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Pietro Lando

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Doria war schon früher zum

Kaiser übergegangen 1), -die Seuche ausgebrochen, und so wurde das rühmlich begonnene Unternehmen auf allen Seiten von dem Unstern des Jahres vereitelt.

Von welcher Art diese mächtige Krankheit gewesen, hat kein ärztlicher Zeitgenosse beschrieben, und die Geschichtschreiber haben darüber nur Angaben aufbewahrt, die der Untersuchung keinen hinreiFleckfieber. chenden Stoff darbieten. Gewifs ist es, dafs im Jahre

1528. 1528 ein sehr bösartiges Fleck fieber in Italien ver

breitet war, und im eigentlichen Sinne des Wortes so entschieden herrschte, dafs es selbst, wie die Schweifssucht den Engländern, den Italienern ins Ausland folgte, wie das Beispiel des gelehrten Venetianers Naugerió beweist, der mit einer Gesandtschaft an Franz I. beauftragt, zu Blois an der Loire an eben dieser Krankheit starb, die man in Frankreich noch gar nicht kannte 2). Die Zeitgenossen versichern, dafs diese Seuche in dem ohnehin schon durch Kriege und Fehden zerrütteten Lande bedeutende Verhecrungen gemacht habe, und so leidet es wohl keinen Zweifel, sie war in eben diesen Jahren die Hauptkrankheit, die sich bei aufserordentlichen Vorfällen bedeutend hervorthun konnte. Eine Seuche, die unmittelbar vor der Belagerung von Neapel in Cremona den dritten Theil der Einwohner tödtete, ist wahrPest in Mai- scheinlich ein Fleck fieber gewesen ). Doch kam auch hier und dort die ältere Drüsenpest vor. Sie

land. 1524.

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1) Mezeray, T. II. p. 963.

2) Fracastor. Morb. contag. L. II. c. 6. p. 155. 156.

3) Sie brach zu Anfang des Februar aus, und herrschte die folgenden Monate bindurch. Campo, p. 151.

war es, die im Jahre 1524 50,000 Menschen in Mailand wegraffte '), auch scheint die Seuche keine andere gewesen zu sein, die nach der Plünderung von Rom unter den deutschen Landsknechten ausbrach, In Bourbon's Heer. 1527. und in kurzer Zeit zwei Dritttheile dieser Truppen aufrieb. Die Zeitgenossen sahen darin eine gerechte Strafe Gottes für die Entweihung des heiligen Stuhles, da auch in den nächsten Jahren alle übrigen Theil nehmer an der Erstürmung der ewigen Stadt ein ihrer würdiges Ende gefunden 2) — sie brachten aber nicht die thierische Völlerei und die Ausschweifungen der Soldaten in Anschlag, deren Raubsucht das Pestgift in den verborgensten Winkeln aufsuchte, bedachten auch nicht, dafs die Pest selbst in die Engelsburg eindrang, und fast unter den Augen des Papstes einige Hofleute tödtete 3). Von eben jenen Landsknechten kamen im folgenden Jahre unter dem Prinzen von Oranien viele nach Neapel, und es kann wohl mit gutem Grunde angenommen werden, dafs sie frische Keime der Pest nach dieser Stadt gebracht haben, womit denn auch die nicht unglaubliche Erzählung zu vereinigen ist, dafs die Belagerten angesteckte und erkrankte Soldaten zu den Franzosen geschickt hätten, um unter ihnen giftige Seuchen zum Ausbruch zu brin gen *). Eben dieser Umstand spricht für die Drü senpest, denn man kannte die entschiedene Sicher heit ihrer Ansteckungskraft, mit der die mehr bedingte Mittheilbarkeit der neuen Krankheit nicht zu verglei+ chen schien 5). Auch war derselbe unheilbringende

1) Guicciardini, p. 1054.
2) Mezeray, T. II. p. 957.
3) Guicciardini, p. 1276.

4) Ebend. p. 1315.5) S. oben S. 31. ..

Epidemische

Versuch wohl öfter schon in früheren Zeiten gemacht worden.

Doch ist auch auf der andern Seite zu beden

Einflüsse. ken, dafs das französische Kriegsheer dem epidemischen Einflusse der Luft, des Wassers und der allgemeinen Naturkräfte mehr als irgend ein anderer Verein von Menschen ausgesetzt, und dafs dieser Einfluss in dem Jahre 1529 vielleicht mächtiger war, als zu irgend einer andern Zeit im sechzehnten Jahrhundert. Die Nebelbildung in der Sommerhitze ist jederzeit eine aufserordentliche Erscheinung '), die auf ein Mifsverhältnifs in der Wechselwirkung der Stoffe und Kräfte in den niederen Luftschichten entschieden hindeutet. Sie war aber nicht blofs von örtlichen Bedingungen bei Neapel abhängig, sondern in ganz Italien bemerkte man während des Sommers 1528 graue Nebel, welche die Unzuträglichkeit der Luft augenfällig machten 2). Hierzu kamen die anhaltenden, in Italien ohnehin schon immer nachtheiligen Südwinde, so wie die tausend Widerwärtigkeiten des Lagers; und so mufste wohl auf dem nassen Boden von Poggio reale die schon in ganz Italien herrschende Krankheit ausbrechen wir meinen das Fleck fieber. Es giebt in der Geschichte der Volkskrankheiten einen psychischen Beweis von der Herrschaft des epidemischen Einflusses, der unter den verschiedenartigsten Verhältnissen deutlich und verständlich hervortritt. Es ist der Glaube an die Vergiftung des Wassers, selbst auch der Luft 3). Dieser Beweis fehlt nicht bei der Todesgeschichte des französischen Hee

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1) Sie wurde bekanntlich auch in dem Sommer 1831, vor dem Ausbruche der Cholera beobachtet.

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res vor Neapel. Denn man glaubte allgemein, es hätten sich Spanier von maurischer Abkunft, denen man eine besondere Fertigkeit zutrauete, mit Giften umzugehen, und Juden aus Deutschland, die den beutebeladenen Landsknechten des Gewinnstes wegen gefolgt waren, bei nächtlicher Weile aus der Stadt geschlichen, um das Wasser in der Nähe des Lagers zu ver giften 1). Auch sollte ein italienischer Apotheker den französischen Rittern Gift in den Arzneien gereicht haben 2). Man kann hier den Untersuchungen der Naturkundigen nicht vorgreifen die in Bezug auf Luft und Wasser noch in keiner erheblichen Volks

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krankheit von Erfolg gewesen sind es ist indessen nicht unwahrscheinlich, dafs das Grund- und Quellwasser unter ähnlichen Umständen wie die hier beschriebenen, eine ihm sonst nicht inwohnende Schädlichkeit annimmt, welche zu dem Glauben an hineingeworfenes Gift sehr natürlich Veranlassung giebt. Im Uebrigen kann jene Beschuldigung gewifs nach derselben Ansicht beurtheilt werden, die in einer früheren Untersuchung über den schwarzen Tod ausgesprochen worden ist.

Aus allen diesen Umständen wird die Annahme überaus wahrscheinlich, dafs in dem französischen Lager das Fleck fieber geherrscht habe, und will man noch auf zufällige Berichte von Geschichtschreibern einigen Werth legen, so möchte vielleicht noch in Anschlag kommen, dafs Prudencio de Sandoval, der nach guten Quellen gearbeitet hat, die Krankheit „las Bubas“ nennt 3). Dieser Name setzt zwar

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3) Der spanische Name für die Lustseuche, den dieselbe wegen der vorherrschenden Ausschläge erhielt. Er ist dem franzö

eine ziemlich abenteuerliche Verwechselung mit der Lustseuche voraus, wie denn auch von Sandoval die Krankheiten unter den französischen Heeren von 1495 und 1528 wunderlich durch einander geworfen werden, zeigt aber doch, dafs sich die Erinnerung an vorherrschende Ausschläge bei der Seuche von 1528 erhielt, und somit möchte wohl diese ganze Angabe um so mehr auf Fleckfieber zu beziehen sein, da derselbe Geschichtschreiber versichert, die Franzosen hätten die Seuche nach dem Dorfe Poggio reale „les Poches" genannt '), mit welcher Benennung man schwerlich die wohlbekannte Drüsenpest bezeichnet haben würde. Wollen wir aber glauben, dafs zu gleicher Zeit verschiedene Krankheiten im französischen Heere geherrscht haben, so hat diese Annahme nicht nur das ausdrückliche Zeugnifs eines Zeitgenossen 2), sondern auch viele ältere und neuere Erfahrungen ) für sich, die unter ähnlichen Umständen, wie die damals obwaltenden gesammelt worden sind. Zu bedauern ist es für immer, dafs kein scharfblickender Machaon im Lager vor Neapel weilte; er würde uns gewiss kernhafte Beobachtungen über die

Ver

sischen,,la vérole" und dem deutschen „,französische Pocken" ganz entsprechend. An Bubonen ist dabei nicht zu denken. Sandoval, Part. II. p. 12. 14. Vergl. Astruc, T. I. p. 4.

1) In der Madrider Ausgabe desselben Werkes, 1675. fol. L. XVII. p. 232. b.

2),, Auster namque ventus per eos dies perflare et mortiferum crassioris nebulae vaporem ex palustri ortum uligine, per castra dissipare et circumferre ita coeperat, ut aliis ex causis conceptae febres in contagiosum morbum verterentur." vius, L. XXVI. P. 127.

Jo

3) In Torgau, wo 1813 und 14 30,000 Franzosen ihr Grab fanden, herrschten zwei ganz von einander verschiedene Krankheiten, Typhus und Diarrhöe. S. Richter.

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