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1557.

Noch vier ähnliche Volkserkrankungen wie die von 1510 kamen im sechzehnten Jahrhundert vor, zwei ganz allgemeine in den Jahren 1557 und 1580, und zwei minder verbreitete in den Jahren 1551 und 1564 '). 1551. 1564. Von jenen beiden besitzen wir genauere Beschreibungen, es wird daher zur richtigen Beurtheilung der Influenz von 1510 um so mehr beitragen, wenn wir auch diese hier berücksichtigen, da die bewährtesten Zeitgenossen alle diese Erkrankungen als gleichartig zusammenstellen. 1557, während des trockenen und unfreundlichen Sommers, wurden die Kranken unter drückendem Kopfschmerz plötzlich von Heiserkeit und Brustbeschwerde befallen, dann trat Schüttelfrost und so gewaltiger Husten ein, dafs sie davon, besonders die Nacht über, zu ersticken glaubten. Zuerst war dieser Husten trocken, gegen den siebenten Tag, oder noch später, kam jedoch reichlicher Auswurf, entweder von dickem Schleim, oder von dünner, schäumiger Flüssigkeit. Darauf liefs der Husten etwas nach, und der Athem wurde freier; während des ganzen Verlaufes der Krankheit aber klagten die Befallenen

tre air corrompu qui engendra une très mauvaise maladie, que l'on appelloit Ladendo (dit un auteur de ce temps là) et n'y auoit homme ou femme, qui presque ne s'en sentist durant le temps qu'elle dura. Elle commençoit aux reins, comme si on eust eu une forte gravelle, en après venoient les frissons, et estoit on bien huict ou dix iours qu'on ne pouvoit bonnement boire, ne manger, ne dormir. Après ce venoit une toux si mauvaise, que quand on estoit au Sermon, on ne pouvoit entendre ce que le Sermonateur disoit par la grande noise des tousseurs. Item elle eust une très forte durée jusques après la Toussaincts (1. Nov.) bien quinze iours ou plus. Et n'eussiez gueres veu homme ou femme qui n'eust la bouche ou le nez tout esseué de grosse rongne, et s'entre-mocquoit le peuple l'un de l'autre, disant: As tu point eu Ladendo?"

1) Reusner, p. 75.

1580.

über unerträgliche Müdigkeit und Vernichtung der Kräfte, Mangel an Efslust, ja selbst Ekel vor Speisen, Unruhe und Schlaflosigkeit. Bei den meisten entschied sich das Uebel durch reichlichen Schweifs, bei anderen mit Durchfall. Arme und Reiche, überhaupt die verschiedenartigsten Menschen, und von jedem Alter wurden von dieser Krankheit zu ganzen Schaaren und zu gleicher Zeit ergriffen, auch theilte sie sich von einem Kranken leicht der ganzen Hausgenossenschaft mit. Für diesmal starben fast nur Kinder daran, die dem erschütternden Husten nicht gewachsen waren, und die Aerzte konnten mit ihren Arzneien die Krankheit nur wenig lindern, oder ihren verderblichen Verlauf hemmen. In Frankreich erinnerte man sich sogleich wieder des nun schon herkömmlichen Namens, doch blieb die Krankheit nicht auf dieses Land beschränkt, sondern herrschte mit nicht geringen Formverschiedenheiten eben so allgemein in Italien, Deutschland, Holland, ja ohne Zweifel wohl noch in gröfserer Ausdehnung 1). Eben so die Influenz von 1580, die sich über ganz Europa verbreitete, und weniger heftig wie es scheint, mit der von 1831 und 1833 mehr übereinstimmt 2), deren Bild noch den meisten unserer Leser aus eigener Erfahrung erinnerlich ist.

1) Valleriola, Loc. med. comm. Append. p. 45. Schenck a Grafenberg, Lib. VI. p. 552. — Vergl. Short, T. I. p. 221.

2) Reusner, p. 72. Einige hier angeführte Synonyme können die ärztlichen Ansichten des Zeitalters über diese Krankheiten anschaulich machen: Catarrhus febrilis. Febris catarrhosa. Ardores suffocantes. Febris suffocativa. Catarrhus epidemicus. Tussis popularis. Cephalaea catarrhosa. Cephalalgia contagiosa. Gravedo anhelosa, Fernel. Der böhmische Ziep. Der Schafhusten. Die Schafkrankheit. Die Lungensucht. Das Hühnerweh u. m. a. Bei der Influenz von 1580 bemerkte man hier und da sehr starke Schweifse, so dafs einige Aerzte glaubten, der englische

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der

Eine weitere Untersuchung dieses überaus wichtigen Gegenstandes würde über die Gränzen dieser Abhandlung weit hinausgehen, denn hier sind grofse und tiefeingreifende Erscheinungen des menschlichen Gesammtlebens zu berücksichtigen, die nur in gröfserem Zusammenhange anschaulich werden können, doch mufs wenigstens die Verbindung angedeutet werden, Bedeutung in der die Influenzen mit den gröfseren Volkskrank- Influenzen. heiten stehen. Diese ist ganz augenscheinlich. Denn so wie Katarrhe in einzelnen Menschen nicht selten Vorläufer bedeutender Krankheiten sind, denen der Körper bald nach ihnen erliegen soll, diese begleiten, oder ihnen auch nachfolgen 1) die Reizung der Schleimhäute ist ja oft nur ein äufseres Merkmal tieferer Regung so sind auch die Influenzen gewöhnlich nur die ersten Offenbarungen, zuweilen aber auch die Nachklänge weitverbreiteter Volkskrankheiten. Das neueste Beispiel ist noch in frischem Andenken. Der Influenz von 1831 folgte die indische Brechruhr auf dem Fulse, und kaum war diese nach erneuter Regung im östlichen und mittleren Europa verschwunden, so schien die Influenz von 1833 den allgemeinen Frieden zu verkünden. Auf die Influenz von 1510 folgte eine Pest im Norden Europa's, die in Dänemark den Sohn

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Schweifs wollte wiederkehren fast so, wie man bei dem Gröninger Wechselfieber (1826) und bei der Cholera von 1831 ohne alle Kenntnifs der Sache vom schwarzen Tode sprach. Schneider, L. IV. c. 6. p. 203.

1) Dafs die Aerzte des sechzehnten Jahrhunderts mit dieser Beobachtung vertraut waren, kann eine Aeufserung von Houlierbestätigen:,,Nulla fere corporis humani aegritudo est, quae non defluxione humoris alicuius e capite aut excitari aut incrementum accipere possit." Morb. int. L. I. fol. 68. b.

heit.

des Königs Johann tödtete 1); 1551 ist das Jahr der fünften Schweifsfieberseuche; 1557 trat nach der Influenz eine Drüsenpest in Holland auf, die bis in das folgende Jahr dauerte, und in Delft 5000 Einwohner wegraffte 2); 1564 herrschte eine sehr mörderische Pest in Spanien, an der in Barcelona 10,000 Menschen starben, und endlich 1580, dem letzten Influenzenjahre dieses Jahrhunderts, eine Pest im gröfsten Theile Eu`ropa's (in Paris starben 40,000) und in Aegypten 3).

7. Volkskrankheiten von 1517.

Wir kehren jetzt zum Jahre 1517 zurück, und wollen nun die Volkskrankheiten betrachten, welche die englische Schweifsfieberseuche begleiteten. Hier Hauptkrank- zeigt sich zuerst die Hauptkrankheit, jenes hirnentzündliche, in Mitteleuropa so oft wiederkehrende Fieber, durch ganz Deutschland in nicht geringer Verbreitung. Viele starben an dieser gefahrvollen Krankheit, und von den Zeitgenossen wird versichert, dafs auch andere hitzige Fieber zwischendurch vielen tödtlich geworden seien 4). So stand es in Deutschland, dem Herzen Europa's. Noch viel bedeutungsvoller erDiphtheritis scheint aber eine andere, den Aerzten bis dahin noch in Holland. ganz unbekannte Krankheit in Holland, die in den ersten Monaten des Jahres 1517 auftrat, und mit ihren gefahrvollen, so ganz unerklärbaren Zufällen Furcht und Schrecken verbreitete. Es war eine bösartige, und nach der Versicherung eines sehr achtbaren ärztlichen

1) Hvitfeldt, Danmarks Riges Kronike.

2) Forest. Lib. VI. Obs. IX. p. 159.

3) Webster, Vol. I, p. 157. 165. Villalba, T. I. p. 102. 117., und Schnurrer.

4) Spangenberg, M. Chr. fol. 408. b.

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lichen Augenzeugen, selbst mittheilbare Halsentzündung, von so raschem Verlaufe, dafs wenn in den ersten acht Stunden keine Hülfe gebracht wurde, die Kranken noch vor Ablauf des Tages ohne alle Rettung dem Tode verfielen. Augenblicklicher Halsschmerz und gewaltige Brustbeklemmung in der Herzgegend, drohten und brachten endlich Erstickung, die Muskeln des Halses und der Brust wurden in den Anfällen von heftigen Schmerzen durchzuckt, und nur kurze Linderung trat ein, bis zur Wiederholung der tödtlichen Qual. Die Krankheit begann ohne alle Vorzeichen mit einem heftigen Brustkatarrh, der sich rasch zur Entzündung der Luftwege steigerte, und wenn der Tod nicht an demselben Tage erfolgte, wohl auch in eine lebensgefährliche Lungenentzündung von gewöhnlichem Verlauf, jedoch mit sehr hitzigem Fieber überging. Zuweilen bemerkte man auch einen minder gefährlichen Uebergang in Wechselfieber; doch gelang in keinem Falle eine rasche. Wiederherstellung, sondern wenn auch schon das Fieber beseitigt war, so blieben die Kranken noch mindestens vier Wochen lang mit Magenweh und grofser Hinfälligkeit behaftet, welche Erscheinung für einen Arzt unserer Zeit aus den Geschwürchen und Rissen der Zunge, welche auf der Höhe des Fiebers entstanden, und gegen die gebräuchlichen Mittel hartnäckig blieben, leicht erklärlich wird.

Die gewählte Heilart zeigt die Umsicht und Tüchtigkeit der holländischen Aerzte. Sie liefsen, so bald als möglich, spätestens noch vor Ablauf der sechsten Stunde, zur Ader, und reichten danach sogleich Abführmittel, wogegen sich jedoch einige angesehene Männer, zum grofsen Nachtheile der Kranken erklärten, denn die plötzliche Erstickung konnte ohne

Heilart.

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