Abbildungen der Seite
PDF
EPUB
[merged small][ocr errors][merged small][merged small][ocr errors][merged small][ocr errors][ocr errors][ocr errors][merged small][merged small][ocr errors][ocr errors][merged small][ocr errors][merged small][merged small][ocr errors][merged small][ocr errors][ocr errors][merged small][merged small][ocr errors][merged small][ocr errors][merged small][merged small]

Einleitung.

er Gedanke der bedingten Verurtheilung hat auch im Deutschen Reiche in den letzten Jahren immer mehr an Boden gewonnen.

Das Wesen dieser Einrichtung besteht bekanntlich in der dem Richter durch Gesetz ertheilten Befugniß, bei Fällung eines Strafurtheils die Strafvollstreckung mit der Wirkung auszusehen, daß die erkannte Strafe vollständig in Wegfall kommt, wenn der Verurtheilte innerhalb eines bestimmten Zeitraumes nicht wegen einer neuen strafbaren Handlung verurtheilt worden ist.

Es sind, wie Aschrott 1), die entscheidenden Gesichtspunkte knapp zusammenfassend, bemerkt, zwei Momente, welche der Institution der bedingten Verurtheilung das allgemeine Interesse gewonnen und zu ihrer schnellen Verbreitung geführt haben. Zunächst die Thatsache, daß die Vollstreckung kurzzeitiger Freiheitsstrafen, deren Zahl in Folge der durch die Entwickelung des Verkehrs- und Rechtslebens immer mehr zunehmenden Strafandrohungen eine sehr große ist, vielfach nicht zur Besserung der Bestraften führt, sondern vielmehr neue Strafthaten verursacht. Diese Thatsache findet ihre Erklärung einmal in dem Zustande der Gefängnisse, in denen die kurzzeitigen Freiheitsstrafen verbüßt werden und in denen die sittlich noch unverdorbenen Insassen, deren Fehltritt lediglich auf Leichtfertigkeit, Unbesonnenheit und Unerfahrenheit zurückzuführen ist, durch den Verkehr mit den ebenfalls in den Gefängnissen befindlichen wirklich gefährlichen und in allen Lastern erfahrenen Elementen der Gefahr der moralischen Ansteckung ausgesezt sind, und sodann in der gesellschaftlichen Brandmarkung, die denjenigen trifft, der einmal »gesessen« hat, und die ihm die Möglichkeit eines ehrlichen Fortkommens nach seiner Entlassung aus dem Gefängnisse häufig erheblich erschwert. Aber die bedingte Verurtheilung findet ihre Begründung nicht nur in der Vermeidung dieser mit der Vollstreckung kurzzeitiger

1) In den Preußischen Jahrbüchern Band 84, Heft 1.

Görres-Ges., III. Vereinsschrift für 1896.

1

Freiheitsstrafen häufig verbundenen Uebelstände, sondern sie hat auch ihren eigenen Werth. Man argumentirt psychologisch sicherlich richtig, daß der sittlich noch unverdorbene Delinquent, wenn die Strafe, welche ihn für seinen Fehltritt von Gefeßes wegen trifft, zunächst suspendirt bleibt und ihre Vollziehung davon abhängig gemacht wird, ob er sich während einer Probefrist wohl verhält, alle Energie zusammennehmen wird, um sich der ihm vor Augen gehaltenen Vergünstigung des Straferlasses würdig zu zeigen. Das durch diesen psychologischen Zwang veranlaßte Bestreben der Selbstbeherrschung hat einen hohen erzieherischen Werth und dient daher nicht nur dem Delinquenten selbst, sondern auch dem Gemeinwohle mehr, als es selbst von dem besteingerichteten Strafvollzug zu erwarten ist.“

Die bedingte Verurtheilung im preußischen

Abgeordnetenhause.

Große Fortschritte hat die auf Einfügung der bedingten Verurtheilung in das deutsche Strafrechtssystem abzielende Bewegung gemacht seit das preußische Abgeordnetenhaus und der deutsche Reichstag mit der Frage befaßt worden sind.

Im preußischen Abgeordnetenhause 2) lenkte am 13. Februar 1895, bei der Berathung des Justizetats, der Abg. Oberlandesgerichtsrath Roeren die Aufmerksamkeit des Justizministers auf die großen Vortheile dieser Einrichtung, indem er betonte, daß die Verhältnisse, wie sie im Volksleben sich entwickelt haben, mit Nothwendigkeit dazu drängten, derselben näher zu treten.

[ocr errors]

Es ist Thatsache," so führte der genannte Abgeordnete unter anderm aus, „daß die Zunahme der Verbrechen und Vergehen und folgeweise auch der Verurtheilungen, namentlich der Verurtheilungen wegen kleinerer Vergehen von Jahr zu Jahr wachsend eine erschreckende ist, so daß die Gefängnisse nicht mehr reichen, um die ihnen Ueberwiesenen aufzunehmen. Im diesjährigen Etat der Justizverwaltung werden allein bei den außerordentlichen Ausgaben unter 19 verschiedenen Titeln ganz erhebliche Summen gefordert für Neubauten und Erweite

2) Diese Verhandlungen sind bereits in der zweiten Auflage meiner Schrift über die bedingte Verurtheilung erwähnt worden. Der Verf.

« ZurückWeiter »