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schreckenschwärme ), als sollte auch dieses Vorzeichen grofser Volkskrankheiten nicht fehlen. Von Feuermeteoren, die auch in den folgenden Jahren oft- Meteore. mals erschienen, und in ihrer Gesammtheit offenbar einen ungewöhnlichen Zustand des Luftmeers erkennen lassen, wird hier und da in der Weise des Zeitalters viel berichtet 2). Besondere Aufmerksamkeit erregte ein langer feuriger Strahl, der am 2. Januar 1529 Morgens sieben Uhr in ganz Mecklenburg und Pommern gesehen wurde 3). Ein anderes Feuerzeichen (Chasma) sah man in der Mark am 9. Januar, zehn Uhr Abends ), so wie ähnliche Lufterscheinungen in anderen Gegenden.

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Kometen erschienen im Verlauf dieser Jahre in Kometen. ungewöhnlicher Zahl 5). Der erste am 11. August 1527 vor Tagesanbruch; man sah ihn in ganz Europa, und er wurde von den Späteren oft mit einer kometenähnlichen Lufterscheinung am 11. October verwechselt). Der zweite 1529 im Juli und August; man sah ihn in Deutschland, Frankreich und Italien. Auch sollen sich in diesem Jahre vier andere Kometen zu gleicher Zeit gezeigt haben, doch ist hier wahrscheinlich nur ein Feuermeteor von unbekannter Art

1) Annales Berolino-Marchici. (Ohne Seitenzahl.)
2) Magnus Hundt, fol. 4. b., und viele andere.

3) Bonn, S. 143. Ein Mädchen in Lübeck starb vor Schreck über dieses Meteor.

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5) Man wolle aus diesen Angaben nicht auf irgend eine vorgefafste Meinung des Verf. über die Bedeutung dieser Himmelskörper schliessen. Der Geschichtschreiber darf die gleichzeitigen Erscheinungen nicht übergehen, gleichviel was man aus ihnen bei der Beschränkung des menschlichen Gesichtskreises folgern möge. 6) Pingré, T. I. p. 485. Spangenberg, M. Chr. fol.

410. a.

1529. Deutschland.

Warmer
Winter.

zu vermuthen '). Der dritte 1531, der in Europa vom 1. August bis zum 3. September sichtbar blieb. Es war der grofse Halleysche, der im Jahre 1835 wiederkehren wird 2). Der vierte 1532, vom 2. October bis zum 8. November sichtbar; er ist 1661 wieder erschienen 3); und endlich der fünfte 1533, von der Mitte des Juni bis zum August 4).

3

Ueber die Unzuträglichkeit des verhängnissvollen Jahres 1529 berichten die Zeitgenossen in auffallender Uebereinstimmung. Der Winter war äusserst gelinde, und nur allzu frühzeitig wurden die Keime belebt, so dafs alle Welt über den milden und schönen Frühling erfreut war. In Erfurt schmückte man sich schon am St. Matthiastage (den 24. Februar) mit Veilchen, nicht ahnend, dafs diese freundliche Vorbedeutung hartes Mifsgeschick verkünden sollte 5). Das Nasser ganze Frühjahr, den ganzen Sommer über blieb die Sommer. Nässe vorherrschend. Anhaltende Regengüsse überschwemmten die Felder, die Flüsse traten aus ihren Ufern, das Gedeihen der Früchte wurde durchweg vereitelt *), und allenthalben brach Elend und Hunger herein. Einer viertägigen Regenfluth im südlichen

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2) Pingré, p. 487. - Campo, p. 154. - Angelus, S. 320., und unzählige andere Angaben. Er hat eine 76jährige Umlaufszeit, und ist 1456, 1531, 1607, 1682 und 1759 beobachtet worden. 3) Pingré, p. 491. - Spangenberg, M. Chr. fol. 433. b. 4) Pingré, p. 496. Angelus, S. 322. — Spangenberg, M. Chr. fol. 435. a.

5) Chronik von Erfurt. Mit denselben Worten bei Spangenberg, M. Chr. fol. 431. b., der diese Chronik häufig benutzt hat.

6) Den sauern Wein dieses Jahres nannte man den Wiedertäufer-Wein. Schwelin, S. 144.

Deutschland in der Mitte des Juni

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man nannte sie

St. Veits-
Gufs.

den St. Veits-Gufs erinnerte man sich als eines unerhörten Ereignisses noch in späterer Zeit. Ganze Länderstrecken geriethen in die äusserste Wassersnoth, und viele Menschen kamen um, die sich nicht zeitig genug retten konnten 1). Ein ähnliches, sehr weit verbreitetes, vielleicht allgemeines Unwetter, wiederholte sich am 10. August, und veranlafste beson- Gewitter, den 10. August. ders in Thüringen und Sachsen grofse Ueberschwemmungen 2). Im Ganzen brach die Sonne nur wenig durch die dichten grauen Wolken: der Spätsommer und der ganze Herbst mit Ausnahme einer Reihe heifser Tage vom 24. August an 3), blieben trübe und nafskalt; man glaubte die brittische Nebelluft zu athmen *).

Es darf hier nicht übergangen werden, dafs man Fischgift. im nördlichen Deutschland, besonders aber in der Mark Brandenburg, den Genufs von Fischen, die in grofser Menge gefangen wurden, allgemein für schädlich hielt. Man wollte böse und ansteckende Krankheiten davon beobachtet haben, und man war darüber verwundert, dafs die einzige Speise, die die Natur freigebig spendete, so offenbar Verderben brachte 5). Es möchte

1) Crusius, B. II. S. 323. St. Veits-Tag ist den 15. Juni. In Heidelberg fing man auf dem Neckar ein Kind auf, das sechs Meilen weit unverschrt in seiner Wiege geschwommen war. Franck, fol. 252. b.

2) Spangenberg, M. Chr. fol. 432. a.

3) Klemzen, S. 254.

Newenar, fol. 69. a.

4) Schwelin, S. 144. ,, fecit tamen huius anni, ac fortasse etiam praecedentium intemperies, fluminum exundationes, frigora cum humiditate perpetuo coniuncta, ut iam in Germania Britannicus quidam aër suscitatus videri possit.“. Aehnliche Angaben finden sich bei fast allen Chronisten.

5) Leuthinger, p. 90. Siehe Scriptorum etc.

Erkranken der Vögel.

schwer fallen, den Grund dieser Erscheinung, über die nur vereinzelte Angaben sprechen, noch jetzt auszumitteln, doch ist es mit Uebergehung aller anderen Vermuthungen wohl glaublich, dafs sich entweder ein wirkliches Fischgift entwickelte 1), oder will man dies nicht annehmen, dass allgemeine Verstimmungen des Lebens, wie sie in grofser Hungersnoth vorausgesetzt werden müssen, die Fische in ähnlicher Weise der Gesundheit unzuträglich machten, wie etwa nach überstandenen Wechselfiebern, wenn die Verrichtungen des Unterleibes auf eine dieser Krankheit eigenthümliche Weise gestört sind.

Aber nicht blofs die Bewohner des Wassers kamen in Aufruhr durch verborgene Regungen im Gesammtleben des Organischen, auch die Thiere der Luft erkrankten, die in ihren ausgebildeten, reizbaren Werkzeugen des Athmens die schädlichen Einflüsse des Dunstkreises viel früher und deutlicher empfinden, als alle unbefiederten Geschöpfe, und oft schon die Verkündiger grofser Gefahr gewesen sind, wenn sich deren die Menschen noch nicht versahen. In der Umgegend von Freiburg im Breisgau fand man hier und da todte Vögel unter den Bäumen, mit erbsengrofsen Eiterbeulen unter den Flügeln, den Spuren einer unter ihnen verbreiteten Krankheit, welche wahrscheinlich noch in viel gröfserer Ausdehnung, als in den südlichen Rheinlanden vorkam 2).

Hungersnoth Die Hungersnoth in Deutschland während dieses in Deutschland 1529. Jahres wird von glaubwürdigen Männern mit grofser Theilnahme geschildert. Ganz besonders wurden von ihr Schwaben, Lothringen, Elsafs und die übrigen süd

1) Vergl. Autenrieth's vorzügliches Werk hierüber.
2) Schiller, sect. I. cap. 2. fol. 3. b.

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lichen Rheinlande heimgesucht, so dafs hier das Elend
dieselbe furchtbare Höhe erreichte, wie in Frankreich.
Die Armen wanderten aus, und durchstreiften das
Land, nur um ihr jammervolles Dasein zu fristen.
Nach Strafsburg kamen über tausend dieser halbver-
hungerten Bettler aus Schwaben. Man gab ihnen Ob-
dach in einem Kloster, und suchte sie zu erquicken;
doch konnten viele die Speise, die man ihnen reichte,
nicht mehr vertragen
Pflege und Stärkung beschleu-
nigten ihren Tod. Im Herbst kam ein anderer Haufe
von mehr als achthundert aus Lothringen. Man be-
hielt diese Unglücklichen in der Stadt, und speiste sie
den ganzen Winter über 1), doch ist leicht zu be-
greifen, dafs diese Mildthätigkeit, die ohne Zweifel
auch in anderen Städten ausgeübt wurde 2),
hätte in Deutschland je die Menschenfreundlichkeit ge-
fehlt das tiefwurzelnde Uebel nur hier und da lin-
dern konnte. Im Gebiet von Venedig sollen viele
Hunderte Hungers gestorben sein, und ähnliche Noth
herrschte wahrscheinlich in ganz Oberitalien.

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wann

Im nördlichen Deutschland, das ausgedehnte Sand- Selbstmord. ebenen umschliefst, auf welche die Nässe nicht so nachtheilig einwirkt, wie auf schweren Lehmboden, war der Zustand im Ganzen erträglicher 3). Doch wurde, abgesehen von den zahllosen Uebeln, welche die Theuerung an sich schon hervorruft, sogar der Selbstmord häufiger *) gewifs eine seltene Erscheinung im sechzehnten Jahrhundert, und nur erklärlich aus der Verzehrung der geistigen Kraft durch

1) Franck, fol. 243. b.

2) Namentlich wird auch unter anderen Basel gerühmt. Stettler, Th. II. S. 34.

3) Spangenberg, a. a. O. 4) Leuthinger, p. 89.

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