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nichtung des Ganzen_nahe. Ein Handelshaus z. B. kommt bei geringerem Waarenabsag in Abnahme, in Verfall aber, sobald sein Bestehen gefährdet ist. 3) Abnahme bez. ein Geringerwerden, und ist darum von Gutem wie Übelem gebraucht; Verfall ein Schlechter werden, und steht darum nur von Gutem. Eine Krankheit z. B. ist in Abnahme, wenn sich der Kranke bessert, oder sie weniger Menschen befällt. Aber die Wissenschaften, die Sittlichkeit u. dgl. gerathen in Abnahme und endlich in Verfall. Dieser Nebenbegriff von Verfall liegt in Fall, welches Wort eine Bewegung von einem höheren zum niederen Orte ausdrückt, und ergibt sich aus der oben gegebenen Bed. von Verfall; denn ein Haus, ein Geschäft u. dgl., die verfallen, sind im schlechtesten Zustande. 4) Verfall steht nur von Festem oder als feststehend Betrachtetem, weil dieß nur aus- und ineinander fallend bei seiner Auflösung gedacht werden kann; Abnahme ist in seiner Bedeutung nicht hierauf beschränkt. Wasser z. B. kann in einem Brunnen abnehmen, aber nicht verfallen, während gar dieser selbst in Verfall gerathen kann. Im Alter kommt das Gedächtniß in Abnahme, aber nicht in Verfall. Selbst von Körperfräften, welche die größte Abnahme erleiden, will der Sprachgebrauch nicht mehr Verfall gesagt haben. 5) Verfall deutet, wegen fallen, auch auf einen raschen Übergang in den geringeren Zustand, Abnahme auf einen allmäligen. (Vgl. Nr. 23.)

55. Abrede. Verabredung. Rücksprache. Ü. Das bestimmende Reden mit Andern wegen etwas. V. 1) Abrede und Verabredung bezz. ein zu Ende gebrachtes Neden wegen etwas, so daß man darüber zu einem Beschlusse gekommen ist; denn ab ist hier = „zu Ende“ (S. Nr. 10.). Rücksprache verbindet diesen Begriff nicht; denn würde die Sache zum Beschlusse gebracht, so würde aus der Rücksprache eine Abrede oder Verabredung werden. 2) Abrede und Verabredung können nur unter Theilhabern der mündlich zu verhandelnden Sache Statt finden; Rücksprache dagegen kann auch mit solchen genommen werden, welche an jener Sache nicht Theil haben, ja ihr ganz fremd sind, außerdem auch über eine Sache, an der Andere keinen Theil haben. Man trifft z. B. mit Bekannten eine Abrede oder Verabredung, einen gemeinschaftlichen Ausflug auf das Land zu machen; wem es aber an Gelde mangelt, der nimmt erst Rücksprache mit einem Freunde, ob er ihm zu der Partie vorstrecken wolle. Eben so nimmt mancher, der ein Geschäft beginnt, darüber vorher Rücksprache mit einem erfahrenen Manne, um dessen Rath zu hören. 3) Die Rücksprache, wie rück andeutet, findet vor der Verabredung oder Abrede Statt, weil man sich zu dieser Raths erholen will. Vgl. das unter 1) Angedeutete. 4) Verabredung deutet darauf, daß Etwas durch Unterredung d. i. Hin- und Herreden ausgemacht wird. Denn ver fort zeigt hier das Gerathen in einen Zustand an, wie z. B. in vermischen vergleichen, verstreuen u. dgl., und verstärkt das einfachere ab

reden. Die Abrede aber kann schon durch bloße Zustimmung des Andern Statt finden.

56. Abreden. Besprechen. Ü. Mit jemand über etwas sprechen. V. Abreden = zu Ende reden, wird nur dann gesagt, wenn ein Beschluß in der betreffenden Sache gefaßt wird; besprechen läßt unbestimmt, ob man zu einem Beschlusse gekommen sei oder nicht.

57. Abrichten. Unterricht e n. Ü. Fortgesezt Kenntniß geben. V. Bei unterrichten für den Verstand, den Geist; bei abrichten für äußere Handlungen, äußere Geschicklichkeit, mechanische Fertigkeit. Wo nun bei legteren der Verstand nicht mit in Anspruch genommen wird, oder dieselben verstandlosen Wesen mitgetheilt werden, steht abrichten. Gute Bücher z. B. unterrich ten sehr. Man unterrichtet in den Sprachen, der Mathematik, Naturlehre u. s. f. Aber Jagdhunde, und Thiere, welche Kunststücke machen können, sind abgerichtet. Ein Lehrer soll seine Schüler unterrichten; bringt er ihnen aber die Kenntnisse durch mechanische Fertigkeit bei, ohne ihren Verstand gehörig in Anspruch zu nehmen, so richtet er sie ab, anstatt sie zu unterrichten. Richten ist hier,, einen bestimmten Gang, eine bestimmte Richtung geben"; ab sowohl zu Ende", "gänzlich“ (S. Nr. 10.), als auch nach einem Andern" (S. Abfassen); unter aber bed. zwischen Gegenständen im Raume, in deren Gemeinschaft" (S. Unter. Zwischen), und davon gegenseitig“ oder „gegen einen gewendet", wie an, in, weßhalb auch lat. instruere (instruiren) in der Bedeutung unserem Unterrichten hinsichtlich der Belehrung entspricht. Abrichten ist dressiren, welches wie jenes auch von der Waffeneinübung der Soldaten gebraucht wird.

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58. Abschaum. Hefe. Schund. Auswurf. Ü. Figürlich, das Schlechteste in seiner Art" (Campe. Maaß). V. 1) Hefe als niedrig; Abschaum als unnüß, ausgestoßen, verachtet; Auswurf als schädlich, verachtet ausgeworfen; Schund als unnüg weggeworfen und zugleich ekelhaft. Hefe ist der Bodensaß des gegohrnen Weines oder Biers [,, Des Lebens Wein ist abgezogen, Und nur die Hefe blieb der Welt zurück. “ Schiller, Mach. II, 9.], der zum Heben d. i. Aufgehen des Teiges benugt wird, woher der Name Hefe f. Hebe als Präsentialform von heben, was hebt, wie Trage = was trägt, von tragen. Die Form selbst ist niederd., ags. haefe Sauerteig (Mark. 8, 15.), von agf. hefjan (Diut. I, 215.) für heben (S. Hefe. Bärme), niederd. heffe (gloss. Jun. 281.), ahd. hephen (Diut. III, 153.), und steht im Hochdeutschen, wie Hafer für Haber u. dgl. Das Wort bez. in der Bed. Bodensaz das Unterste, z. B. den Becher bis auf die Hefe leeren", und insofern auch das Niedrigste, z. B. die Hefe des Volfes", - hier: „das Schlechteste, das aber noch benugt werden kann“, eben wie z. B. die Bierhefe. Abschaum = Unreinigkeit, welche von der Flüssigkeit

ausgestoßen, abgeschöpft und als unnüz weggeworfen wird; also figürlich: „das Schlechteste, von seiner Art ausgestoßen, und als unnüz, unbrauchbar und verächtlich gleichsam weggeworfen (verworfen)". Der Ausdruck ist sonach stärker als Hefe, und wird namentlich gesezt, wo das Ausgestoßene und Verworfene in Betracht kommt. So waren z. B. Nero, wie Robespierre und Marat, gewiß ein Abschaum der Menschheit, ohne zu der Hefe des Volkes gehört zu haben. Der Schund, Präteritalform von schinden lat. excoriare, = was abgeschunden wird (Grimm II, 35.), ist das Fleisch, welches die Gerber von den Häuten abschaben (schinden) und wegwerfen, sofort auch der natürliche Auswurf von Menschen und Thieren (S. Frisch II, 233. Voigtel III, 255. Adelung III, 1682.). Es ist daher dieses Wort, obwohl im Hochdeutschen ungewöhnlich, die stärkste Bezeichnung; denn zum unnügen Wegwurf gesellt es noch den Begriff des Ekelhaften. 2) Abschaum und Auswurf stehen auch von einer Person, z. B. [Maria Stuart] ,, ihrer eignen Vasallen Spott, der Auswurf ihres Landes " (Schiller, M. St. II, 3.). Hefe und Schund werden nur von mehreren Personen gesagt, weil sie urspr. Stoffnamen find.

59. Abscheiden. Hinscheiden. Vers che i de n. Ü. Aus diesem Leben mit Tod abgehen, sterben. V. Dieß bez. verscheiden fortscheiden, überhaupt; abscheiden (S. Ab), als Trennung von dem Leben (z. B. „ so find wir nicht auf ewig Getrennt und abgeschieden." Göthe, Iphig. V, 6.); hinscheiden, als Übergang zu einem andern Leben, z. B. „Er ist hin! Vergebens, ach! vergebens Stöhnet ihm der bange Seufzer nach." (Schiller, d. Räuber III, 1.)

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60. Abscheu. Widerwille. Widerwille. Haß. Ü. Stärfere Empfindungen der Abneigung gegen jemand. V. 1) Haß in feindlicher Hinsicht (« vientlichen haz» Nibel. 865.); Widerwille, insofern der Wille dagegen ist, von dem Gegenstande entfernt hält; Abscheu, insofern der Anblick des Gegenstandes der Abneigung fortscheucht, der stärkste Ausdruck der Abneigung. Haß, ahd. haz, goth. hatiz, formell gr. xóτ-os, wovon goth. hatan und hatjan hassen, ist heftige Feindseligkeit, woraus sich dann der Begriff anhaltende feindselige Abneigung“ entwickelte, so wie der Gegensat Liebe (S. Liebe) = anhaltende (verfolgende) freundliche Zuneigung ist: Ja, glühend, wie sie hassen, lieb' ich Dich!" (Schiller, M. St. III, 6.). 2) Der Haß gegen Personen entspringt aus freien Handlungen derselben. Abscheu und Widerwille gegen Personen können auch aus Ursachen entstehen, die nicht von der Freiheit dieser Personen abhängen, sondern natürlich find. Hiobs ekelhafte Krankheit z. B. fonnte nicht Haß gegen den Mann erzeugen, wohl aber Widerwillen, oder gar Abscheu. Chriemhilde trug gegen Hagen, den Mörder ihres Gemahles, unversöhnlichen Haß. Der tapfere Graf Konrad Kurzbold hatte einen unüberwindlichen Widerwillen gegen Frauenzimmer ́und

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in inniger Vereinigung sich befindet (S. Sondern); entscheidet, daß diese Vereinigung geschieden, aus einander getrennt werde. Diese Vereinigung aber deutet auf die Verworrenheit, Verwickelung der Sache, was die streitenden Parteien schwer von einander scheiden läßt. Weil nun hierzu ein Richterspruch nöthig ist, so deutet entscheiden auf einen solchen hin, sei derselbe der eines selbstgewählten Schiedsrichters oder eines amtlichen Richters. Dieser Spruch aber steht unumstößlich fest, und beendigt den Streit somit unwiderruflich; darum wird entschieden auch anstatt, fest, unumstößlich gesezt (S. Gewiß. Ausgemacht. Entschieden). 3) Beilegen eig. „den Streit bei Seite legen", so daß er ruht, aufhört. Schlichten, ahd. slihten (levigare. Gloss. Jun. 178.) =glätten, eben machen („Und was uneben ist, soll schlechter Weg sein." Luf. 3, 5.), d. i. alles, was im Gehen stört, weg schaffen. Daher: zwischen streitenden Parteien alle Anstöße entfernen und sie gegenseitig zum Nachgeben bewegen, so daß die Ansprüche des Einen und der Widerstand des Andern aufhören und somit der Streit beendigt (geebnet) ist, es mag dieß in Güte geschehen oder durch höhern Ausspruch." Vergleichen ist aus Obigem und Nr. 28. klar.

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Anm. Was beigelegt ist, ist nicht immer abgethan, abge= macht, ausgemacht, geschlichtet, oder verglichen; denn es ist nur der Ruhe übergeven, ohne daß alle gegenseitigen Ansprüche aufgehoben find. Eben so wohl kann ein Streit abgethan, ab- oder ausgemacht sein, ohne daß er beigelegt, geschlichtet oder verglichen wäre, wenn die Streitsache nicht ruhen bleibt, sondern von einer oder der andern Partei immer neue Wege gesucht werden, sie wieder zu beginnen. Was aber geschlichtet ist, ist auch beigelegt, nur nicht immer verglichen, so daß die Parteien vollkommen einig sind; selbst eine richterliche Ent= scheidung vergleicht nur zu oft die Parteien nicht, die sich zwar dem richterlichen Ausspruche unterwerfen müssen, aber nicht selten noch lange nicht einig sind und in ihrer streitigen Sache sich zufrieden erklären. If dagegen ein Streit verglichen, so ist er auch geschlichtet und beigelegt.

65. Abtragen. Bezahlen. Ü. Geben, was man schuldig ist. V. 1) Abtragen wird von jeder Schuld gesagt', 3. B. auch in Früchten u. dgl.; bezahlen nur von schuldigem Gelde. 2) Abtragen deutet auf eine übernommene Last, die wir tragen; bezahlen dagegen nicht. Eine große Summe, und eine solche, welche man einige Zeit nach übernommener Schuld erlegt, werden abgetragen; nicht leicht aber sagt man dieß von einer Schuld, die man gleich bezahlt, d. h. nach dem Kaufe oder Empfange. 3) Abtragen steht nur von der Schuld; bezahlen aber auch von der Sache, für welche man schuldig ist, z. B.,, Er bezahlt das Tuch, das er gekauft hat", aber nicht er trägt es ab".

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66. Abtritt. Heimliches Gemach. Ü. Anständigere Benennungen für den zur Verrichtung der natürlichen Bedürfnisse bestimmten Ort. V. Bei Abtritt steht des Anstandes wegen die Handlung des Sich-hinweg-begebens allgemein für den

Ort; heimliches Gemach bez. die Verborgenheit des Orts. Obgleich daher Abtritt die Sache mehr umhüllt und somit der auständigere Ausdruck wäre, und heimliches Gemach schon sehr lange in seinem Gebrauch ist, z. B. «Peto secessum, ich wil vffs heymlich gemach gehn“ (Alberus, Wtbch.); so ist dennoch, weil gegenwärtig am Gewöhnlichsten gebraucht, Abtritt weniger anständig als heimliches Gemach. Ja selbst lezteres Wort findet man nicht mehr anständig genug, und gebraucht stärkere Umschreibungen, wie der dritte Ort", u. dgl.

67. A b wandeln. Umwandeln. Ü. Machen, daß etwas nicht mehr so ist, wie es vorher war (S. Wandeln). V. Bei abwandeln bezieht sich dieß lauf einen Theil, der, vom Ganzen getrennt (ab), anders wird, als das Übrige; bei umwandeln auf das Ganze, so daß es zu etwas ganz Anderem wird. Man wandelt z. B. nicht selten Waldstrecken in Feld um; denn mancher Eigenthümer wandelt nicht gerne von seinem Grundsage ab, den Boden dazu zu benügen, worin er einen Mehrertrag

bietet.

Anm. Man hat ab- und umwandeln für die grammatischen Ausdrücke conjugiren und decliniren gesetzt, aber keineswegs bezeichnend. Denn außer der veränderten Endung tritt häufig zugleich der Stimmlaut der Stammsylbe in den Auflaut, und wird nie ein Wort gänzlich verändert, wie z. B. lat. Ligusticum deutsch in Liebstöckel, Mediolanum in Mailand u. s. w.

68. Abwesend. Entfernt. Ü. Getrennt im Raume. V. Dieß ist abwesend nicht dabei seiend, überhaupt und deutet, wegen ab, besonders auf die Trennung (das Ab sein); entfernt aber deutet auf einen großen Zwischenraum hin zwischen den Gegenständen, welche man als von einander befindlich bezeichnet. Daher z. B. „Er ist mit seinen Gedanken abwesende = nicht da, oder nicht dabei. Aber der Dichter singt an die Entfernté: Neidisch trennen Thal und Hügel, Liebliche, Dich weit von mir." Was nun entfernt ist, ist, wie leicht erhellt, and zugleich abwesend, aber das Abwesende nicht jedes Mal entfernt.

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Anm. Abwesend, Gegensatz von a n wesend, ist ahd. abayučsanti, von abauuēsan urspr. nicht dabei oder zugegen sein, lat. abesse, woher unser abwesend das lat. absens; ahd. aba ab — getrenut, und uuësan, goth. visan sein, a. d. Wurzel uuas (war), im Sauffr. was (Pott, Ï, 279.), an einem Orte verharren, sich aufhalten. Entfernt, v. entferneu ahd. infirnên, aus in in und virni fern (S. Fern), ist: «in der Ferne befindlich, weit im Raume von hier. »

69. Abziehen. Ab z wacken. Ü. Nicht alles dasjenige geben, was gefordert wird. V. 1) Dieß bez. abziehen (Š. Nr. 63.) überhaupt; a b z wacken aber mit dem dem Worte zwacken (S. Kneipen) eigenen Begriffe, daß der Abzug an der Forderung dem Fordernden empfindlich ist, ihm wehe thut, ihn ärgert, oder ihn die größte Überwindung kostet nachzulassen. 2)

Weigand, Wörterb. der deutsch. Syuenym. 1.

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