Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

X. Abschnitt.

Die Zeit der Okkupation. 1871 bis 1873.

Die 4. Infanterie-Division erhielt bei Beginn der Okkupation die Departements Vosges, Haute-Saône und Doubs sowie einzelne Theile der Departements Jura und Côte d'Or zur Besetzung angewiesen; sie blieb mithin ungefähr dort, wo sie damals bereits stand; ihr Stabsquartier ging von Dôle nach Dijon. Dieselbe hatte nach dem Scheiden des Generals Hann v. Weyhern erst Anfang Juni in der Person des bisherigen Kommandeurs der 3. Kavallerie-Division, Generallieutenants Grafen von der Groeben, einen neuen Kommandeur erhalten.

Da die Truppenzahl für das ausgedehnte Gebiet nur eine knapp bemessene war, so sollte lediglich die dauernde Besetzung der Festungen und der DepartementsHauptstädte ins Auge gefaßt werden. Von den im Gebiet der 4. Division gelegenen Festungen kam hierbei nur Belfort in Betracht, da die festen Pläße Besançon, Auxonne und Salins in französischen Händen geblieben waren.

Die außergewöhnliche Aufgabe der Besatzungs-Armee und ihre gefährdete Lage im Falle eines etwaigen Wiederausbruchs des Krieges ließen es nothwendig erscheinen, nicht nur deren mobiles Verhältniß aufrecht zu erhalten, sondern auch genaue Bestimmungen über Verwendung der einzelnen Theile bei einer erforderlich werdenden Zusammenziehung zu treffen. Die Infanterie und Kavallerie der Divisionen nahmen wieder ihre Friedenseintheilung an, und sollten die Bataillone auf eine Stärke von 802 Mann herabgesetzt werden. Jede Division erhielt noch eine ArtillerieAbtheilung, eine Pionier-Kompagnie, zwei Munitions-, zwei Proviant-Kolonnen, ein Sanitäts-Detachement und mehrere Feld-Lazarethe überwiesen.

Um sich auf den vorgeschriebenen Etat zu setzen, schickte das Regiment am 30. Juni von Belfort aus, wo sich die einzelnen Transporte gesammelt hatten, 622 Mann der ältesten Jahrgänge von 1858 bis 1864 unter Führung des Hauptmanns Obuch nach Bromberg zurück, wo sie demnächst mit den gleichen Jahrgängen des Ersatz-Bataillons zur Entlassung gelangten.

Da ferner der noch zurückbehaltene Rest des Jahrgangs 1864 sowie der ganze Jahrgang 1865 und ein Theil desjenigen von 1866 durch jüngere ersetzt werden sollten, ging am 20. Juli abermals ein größerer Transport Reserven unter dem Hauptmann Borchmann nach Bromberg ab; an deren Stelle trafen am 26. desselben Monats vom Ersatz-Bataillon, unter Führung des Hauptmanns Noell,

2 Hautboisten und 517 Mann der Jahrgänge 1869 und 1870 ein. Den TransportKommandos nach der Heimath wurden jedesmal mehrere jüngere Offiziere und Unteroffiziere beigegeben, welchen ein längerer Urlaub bewilligt worden war.

Während dieser Zeit gingen dem Regiment abermals mehrfache Gnadenbeweise zu. Das Eiserne Kreuz 2. Klasse erhielten: Die Lieutenants Heischkeil, Sasse, Hinge, v. Oppeln-Bronikowski, v. Bülow, der Lieutenant der Reserve Wilke; die Vizefeldwebel Weidenslaufer und Bethke sowie 7 Unteroffiziere bezw. Mannschaften.

Major Krosec wurde in Anerkennung seiner Verdienste während des Feld zuges in den Adelsstand erhoben.

Premierlieutenant Werckmeister wurde als Adjutant zur 5. InfanterieBrigade kommandirt; die Funktionen des Regimentsadjutanten an seiner Stelle übernahm Lieutenant Heischfeil.

Der zur Militär-Schießschule kommandirte Major v. Kornatki wurde aggregirt und für ihn Major Bet vom 1. Badischen Leib - Grenadier-Regiment in das Regiment versett; Letterer gehörte zu den ersten badischen Offizieren, welche in den Verband der preußischen Armee übernommen wurden; er erhielt das Kommande des 2. Bataillons, das er nach längerem Urlaub im September übernahm.

Am 20. Juli kehrte der bisher zu einem Feldlazareth abkommandirt gewesene Ober-Stabsarzt Dr. Hildesheim zurück und übernahm wieder die Geschäfte des Regimentsarztes.

Gegen Ende Juli 1871 hörten die aus Deutschland kommenden französischen Gefangenen-Transporte allmälig auf. In Epinal und besonders in Vesoul, wo im Ganzen etwa 82 000 Gefangene eintrafen und den französischen UebernahmeKommissionen übergeben wurden, waren zur Aufrechterhaltung der Ordnung starke Wachen eingerichtet worden, welche die Kräfte des 1. und Füsilier-Bataillons nicht unerheblich in Anspruch nahmen. Da es mehrfach vorgekommen war, daß die vom Regiment nach Charmes und Neufchâteau zur Sicherung von Magazinen entsandten Wachtkommandos von den durchpassirenden Gefangenen belästigt wurden, so erhielten beide Orte für längere Zeit eine Besatzung in Stärke je eines Zuges unter den Lieutenants Dieterich und Schauer; Letterer wurde nach seiner Ernennung zum Adjutanten des Füsilier-Bataillons durch den Lieutenant Loose abgelöst.

Was die Regelung der Dienstverhältnisse anbetrifft, so sollte in erster Linie der Forderung Rechnung getragen werden, daß die Okkupations-Armee mobil sei, mithin zu jeder Stunde marschfähig sein müßte. General v. Manteuffel wies darauf hin, daß hiermit die Detailausbildung, die das Fundament jeglicher guten Truppenausbildung gäbe, sich vollständig vereinigen ließe. Es traten daher gleich nach dem Einrücken in die neuen Standquartiere überall die Friedensgrundsäße ihre bewährten Rechte. Täglich wurde im Detail oder in den Kompagnien exerzirt, | Nachmittags geturnt oder geschossen.

in

Da nach wie vor wöchentlich zwei Uebungsmärsche stattfinden sollten, so wurden diese, im Hinblick auf die den Norddeutschen ungewohnte hohe sommerliche Temperatur, sowohl im Sommer 1871 wie auch in den folgenden Jahren zum Theil während der späten Abend- und Nachtstunden ausgeführt. Zeitweise mußte aus gleichem

Grunde sogar der gesammte Dienst auf die frühen Morgen- und späten Nachmittagsstunden verlegt werden.

Der Schießausbildung stellten sich in Epinal und St. Loup keine besonderen Schwierigkeiten entgegen, da die dortigen Bebauungs- und Gelände-Verhältnisse die Anlage von Schießständen erleichterten. In Vesoul hingegen ließen sich diese nicht näher als sechs Kilometer von der Stadt einrichten, so daß dieser Dienstzweig dort nicht sonderlich gefördert werden konnte.

Die vom Ersatz-Bataillon eingetroffenen zahlreichen Erfagmannschaften waren in ihrer Ausbildung noch nicht soweit vorgeschritten, daß ihre sofortige Einstellung in die Kompagnien hätte erfolgen können; sie mußten daher als Rekruten behandelt werden, exerzirten für sich und wurden erst Anfang September zum KompagnieErerziren herangezogen. Die im Laufe des Oktober vom Brigadekommandeur, Generalmajor v. Wedell, abgehaltenen Besichtigungen der Kompagnien und Bataillone, welchen bereits die Bestimmungen des neuen Exerzir-Reglements vom Jahre 1870 zu Grunde gelegt wurden, ließen erkennen, daß die Tüchtigkeit der Truppen durch die Einstellung jener jungen Mannschaften nicht gelitten hatte.

Mit den zahlreichen, späteren Ersayquoten wurde in gleicher Weise verfahren; vor Einstellung in die Kompagnie machten sie stets erst von Neuem einen vollständigen Rekrutenkursus durch, sodaß das Rekrutenexerziren beim mobilen Regiment eigentlich niemals aufhörte.

Die Verpflegung erfolgte in der ersten Zeit durch Lieferung aus Magazinen und war eine reichliche und gute. Vom Dezember 1871 ab wurde die Selbstverpflegung eingeführt, welche bedeutende Ueberschüsse abwarf, sodaß den Kompagnien zu festlichen Gelegenheiten recht beträchtliche Mittel gezahlt werden konnten. An Verpflegungszuschuß erhielten die Gemeinen täglich 21⁄2 Silbergroschen, die Unteroffiziere doppelte Löhnung und die Offiziere täglich 5 Francs, nachdem die von letzteren bezogenen Portionsgelder in Höhe von 15 Francs mit der Unterzeichnung des Präliminarfriedens aufgehört hatten. Diese Zulage reichte bei den. Offizieren für die Dejeuners und Diners, wie sie die französische Lebensweise mit sich brachte, nur knapp aus. Es wurde daher der Armeebefehl vom 19. Juli 1871 mit Freude begrüßt, welcher den Truppen mittheilte, daß Seine Majestät der Kaiser in Seiner unausgesetzten Fürsorge für das Wohl der Armee allen Offizieren, Aerzten und Beamten für die Dauer des Aufenthalts in Frankreich eine Auslandszulage nach Maßgabe der Feldzulage von täglich 2 bis 40 Francs und für die Mannschaften eine monatliche Zulage von 11⁄2 Thalern zur Beschaffung von Wein bewilligt habe. Lettere Zulage reichte zu einer täglichen Weinportion von 1/2 Liter vollkommen aus.

Außerdem gewährte das Oberkommando in der Folge bei festlichen Veranlassungen, z. B. zum Weihnachtsfest und zur Feier des Königsgeburtstages, noch besondere reichliche Mittel und gestattete ferner, daß zum Weihnachtsfest von jeder Kompagnie 3 Mann auf 45 Tage mit Löhnung und freier Eisenbahnfahrt nach der Heimath beurlaubt werden dürften; letztere Vergünstigung sollte auch jedem gutgedienten Unteroffizier alljährlich zu Theil werden.

Mitte August 1871 ertheilte der Oberbefehlshaber allen Offizieren und oberen

Beamten die Erlaubniß zur Heranziehung ihrer Familien und bewilligte hierzu die reglementsmäßigen Umzugsgelder. Eine gleiche Vergünstigung erhielten später auch die verheiratheten Unteroffiziere und unteren Militärbeamten. Kurz, es geschah Alles, was den Angehörigen der Besatzungs-Armee die Trennung von der Heimath und das Leben im fremden Lande und unter einer feindlich gesinnten Bevölkerung erleichtern konnte.

Die Unterkunft in den Standorten des Regiments war eine verschiedene; in Epinal, der etwa 18 000 Einwohner zählenden, im lieblichen Mosel-Thale gelegenen Hauptstadt des Vogesen-Departements, fand das 1. Bataillon in einer ges räumigen und gut eingerichteten Kavalleriekaserne ein vortreffliches Unterkommen. In Vesoul und St. Loup erhielten die beiden anderen Bataillone Bürgerquartiere, deren Mängel erst mit der Zeit beseitigt wurden.

Während St. Loup als kleines, stilles Ackerstädtchen dem 2. Bataillon nichts zu bieten vermochte, hatte Vesoul, abgesehen von guten Offizierquartieren und Hotels, manche Annehmlichkeiten aufzuweisen. Am Fuße des inmitten eines weiten Thalkessels sich isolirt erhebenden, mit Weingärten bedeckten Bergkegels, La Motte, gelegen, zeichnete sich die Hauptstadt des Departements Haute-Saône durch ein reges Leben und Treiben aus. Die im weiten Bogen die Stadt umgebenden Weinberge bildeten die Quelle ihres Reichthums und versprachen damals eine gesegnete Ernte.

Die französischen Behörden, zumal die Präfekten und Maires, zeigten sich, nachdem sie die Berechtigung und den Ernst unserer Forderungen, sowie die Konsequenz in deren Durchführung erst einmal erkannt hatten, durchaus entgegenkommend und thaten das Ihrige, um die Quartierangelegenheiten sowohl im Interesse der Truppen wie auch der Einwohner zu regeln. Wenn auch in St. Loup und Vesoul die Unterkunft in der ersten Zeit auf Schwierigkeiten stieß und sogar mit Gewalt durch. gesetzt werden mußte, so führten die angewandten Zwangsmaßregeln doch sehr bald zum Ziele. In den meisten Fällen trug die Zeitungspresse die Schuld daran. Während die großen Blätter zur Ruhe und zum Ernste mahnten, gefiel sich die kleine Lokalpresse darin, fortwährend zum Widerstande zu heßen, die Ursachen und den Verlauf des Krieges in einer für Deutschland gehässigen Art darzustellen, ge ringfügige Ausschreitungen einzelner Soldaten oder auch berechtigte Forderungen der Truppen in oft unglaublicher Weise zu entstellen und aufzubauschen, auch die eigenen Staatseinrichtungen, die frühere wie gegenwärtige Regierung in schmählichster Weije zu verunglimpfen.

Das Oberkommando sah sich infolge dessen, da der Belagerungszustand sim Okkupationsgebiet verkündet war, zu einer strengen Ueberwachung namentlich der Lokalpresse veranlaßt und ordnete ferner die Vorlage fortlaufender Berichte über die Stimmung der Bevölkerung sowohl gegenüber den diesseitigen Truppen als auch bezüglich der öffentlichen Zustände in Frankreich an.

Zur Erleichterung des weiteren Verkehrs hatte Thiers, der Chef der Exekutivgewalt in Frankreich, einen Civilkommissar in das Hauptquartier des Generals v. Manteuffel abgeordnet.

Um das Verhältniß zu den Einwohnern von vornherein klar zu stellen, hatte

« ZurückWeiter »