so durfte er, als die Unsrigen einrücken sollten, zurückbleiben, während wir in wenig schöner Weise in die Eisenbahn verladen wurden und dem Süden entgegendampfen mußten. Wie anders erschien mir jezt die Fahrt durch das herrliche Land als vordem, als ich sie als Tourist hatte machen können. Der anschaulichen Schilderung Brüggemanns füge ich nur eine Episode hinzu, die so recht das Unstete und Wankelmütige des französischen Nationalcharakters illustriert. Nachdem wir in Poitiers die von Brüggeman n erzählte, wenig angenehme Behandlung erfahren, die wohl mit dadurch veranlaßt wurde, daß einer der bayerischen Kameraden wegen eines großen spanischen Ordens, den er von der Expedition gegen Tanger heimgebracht hatte, für einen General gehalten wurde und so den Zorn der Menge auf sich und uns zog, kamen wir nach Toulouse. Hier hatten wir einen längeren Aufenthalt und wurden, ganz gegen die sonstige Gepflogenheit, in den Wartesaal zugelassen. Dieselben Franzosen, welche am Tage zuvor durchtransportierte preußische Offiziere und Ärzte in der gemeinsten Weise behandelt und wie Verbrecher geschlossen durch die Stadt geführt hatten, machten uns bereitwilligst Plat am Kamin und zeigten freundliches Entgegenkommen; ja, als nach eingehender Forschung einige Franken, meist in den Taschen der Herren Kameraden aus Bayern, aufgetrieben worden waren, konnten wir ein Diner einnehmen, was zwar in Anbetracht der Geldkalamität mehr als frugal war, aber doch an gedecktem Tisch zum ersten Male auf unserer Reise und unter anständigem Betragen des Publikums vor sich ging und uns vorzüglich mundete. In Bayonne, wohin wir bestimmt waren, wurde der Aufenthalt wieder gräßlich; glücklicherweise wußte man uns daselbst nicht definitiv unterzubringen, und so wurden wir nach Montpellier instradiert, wo wir nach langer Reise aufs höchste ermattet anlangten. Abgesehen von den von Brüggemann geschilderten Verhältnissen, war dort der Umstand geradezu grauenhaft, daß wir, besonders ich, mit den auf hoher See gefangenen Schiffskapitänen, deren Schicksal Veranlassung zu weitläufigen diplomatischen Erörterungen geworden, zusammengelegt wurden, die mit, soviel ich weiß, einer einzigen Ausnahme an den damals grassierenden Pocken erkrankt waren und sich in den verschiedensten Stadien dieser fürchterlichen Krankheit befanden. Nie werde ich die Tage und Nächte vergessen, die ich unter diesen Umständen zubringen mußte, bis die Epidemie, glücklicherweise mit nur zwei Ausnahmen, günstig verlaufen war. Wie aber so etwas möglich, bei uns z. B. auch nur denkbar, ist mir immer noch unfaßlich, es müßte denn eine allerdings ungenügende Erklärung dafür in dem Umstande gefunden werden, daß sowohl der Kommandant der Zitadelle, in welcher wir interniert waren, als der General, welcher die in und um Montpellier zusammengezogenen Truppen befehligte, gänzlich unfähige Leute waren und zudem unter den obwaltenden schwierigen Verhältnissen vollständig den Kopf verloren hatten. Ersterer war eine Null, so sehr Null, daß er uns sagte: „Helft Euch selbst, ich kann Euch nicht helfen", letterer ein Herr, der noch Napoleon I. gekannt hatte und weder die Zeit verstand, noch von ihr verstanden wurde. Von Montpellier wurden wir endlich am 2. März nach Orléans geschafft und erreichten nach langer Irrfahrt am 6. das Regiment, welches durch die liebevollste Aufnahme uns die Leiden der Gefangenschaft vergessen zu machen suchte. gez. Büttmann. |