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seien Anschauungen a priori, noch nicht aber, warum sie es sind. Wir haben bis jetzt nur eine Beschreibung, noch nicht eine genetische Erklärung gegeben, welche erst aus dem Wesen. der Kausalität heraus möglich wird; wir werden also auf Zeit und Raum noch einmal zurückkommen und den Zusammenhang zwischen Kausalität, Raum, Zeit und Objekten nachweisen müssen.

Wir zerlegen demgemäss die folgenden Untersuchungen in drei Hauptteile: in dem ersten beweisen wir, einleitend zu dem Folgenden, dass empirische Welt und empirisches Bewusstsein identisch sind; der zweite giebt die Beweise für die Apriorität der Kausalität; in dem dritten endlich müssen wir genau erklären, woher es kommt, dass alles, was wir wahrnehmen, obgleich es anerkanntermassen unsere innere Vorstellung ist, so Raum, so Zeit, so Kausalität, so die Objekte, uns doch als etwas Äusseres, als von uns unabhängige Dinge erscheinen. Sowie Kopernikus erklären musste, warum von unserem planetarischen Standpunkte aus die Sonne sich zu bewegen scheint, obgleich die Erdbewegung erkannt und anerkannt ist, so müssen auch wir zeigen, warum, trotzdem wir nur innere Vorstellungen erfahren, dieselben doch von uns unabhängige Dinge zu sein scheinen. Erst durch diesen letzteren Nachweis wird die Richtigkeit der Vorstellungslehre über jeden Zweifel erhoben.

Zu Kants transcendentaler Analytik verhalten wir uns in diesen Auseinandersetzungen noch viel freier und unabhängiger als in den früheren zu seiner transcendentalen Ästhetik. Kant hat in seiner Analytik, welche wohl der schwächere Teil in der Kritik der reinen Vernunft genannt werden kann, sein Augenmerk bekanntlich nicht bloss auf die Kausalität gerichtet, vielmehr noch elf andere Kategorien oder reine Stammbegriffe des menschlichen Verstandes angeführt. Wie er durch den Einfluss der formalen Logik zu diesem Irrtum verleitet wurde, möge hier unerörtert bleiben; wir wollen nur kurz hervorheben, dass bereits Friedrich Jakob Fries und seine Schule jene zwölf Kategorien auf drei, und Schopenhauer in seiner ,,Kritik der Kantischen Philosophie" sie auf eine einzige, die der Kausalität, reduzierte.

Siebentes Kapitel.

Bewusstsein und Welt oder Subjekt und Objekt.

Inhalt: 1. Beweis des Satzes: Empirische Welt und empirisches Bewusstsein sind identisch.- Unsere empirische Welt ist ganz und gar abhängig von unserem empirischen Bewusstsein. Die rein immanente Bedeutung des Satzes. Unser empirisches Bewusstsein ist ganz und gar abhängig von unserer empirischen Welt. Das Bewusstsein ist nie ohne Vorstellungen. In welchem Verhältnis stehen Bewusstsein und Vorstellungen zu einander? Die zweifache Möglichkeit. Das Bewusstsein minus VorDie dogmatische Annahme

stellungen

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der Erfahrung.

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Gehirn und Weltreize.

eines Bewusstseins an sich. Das reine Selbstbewusstsein kein Gegenstand Die religiösen Motive zur Annahme eines reinen SelbstDas reine Ich als blosses logisches Abstraktum. Der vermeintliche Beweis für die Existenz des reinen Selbstbewusstseins aus der That

bewusstseins.

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ken der Empfindungen und Gefühle. Die Lebensalter. Die Erklärung

des Scheins der Identität der Persönlichkeit.

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der Identität der Person: der individuelle Charakter. rakter kein einfacher, sondern ein einheitlicher. Einfachheit und Einheitlichkeit. Das Problem der Individualität ein unlösbares Rätsel. nis und Schlussgleichung. bewusstsein und Bewusstseins welt. Die in diesen Ausdrücken liegende Kritik des Spiritualismus und Materialismus. Die Aufgabe der heutigen Psychologie. Die Vorstellungswelt eines jeden Wesens hängt ab von seiner Organisation einer- und seinen Weltreizen andererseits. Jedes Individuum

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hat eine individuell andere Welt und ein individuell anderes Bewusstsein. Empirisches Bewusstsein, empirische Welt und Organisation bilden eine untrennbare Einheit. Menschliches und göttliches Bewusstsein.

2. Kritische Rundschau im Gebiete der theoretischen Philosophie: Kein Objekt ohne Subjekt und kein Subjekt ohne Objekt. Subjekt-Objekt =1.

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Dies der kürzeste Ausdruck des kritischen Monismus oder des empirischen Idealrealismus oder Realidealismus. Kritischer Monismus als transcendentaler, aber nicht transcendenter Monismus. Die drei Hauptperioden des philosophischen Erkennens. Die drei möglichen Hauptgruppen philosophischer Systeme dogmatischer Art. Die Gruppe des Objekts an sich oder des transcendenten Realismus (Materialismus). — Die Gruppe des Subjekts an sich oder des transcendenten Idealismus (Immaterialismus). · Das Verhältnis des Kritizismus zu diesen beiden Gruppen. Die dritte Hauptgruppe zerfällt in zwei Unterarten. Die erste Unterart: der transcendente Dualismus (die Systeme der getrennten Zweiheit). Systeme der unierten Dualität (Pantheismus in den drei Formen des Spinozismus, der Evolution und der Emanation). Der kritische Empirismus als Aufhebung aller dogmatisch transcendenten Systeme. Diese Einteilung enthält alle überhaupt möglichen Arten der Philosophie. Klassifikation von Schopenhauers Philosophie. Das zukünftige Schicksal der dogmatischen Philosophie gegenüber dem kritischen Empirismus. Schematische Übersicht

der gesamten dogmatischen Philosophie.

1. Beweis des Satzes:

Die zweite Unterart: die

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Empirische Welt und empirisches Bewusstsein sind.

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identisch.

er Beweis der These: ,,Empirische Welt und empirisches Bewusstsein ist dasselbe" enthält in Wahrheit nur eine

Umschreibung und anderweitige Darstellung der Vorstellungslehre überhaupt. Zum Zwecke der Erläuterung zerlegen wir den Satz in zwei Teilsätze und zeigen zuerst, dass unsere empirische Welt ganz und gar abhängig ist von unserem empirischen Bewusstsein, und darauf, dass umgekehrt unser empirisches Bewusstsein ganz und gar abhängig ist von unserer empirischen Welt.

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Der erste Satz: Unsere empirische Welt ist abhängig von unserem empirischen Bewusstsein ist nach allen früheren Auseinandersetzungen selbstverständlich. Wir kennen die Welt nur als das, was wir von ihr vorstellen; diese Vorstellungen sind in unserem Bewusstsein; sie sind mithin bedingt durch die Natur unseres Bewusstseins. Demnach ist unsere Vorstellungswelt oder unsere empirische Welt abhängig von unserem empirischen Be

Fritz Schultze, Philosophie der Naturwissenschaft. 2. Teil,

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wusstsein. Die These lässt sich in Form einer Gleichung kurz so ausdrücken: Unsere empirische Welt = unsere Erfahrungswelt unsere Vorstellungswelt = Welt unserer vorstellenden Thätigkeit = Welt unseres Bewusstseins. Mithin: Unsere empirische Welt abhängig von unserem Bewusstsein. Wir könnten in paradoxer Weise jenen Satz kurz so ausdrücken: Die Welt ist abhängig vom Bewusstsein oder auch: Das Bewusstsein macht die Welt. Weil aber diese Formeln missverständlich sind, wählen wir sie nicht; denn man könnte sie in transcendenter Weise verstehen, als ob durch sie gesagt werden solle, ein transcendentes Bewusstsein an sich, ein Geist, ein Nus, ein Gott schaffe die Welt. Davon ist hier aber nicht die Rede, vielmehr ist mit jenen Sätzen nur die immanente oder transcendentale Wahrheit gemeint: dass, soweit unsere Welt reicht, sie unsere Erfahrungswelt ist, die als Vorstellungswelt subjektiv durch unsere vorstellende Thätigkeit bedingt ist. Eine Welt an sich oder ein Geist an sich kommt dabei nicht in Betracht.

Die Erörterung der andern Seite der These, dass nämlich unser empirisches Bewusstsein ganz und gar abhängig ist von unserer empirischen Welt, wird uns längere Zeit in Anspruch nehmen. Die erste hier aufzuwerfende Frage lautet: Treffen wir unser Bewusstsein jemals ohne eine Vorstellung an? Finden wir es jemals ohne irgend eine Vorstellung in uns vor? Wenn wir absehen von den Zuständen der Ohnmacht und des tiefen Schlafes, in welchem letzteren das Vorhandensein von Vorstellungen in keiner Art nachweisbar ist (auch nicht durch den bekannten Schluss: es müsse doch ein minimaler Grad vorstellender Thätigkeit da sein, weil sonst die Kontinuität des geistigen Lebens abreisse und dieses selbst vernichtet würde), wenn wir also den Zustand des wachen Lebens betrachten, so haben wir in jedem Momente irgend eine bestimmte Vorstellung in unserem Bewusstsein, eine Vorstellung (nennen wir sie nun Empfindung, Wahrnehmung, Gefühl oder Gedanke) der Lust oder der Unlust, der Trauer oder des Schmerzes, des Lichtes, der Farbe, der Form u. s. w., eine physikalische, geographische, kommerzielle, politische oder was sonst für eine. Irgend eine Vorstellung habe ich, wenn ich bei Bewusstsein

bin, auch in jedem Moment im Bewusstsein; ohne Vorstellung können wir unser Bewusstsein nie antreffen; denn sind gar keine Vorstellungen da, so ist überhaupt kein Bewusstsein da, wie im Tode oder im tiefen traumlosen Schlafe; ist aber Bewusstsein da, so ist stets auch irgend welche Vorstellung in ihm. Dieser erste Satz also lautet: Wir finden, rein empirisch betrachtet, unser Bewusstsein niemals ohne eine Vorstellung, vielmehr zieht unaufhörlich eine Kette von Vorstellungen mit wechselnder Geschwindigkeit durch dasselbe hindurch.

Wir werfen jetzt die zweite Frage auf: In welchem Verhältnis stehen denn Vorstellungen und Bewusstsein zu einander? Man kann sich das Verhältnis zwischen ihnen nämlich in zweifacher Weise denken: erstens so, dass, wenn auch alle einzelnen Vorstellungen nicht da wären, das Bewusstsein doch da wäre, als ein Wesen an sich, welches die einzelnen Vorstellungen zu seiner Existenz gar nicht bedürfte, welches in voller Majestät über und abgesehen von dem Vorstellungsproletariat in hellem Lichte glänzte, welches gewissermassen wie ein an sich leuchtender Raum wäre, in welchen die an sich dunkeln Vorstellungen hineintreten müssten, um erst von ihm ihr Licht zu empfangen. In diesem Falle wäre das Bewusstsein offenbar etwas anderes als die Vorstellungen; letztere träten nur accidentell in das Bewusstsein; dieses aber wäre an sich auch ohne die Vorstellungen schon ein selbständiges, substanzielles Wesen. Die Sache könnte sich aber auch zweitens so verhalten, dass ein Bewusstsein an sich ganz und gar nicht vorhanden wäre, vielmehr nur in und aus den einzelnen Vorstellungen bestände; dass also, was wir Bewusstsein nennen, nur die Summe unserer Einzelvorstellungen wäre. So würde dann, um das obige Bild wieder aufzunehmen, das Bewusstsein nicht wie ein an sich leuchtender Raum sein, vielmehr brächte schon jede einzelne Vorstellung ihr Licht mit und erleuchtete sich selbst.

Das Dilemma ist also kurz dieses: Ist das Bewusstsein an sich schon Bewusstsein auch ohne die Vorstellungen, oder be- und entsteht es erst aus, in und mit den einzelnen Vorstellungen? Die Entscheidung geht davon aus, dass wir, bei rein empirischer Betrachtung, ein

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