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zu Zeiten in minder fruchtbarem Erdreich ihre Wurzeln schlug, oder wohl selbst in dem aufgeschütteten Boden starrer Schulsatzungen verkümmerte.

Der Staat, der seine Gesetzgebung auf die Erkenntnifs der Wirklichkeit gründet, der von den Naturwissenschaften Aufklärung über das menschliche Gesammtleben in jeder Beziehung erwartet, fordert von seinen Aerzten mit allem Rechte eine vielseitige Einsicht in das Wesen und die Ursachen der Volkskrankheiten. Eine solche, der Würde einer Wissenschaft entsprechende Einsicht kann aber nicht aus der Beobachtung vereinzelter Volkskrankheiten gewonnen werden, weil die Natur in ihnen niemals alle ihre Seiten entfaltet, und von den Gesetzen des allgemeinen Erkrankens immer nur wenige in Wirksamkeit treten läfst. Es genügt nicht einmal ein Menschenalter, wäre es auch noch so reich an grofsen Erfahrungen, um eine dieses Namens werthe Lehre von den Volkskrankheiten im Kreise erlebter Erscheinungen zu begründen: die Erfahrung aller Jahrhunderte ist hier die Quelle, aus der geschöpft werden muss, und die ärztliche Forschung der einzige Weg, der zu dieser Quelle führt, will man nicht neuen

Volkserkrankungen unvorbereitet entgegentreten, und die Meinung, dafs die gegenwärtige Heilkunde das vollgültige Ergebnifs aller früheren Bestrebungen sei, in ihrer ganzen Unwahrheit bestehen lassen. Es sind auch nicht blofs die allgemeinen Erkrankungen, welche in der Reihe der Jahrhunderte in verschiedenartiger Ausbildung hervortraten; die Einsicht in jede einzelne Krankheit, sie mag in grofsen oder in kleinen Verhältnissen vorkommen, gewinnt an Klarheit durch die Erkenntnifs ihrer zeitlichen Entwickelung. So möge sich denn auch die Aufmerksamkeit und der Fleifs für Wahrheit und Wissenschaft begeisterter Aerzte der historischen Forschung allgemeiner zuwenden, und ihr an Hochschulen und Akademieen die Stellung zugestanden werden, die ihr bei der hohen Wichtigkeit ihrer Gegenstände als einem weitausgebreiteten Zweige der Naturforschung gebührt!

Ob die vorliegende Untersuchung über eine der denkwürdigsten Krankheiten diesen Ansichten entspricht, muss ich dem Urtheile meiner Leser anheim stellen. Die Geschichtforscher werden erkennen, welche Lebensstimmung der Völker sich durch grofse Begebenheiten hindurchzieht, und den Aerzten

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wird sich das Bild eines Leidens enthüllen, dem unter den Krankheiten dieser Zeit kein gleiches zur Seite steht. Ich habe durchweg den Geist und die Würde des sechzehnten, in Sieg und Trauer grófsen Jahrhunderts im Auge behalten, und rechne auf Nachsicht und Wohlwollen, welches mir schon durch freundliche Beihülfe in der Nähe und Ferne in höherem Mafse zu Theil geworden ist, als mein inniger Dank auszusprechen vermag.

Berlin, den 5. Januar 1834.

H.

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