations: gesetz zur Nachgiebigkeit bestimmt, dafür habe er seine Freunde vermocht, auch Bismarck mit einer Dotation zu bedenken. Woher er diese Nachricht entnommen hat, sagt er nicht. Daß Forckenbeck der eigentliche Urheber der Bismarckdotation ist, be zweifle ich. In Hoverbecks Korrespondenz findet sich nirgends eine Andeutung darüber.

5) Die Debatte ward auf Antrag der Rechten geschlossen. Auf der Rednerliste waren Joh. Jacoby, Duncker und der alte Harkort, sowie drei Klerikale und ein Pole gegen das Gesetz eingetragen, für dasselbe u. A. Schulze-Delißsch, Kirchmann und Virchow.

6) Den Hoverbeckschen Antrag hatten 29 Forschrittsmänner unterstüßt, darunter Runge, Schulze, Krieger, Duncker, Virchow, Berger, Kosch, Waldeck, Haebler, Beißke, Löwe, Becker. Nicht aufgeführt sind: Saucken-Tarputschen, Frenzel, Hagen, Laßwit und Ziegler, sie gehörten wohl zu denjenigen Mitgliedern, die Dotationen überhaupt verweigerten. Dahlmann und Harkort vom linken Zentrum enthielten sich der Abstimmung.

7) Ueber die von Waldeck beantragte Resolution fand eine gemeinschaftliche Sizung der Fraktionen der Opposition statt. Man wählte zum Entwurf eine Kommission, zu der Waldeck, Hoverbeck vom Fortschritt, Gneist und Carlowig vom linken Zentrum und Reichensperger von den Klerikalen gehörte; auch war den Polen ein Mitglied reservirt.

8) Für den Antrag Virchow-Vaerst hatten von der neuen Partei zwar Baerst Hammacher, Bunsen, Gneist, Hennig, Lasker, Lüning, Unruh gestimmt, er fiel aber durch, weil Michaelis, Reichenheim, Twesten, Krieger-Berlin und Lette gegen ihn stimmten.

9) Twesten hatte jene nicht bestrittenen Beschuldigungen für wahr halten müssen. Jansen-Sammer begnügen sich Seite 640 mit der Angabe: „Diese Annahme Twestens ist nicht richtig." Herzog Friedrich hatte vor, Bismarcks Beschuldigungen in der Rede vom 20. Dezember 1866 urkundlich zu widerlegen, unterließ es aber wiederum auf Anrathen seiner Freunde Stockmar und Samwer. (Jansen-Samwer S. 669). 10) Wörtlich aus Jansen-Samwer. S. 618 Der Herzog nahm demnächst

Samwer sen. wieder in seine Dienste.

11) Siehe Rudolph Genée „Zeiten und Menschen", Berlin 1897. Genée war längere Zeit Redakteur der offiziösen Koburger Zeitung.

12) Unklar ist, was Haym über die Stellung des Kronprinzen zu der Annexion von Schleswig-Holstein S. 414 mittheilt.

13) Wörtlich Reichsfreund 1888 S. 221.

14) Ueber die Versammlung und deren Beschlüsse siehe S. 83 meines Buches über die politischen Parteien.

Vierunddreißigstes Kapitel.

Konstituirender norddeutscher Reichstag. Abgeordnetenhaus. Wahlen zum ordentlichen Reichstag.

Die Wahlen zum konstituirenden Reichstag des norddeutschen Bundes erfolgten am 12. Februar 1867.1) Sie ergaben für die alten Provinzen Preußens, also für das Gebiet, auf das sich die Thätigkeit des gemeinsamen liberalen Zentralwahlkomitees erstreckt hatte, einen gänzlich unerwarteten Sieg der ministeriell-konservativen Partei. Der geschäftsführende Ausschuß des Komitees hatte Flugblätter in Menge versendet, sich durch Haussuchungen, Beschlagnahmen und Preßprozesse nicht abhalten lassen. Die Liberalen hatten in den meisten Wahlkreisen auf einen glänzenden Sieg gerechnet.

„Wahlversammlungen, die in den Städten oder auf dem Lande abgehalten wurden und auf denen der liberale Kandidat sich vorstellte, wurden in der Regel außerordentlich zahlreich besucht; die Konservativen hielten sich von öffentlichen Wahlversammlungen fern, sie stellten ihren Kandidaten nur in geschlossenen Versammlungen vor. Freilich, wo ein energischer Landrath aus der Westfalenschen Züchtung die Wahlen beeinflußte und durch die Polizeibeamten und Gensdarmen den Wählern den konservativen Stimmzettel und die Nothwendigkeit, ihn abzugeben beibrachte und in diesen Bestrebungen durch das Junkerthum und die Geistlichkeit unterstüßt wurde, da konnten große städtische Wählerversammlungen mit aller ihrer liberalen Einstimmigkeit keinen Beweis von dem künftigen Ausfall der Wahl liefern. Die liberale Partei hatte sich nicht klar gemacht, daß an den direkten Wahlen die am weitesten zurückgebliebene Masse der Wahlberechtigten, insbesondere die des Lesens und Schreibens unkundigen oder nur nothdürftig kundigen ländlichen Tagelöhner und Arbeiter sich nur auf Kommando, dann aber auch sämtlich betheiligen, daß der weit überwiegende Theil der die untersten Volksklassen Kommandirenden im protestantischen Preußen Polizeibeamte oder Konservative seien, daß also das allgemeine gleiche und direkte Wahlrecht vollends bei dem Mangel einer wirklichen Preßfreiheit und eines wirklich freien Versammlungsrechts der liberalen Partei so lange durchaus ungünstig sein muß, als es nicht gelingt, in den einzelnen Wahl= freisen Organisationen zu schaffen, die es jedem einzelnen liberalen oder unabhängigen Wähler bis in den entlegensten Weiler hin als Ehrensache erscheinen lassen, an der Wahlurne seinen Stimmzettel abzugeben."2)

Diese 1877, also nach fünf Wahlen nach allgemeinem Stimmrecht von mir niedergeschriebene Darstellung der Gründe für die Niederlage der Liberalen in den alten Provinzen Preußens bei den ersten Wahlen nach allgemein gleichem Wahlrecht bedarf heute auf Grund der Erfahrungen, die bei weiteren sieben Reichstagswahlen gemacht sind, einer Ergänzung. Diese Erfahrungen ver

dienen um so mehr Beachtung, als bei jeder neuen Wahl, diejenigen als Wähler anzutreten haben, die das lezte Mal das wahlfähige Alter noch nicht erreicht hatten. Die Zahl derselben beträgt bei fünfjähriger Legislaturperiode fast ein Fünftel der gesamten Wählerschaft. 1867 hatte man noch nicht erkannt, was jede oppositionelle Partei bei geringer Bildung der großen Masse der Wähler in der Wahlbewegung für ihren Kandidaten thun muß. Einen Stimmzettel mit dessen Namen hat jeder Wähler rechtzeitig zu bekommen; er muß ferner den Kandidaten, wenn irgend möglich von Person kennen gelernt haben, außerdem muß er dessen politischen Ansichten und Lebensgeschichte kennen. Bei den Wahlen vom Februar 1867 beachteten die Liberalen nicht ge= nügend, welchen gewaltigen Eindruck der Krieg und seine Erfolge im Volke gemacht hatten. Die Konservativen, die Partei der preußischen Regierung stellte, wohl mehr instinktiv, als der Gründe bewußt, in den Wahlkreisen, wo sie den Einfluß der Fortschrittspartei als überwiegend fürchtete, die mit Dotationen bedachten Heerführer als Reichstagskandidaten auf. Moltke wurde drei Mal gewählt, in Memel (Prov. Preußen), Fürstenthum (Pommern) und Delitzsch (Sachsen); Vogel v. Falckenstein zwei Mal, in Königsberg und in der Stichwahl gegen Waldeck in Bielefeld, während er in Neiße in der Stichwahl gegen den späteren Minister Friedenthal unterlag. General Steinmez siegte in ZüllichauKrossen, Herwarth v. Bittenfeld in Wittlich - Bernkastel, Roon in Teltow und Bismarck, damals noch wählbar, in Elberfeld und Jerichow. Außer ihnen wurden gewählt in Labiau - Wehlau Prinz Friedrich Karl, in Stallupönen - Darkehmen der Remonteinspektor und Generallieutenant a. D. Synold v. Schüß, in Minden General v. d. Golz. In Berlin freilich half die Aufstellung der Dotirten zum Reichstage nichts. Hier siegten die Liberalen; in Berlin I. Lasker mit 7708 gegen 4781 Stimmen für Roon, II. Waldeck mit 8281 Stimmen gegen Bismarck mit 5137, III. Morik Wiggers3) mit 9630 gegen 2840 Stimmen für Moltke, IV. Runge mit 6831 gegen Vogel v. Falckenstein mit 1449 Stimmen, V. Franz Duncker mit 7103 gegen 2268 Stimmen für Herwarth. v. Bittenfeld, VI. Schulze Delizsch mit 6942 gegen 1464 Stimmen für Bismarck und 1266 für General Steinmez.4)

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Die Fortschrittspartei hat es in den alten Provinzen Preußens nur auf 10 Size gebracht außer den sechs Berliner: zwei für Breslau (Simon und Bouneß) je einen für Nordhausen (Eugen Richter), für Dortmund (Dr. Becker) für Solingen (Trip). Sie

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