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Ein Operationsentwurf für die Maßregeln gegen Rußland, falls der von Kaiser Alexander angedrohte Einmarsch der russischen Armee wirklich erfolgt wäre, scheint nicht festgestellt gewesen zu sein.

König Friedrich Wilhelm III. hegte die Hoffnung, daß die Bereitschaft, den Einmarsch nöthigenfalls mit bewaffneter Hand zurückzuweisen, hinreichen werde, dem Ausbruch eines thatsächlichen Konflikts nach dieser Seite vorzubeugen.

Alle zu den mobilen Korps bestimmten Truppen befanden sich indessen auf den Sammelplätzen an der Ost- beziehungsweise Nordgrenze des Staates, oder sie waren doch in Bewegung dahin, um die Verlegung der Neutralität durch Rußland abzuwehren, als dieselbe thatsächlich durch die französischen Heeresmassen erfolgte.

III. Beschlüsse in Folge der Verlekung der preußischen Neutralität durch Frankreich.

Die am 9. Oktober in Potsdam tagende Konferenz, *) an welcher der Herzog von Braunschweig, der Feldmarschall v. Möllendorff, der General Graf Kaldreuth, der General v. Koedkrit, der Oberstlieutenant v. Kleist, der Staatsminister Freiherr v. Hardenberg und der Geheime Kabinetsrath Lombard theilnahmen, unterbreitete dem Könige im Wesentlichen die nachstehenden Vorschläge:

1) An Frankreich ist die Erklärung zu richten, daß der König die Verlegung der Neutralität mit gerechtem Unwillen empfinde, daß er seine dem Kaiser gegenüber eingegangenen Verpflichtungen als aufgehoben erachte und sich genöthigt sehe, seine Armeen diejenigen Stellungen einnehmen zu lassen, welche allein der Monarchie Sicherheit gewähren könnten.

2) Die Truppen in Westfalen werden dem Kurfürsten von Hessen unterstellt und nehmen mit den Hessen vereint — eine von demselben zu bestimmende Stellung.**) Die fränkischen Truppen versammeln sich im Bayreuthschen Oberlande, erhalten dort eine ansehnliche Verstärkung aus Schlesien und dem Magdeburgischen und werden mit den Sachsen in Verbindung gesetzt.

3) Sachsen und Hessen erhalten entsprechende Aufforderungen; die Franzosen sind, ohne daß Preußen die Feindseligkeiten anfängt, aus Hannover hinauszuweisen; Bremen und Hamburg werden beseßt.

*) Vergleiche Seite 4.

**) Hierbei ist zu erwähnen, daß der Kurfürst bei Annäherung des Marschall Bernadotte bereits ein Korps von 10 300 Mann Infanterie, 1600 Pferden, 3000 Mann Landmiliz und 40 Geschüßen bei Kassel zusammengezogen hatte, daß aber später durch Verhandlungen eine Vereinbarung über friedlichen Durchmarsch der Franzosen zu Stande kam, bei welchem der Marschall seine Truppen dem Kurfürsten vorführte und dieser ihn nebst seiner Umgebung festlich bewirthete.

4) Dem Kaiser Alexander wird die Bereitwilligkeit erklärt, auf die von ihm gewünschte,,Négociation armée“ einzugehen, sobald Preußen über die Tendenz derselben und die Bedingungen seines Zutritts einig geworden sein wird.

5) Die Tendenz ist und bleibt ein sicherer Frieden.

6) Die Bedingungen sind: Subsidien, sowie eine Kooperation Preußens eintritt, künftige bei der Unterhandlung zu bewirkende Erwerbung Hannovers und bessere Gestaltung der preußischen Grenzen.

7) Der König theilt Frankreich diese billigen Vorschläge mit und erklärt, sich mit demjenigen Theile vereinigen zu wollen, der die Bedingungen annimmt.

8) Den Russen wird der Durchmarsch durch Südpreußen und Schlesien nach Böhmen, sowie durch Pommern, Mecklenburg und Lauenburg nach West= falen gestattet.

IV. Hebersicht über die erften Vorgänge auf dem Kriegsschauplaße bis zur Kapitulation von Ulm.

Zum Verständniß der weiteren Vorgänge sei zuvörderst die Entwickelung der ersten kriegerischen Ereignisse in aller Kürze übersichtlich zusammengefaßt.

Die für das deutsche Kriegstheater bestimmten Streitkräfte Desterreichs waren bei Weitem noch nicht vollzählig in dem Lager zu Wels an der Traun versammelt, als am 2. September der General-Quartiermeister FeldmarschallLieutenant Mack den Befehl zum Vormarsch ertheilte. Absicht war es, durch schnelles und kräftiges Handeln einen Druck auf den Kurfürsten von Bayern zu üben, um die mit demselben schwebenden Verhandlungen wegen seines Anschlusses an Oesterreich zum günstigen Austrag zu bringen, andernfalls wenigstens die Truppen Bayerns nicht auf der Seite des Gegners zu finden. Die Armee setzte sich am 4. September in Bewegung, überschritt am 8. September in zwei Kolonnen bei Braunau und Schärding den Inn und rückte in eine auf 30 deutsche Meilen ausgedehnte Stellung an der Jller und Donau vor. Der linke Flügel lehnte sich an den Bodensee, der rechte reichte bis Ingolstadt.

Den Oberbefehl über diese am 6. Oktober 115 Bataillone, 118 Schwadronen, oder 59 450 Mann Infanterie, 12 734 Pferde starke Armee*) führte dem Namen nach der Erzherzog Ferdinand, in Wahrheit der

*) Ulm und Austerlit. Studie auf Grund archivalischer Quellen über den Feldzug 1805 in Deutschland von Moriß Edlen von Angeli, Major im K. K. KriegsArchive: Mittheilungen des K. K. Kriegs-Archivs. II. Jahrgang, Wien 1877, Seite 404.

Feldmarschall-Lieutenant Mack, an dessen Rathschläge der Erzherzog durch Kaiserliches Handbillet vom 5. Oktober gebunden war.

Die bayerischen Truppen, zum Theil noch in der Mobilmachung begriffen, zogen sich vor dem Anmarsche der Oesterreicher über Sulzbach und Forchheim zurück. Der Abschluß eines Bündnisses zwischen Bayern und Frankreich war schon am 24. August erfolgt.

Napoleon führte auf die Nachricht von dem seinen geheimen Wünschen entgegenkommenden Verfahren Oesterreichs sofort die im Lager von Boulogne versammelte und aus dem 3., 4., 5. und 6. Korps unter den Marschällen Davout, Soult, Lannes und Ney, sowie aus den Garden unter den Marschallen Mortier und Bessières, der Kavallerie-Reserve unter Murat und dem ArtilleriePark gebildete Armee gegen den Rhein, während das 1. Armee-Korps, unter dem Marschall Bernadotte, aus dem Kurfürstenthum Hannover durch Hessen auf Würzburg, das 2. Armee-Korps unter General Marmont aus Holland über Mainz ebendahin vorging. Beide Korps waren bestimmt, den linken Flügel der am 25. September auf der Linie Speyer-Straßburg den Rhein überschreitenden ehemaligen Küstenarmee zu bilden.

Feldmarschall-Lieutenant Mack beabsichtigte, im Besitz von Ulm, dem Angriffe Napoleons entgegenzutreten. Er hatte eine Avantgarde gegen die Schwarzwaldpässe vorgeschoben, hielt das Gros seiner Kräfte von Ulm südwärts hinter der Jller vertheilt, während ein Korps unter dem General Kienmayer in der Stärke von 20 Bataillonen, 34 Schwadronen*) an die Donau nach der Gegend von Neuburg und Ingolstadt entsendet war.

Das zu Preußen gehörige Ansbachsche Gebiet gewährte, wenn dessen Neutralität von Frankreich beachtet wurde, dem rechten österreichischen Flügel eine Anlehnung, denn es reichte südlich bis auf eine halbe Meile an das drei Meilen von der Donau entfernte Pappenheim heran, westlich bis Krailsheim und Sontheim.

Kaiser Napoleon beschloß, gerade diesen Flügel anzugreifen und führte seine, einschließlich der Bayern, 200 000 Mann starke Armee in der Weise vor, daß sie am 5. Oktober in die Linie Geislingen-Eichstädt**) gelangte. Somit war die rechte Flanke der Jller-Stellung bereits umgangen.

Gelingen konnte diese kühne Bewegung nur dadurch, daß Napoleon keinen Augenblick zögerte, die Neutralität Preußens zu verlegen. Schon am 27. September hatte er aus Straßburg an den Marschall Bernadotte, der den gesammten linken Flügel kommandirte, die entsprechenden Befehle abgehen lassen.

Der Marschall durchzog in Folge dessen in den Tagen vom 3. Oktober ab mit seiner Armee-Abtheilung, dem 1. und 2. Korps sowie den in zwei Divisionen getheilten 26 000 Mann starken Bayern, von Mainz und Würzburg aus in mehreren Kolonnen das Ansbachsche Gebiet.

*) Ulm und Austerlit. Mittheilungen des K. K. Kriegs-Archivs, II. 1877, S. 404. **) 14 deutsche Meilen.

Seine weitere Bestimmung ging dahin, die österreichischen Truppen unter General Kienmayer bei Ingolstadt und Eichstädt anzugreifen.

Die preußische Grenze war durch das Ansbachsche Husaren - Bataillon des Obersten v. Bila mit einzelnen Abtheilungen auf den verschiedenen Straßen besetzt. Als die ersten französischen Truppen sich der Grenze näherten, schickte der Oberst dem Marschall Bernadotte Offiziere nach Würzburg entgegen, um ihn auf die Beachtung der preußischen Neutralität aufmerksam zu machen. Der Marschall erklärte darauf, er habe bei seiner Armee befohlen, daß jeder französische Soldat, welcher die Grenze verleße und auf preußischem Gebiet betroffen würde, ohne Gnade erschossen werden solle. Zweifelhafter war der Wortlaut einer legten an die preußischen Offiziere gerichteten Aeußerung: „Versichern Sie in meinem Namen, daß, im Falle Durchmärsche durch Ihr Land geschehen sollten und müßten, sie nie anders als mit Bewilligung Ihres Hofes geschehen werden."

Als trop dieser Versicherungen am 1. Oktober französische Patrouillen und Abtheilungen, welche Unterkommen suchten, den preußischen Boden betraten, richtete auch die Ansbachsche Provinzialbehörde an den Marschall Bernadotte ein Protestschreiben, worauf derselbe erneut beruhigende Versicherungen gab und einen Frrthum vorschüßte. Auch die über die Grenze gekommenen französischen Truppentheile hatten sich noch ruhig abweisen lassen. Am 3. Oktober rückte indessen die Avantgarde des Korps Bernadotte unter General Kellermann in Ansbach ein und der Marschall selbst nahm in Uffenheim sein Hauptquartier.*) Der General Graf Tauenzien und der Kammerpräsident v. Schuckmann begaben sich sofort zu ihm, um gegen dieses völkerrechtlich unzulässige Berfahren Einspruch zu erheben. Der Marschall empfing sie mit der größten Zuvorkommenheit, berief sich jedoch auf den ausdrücklichen Befehl seines Kaisers und setzte nur hinzu, daß er die strengsten Anweisungen erlassen habe, keinerlei Ausschreitungen zu begehen.

Die kleine in den fränkischen Landen stehende preußische Truppenzahl befand sich natürlich nicht in der Lage, gegen die bis zum 6. Oktober fortdauernden Durchmärsche**) und gegen die Wegnahme von Verpflegungs

*) General Kellermann händigte einem der bei Seite gedrängten Offiziere, der ihm den Weg hatte verlegen wollen, die nachstehende Bescheinigung aus:

„Le général Kellermann, commandant la cavalerie de l'armée du général Bernadotte déclare qu'ayant reçu l'ordre de se rendre à Uffenheim s'est dirigé par Sickertshausen (Sichartshausen) où Msr. Arnheim, Lieutenant des Husars au service Prusse a voulu s'opposer à son passage, mais le général ayant reçu l'ordre de marcher à sa destination et présumant que le maréchal Bernadotte avait ses motifs pour lui ordonner cette direction, le général Kellermann n'a pu suspendre la marche et s'est cru obligé de passer outre avec sa division non obstant toute opposition."

à Sickertshausen le 3. gbre 1805.

le G Kellermann.

**) Auch Theile des Korps Davout durchzogen das Ansbachsche Gebiet.

gegenständen und Pferden etwas zu unternehmen. Insbesondere führten die Bayern ansehnliche Beitreibungen aus.

Diese Vorgänge erwiesen deutlich die geringe Achtung, welche Napoleon Preußen zugestand und die Werthlosigkeit einer Neutralität, sobald dieselbe nicht durch Kraft und Macht unterstügt wird. Der Kaiser war, als er bei der Armee eintraf, davon unterrichtet, daß Preußen gegen Rußland rüste, und rechnete überdies darauf, durch schnelle kriegerische Erfolge gegen Oesterreich den diplomatischen Weiterungen, welche ihm aus seinem gewaltthätigen Verfahren etwa erwachsen könnten, die Spize abzubrechen. Ein von seiner eigenen Hand aus den letzten Tagen des September herrührendes Marschtableau, in welchem die Quartiere des 1. und 2. Korps in Ansbach bereits vorgesehen sind, befundet, abgesehen von mehreren Stücken seiner Korrespondenz, wie lange vorher er schon entschlossen gewesen, die preußische Neutralität nicht zu berücksichtigen.*)

Vor dem überraschenden Erscheinen der sehr überlegenen Heersäulen Bernadottes wichen die unter Kienmayer an der Donau aufgestellten öfterreichischen Streitkräfte ohne ernsten Kampf gegen die Isar und den Inn zurück, um sich dort den nachrückenden österreichisch-russischen Streitkräften anzuschließen.

Am 6. Oktober gewannen die Franzosen bereits den Uebergang von Donauwörth, am 7. den von Neuburg. Einzelne österreichische Abtheilungen wurden am 8. Oktober bei Wertingen, am 9. bei Günzburg geschlagen. Feldmarschall-Lieutenant Mack, lange in völliger Unklarheit über die Absichten seines Gegners und außerdem in Täuschungen über die Widerstandsfähigkeit der früher geschleiften und jetzt nur nothdürftig wiederhergestellten Befestigungswerke von Ulm befangen, verblieb nach mehrfachen Schwankungen in seiner Stellung an der Jller. Am 14. und 15. Oktober folgten neue ungünstige Gefechte bei Elchingen und Ulm. Die Franzosen dehnten ihre Umfassung bis Memmigen aus und schlossen Mack mit dem Kern seines Heeres bei Ulm ein, während Marschall Bernadotte von Ingolstadt nach München vorging, um jede zu seinen Gunsten vom Inn her unternommene Einwirkung frühzeitig zu erkennen und zu vereiteln.

Am 17. Oktober 1805 kapitulirte die österreichische Armee bei Ulm in der Stärke von 20 000 Mann Infanterie, 3200 Mann Kavallerie mit 59 Geschützen.

Der Feldmarschall-Lieutenant Werneck war am 13., Erzherzog Ferdinand in der Nacht zum 15. Oktober auf dem linken Donau-Ufer von Ulm, jeder mit einigen Tausend Mann, abgerückt. Sie wurden jedoch von Theilen der Kavallerie - Reserve unter Murat und der Infanterie - Division Dupont so

*) Der Kurfürst von Bayern hatte auf Drängen des preußischen Gesandten Napoleon vor dem Durchmarsche ausdrücklich gewarnt. Der Kaiser antwortete unter dem 2. Oktober: „La Prusse ne serait pas raisonnable de nous faire cette querelle.“

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