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1510.

scher Nahrung lebenden Ausländern verderblich wurde, wie das Beispiel des Italieners Ammonius ganz deutlich beweist ).

Bei allen Volkskrankheiten, welche sich zur Ansteckungskraft steigern, kommt es vornehmlich darauf an zu unterscheiden, welche von den Ursachen die mächtigeren sind: die vorbereitenden, epidemischen, welche die Geneigtheit begründen, oder die veranlassenden, unter denen die Ansteckung in den meisten Fällen oben an steht. Hier waren offenbar die vorbereitenden die wirksameren, die Ansteckung gesellte sich erst auf der Höhe der Volkskrankheit hinzu, und wenn sie auch bei der Verbreitung derselben nicht wenig in Anschlag kam, so blieb sie doch immer den übrigen Triebfedern des Erkrankens untergeordnet, und aller ansteckende Stoff verschwand spurlos bei dem Aufhören der Seuche, so dafs die späteren Ausbrüche derselben immer nur wieder durch die erneuten allgemeinen Ursachen über und unter der Erde hervorgebracht wurden. Der wesentliche Grund dieser Erneuerung ist aber innerhalb der Gränzen des menschlichen Wissens eben so wenig aufzufinden, wie etwa die nächste Ursache der Erscheinung der Schimmelflecken zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts, oder irgend eines von verborgenen Naturkräften je vorbereiteten und angeregten Vorganges.

6. Influenzen.

Volkskrankheiten so übersinnlichen Ursprunges. kamen im sechzehnten Jahrhundert nicht wenige vor. Zu den denkwürdigsten gehört ein heftiges und weitverbreitetes Schnupfenfieber im Jahre 1510, von der

1) Erasm. Epist. L. VII. ep. 4. col. 386.

Art, wie es die 'Italiener Influenza nennen, mit Anerkennung einer unerforschlichen Einwirkung, die zu gleicher Zeit unzählbare Menschen ergreift. Es herrschte vornehmlich in Frankreich, wahrscheinlich aber auch im übrigen Europa, worüber nur die Nachrichten fehlen, denn man pflegte über Volkskrankheiten, wenn sie nicht eben mörderisch waren, in dieser Zeit wenig oder nichts aufzuzeichnen, auch möchte wohl nach neueren Erfahrungen zu vermuthen stehen, dafs dies Uebel im entlegensten Osten seinen Ursprung genommen. Den ganzen, sehr kalten Winter über weheten heftige Sturmwinde, und häufige Erdbeben erschütterten Ober- und Mittel-Italien, wonach in Frankreich ein so allgemeines Erkranken erfolgte, dafs nach der Versicherung der Geschichtschreiber nur wenige Einwohner verschont blieben. Die Schnupfenzufälle, welche bei Erscheinungen dieser Art den Anfang zu machen pflegen, scheinen vor den gewaltigen rheumatischen und entzündlichen ganz in den Hintergrund getreten zu sein. Die Kranken wurden zuerst von Schwindel und heftigem Kopfweh ergriffen, nächstdem zog sich ein reifsender Schmerz durch die Schultern bis in die Schenkel, und während auch die Nieren von unerträglich schmerzhaftem Reifsen befallen wurden, entstand ein hitziges Fieber mit Irrereden und heftiger Aufregung; bei einigen entzündeten sich die Ohrdrüsen, und auch die Verdauungswerkzeuge nahmen Theil an dem tiefwurzelnden Uebel, denn die Kranken empfanden unter fortwährendem Magendruck grofsen Ekel vor allen Fleischspeisen, und selbst der Wein wurde ihnen zuwider. Von den Armen wie von den Reichen starben viele und ganz plötzlich an dieser wunderbaren Krankheit, in der die Aerzte mit ihren Abführungen und Aderlässen nicht wenigen das

Leben verkürzten, und ihre Unwissenheit mit dem
Einfluss der Gestirne entschuldigten, da astralische
Krankheiten nicht zum Bereiche menschlicher Kunst
gehörten 1).

Aus dieser nachtheiligen Wirkung des entzündungswidrigen Hauptmittels, so wie der Ableitung auf den Unterleib, ist zu schliefsen, dass die Abspannung und Ermattung der Nerven eine wesentliche Richtung der ursprünglich rheumatischen Krankheit gewesen sei, und diese eben hierin, wie in ihrer Verbreitung auf diese und jene Seite des Lebens, mit den neueren Influenzen übereinkommt, in denen sich die Folgeerscheinungen nur viel weniger lebhaft und deutlich ausprägten. Wie nun die Franzosen, fröhlich und raschen Blutes, ernste Dinge schon von jeher mit scherzhaften Namen bezeichneten, so nannten sie diese Coqueluche. Krankheit die Mönchskappe, Coqueluche, weil diese Kopfbedeckung bei der grofsen Empfindlichkeit der Haut gegen Kälte und Zugluft allgemein nothwendig wurde, und den Ausbruch sowohl wie die Verschlimmerungen des Uebels verhütete. Es ist auffallend, dafs in den freilich sehr unvollständigen Berichten von den Zufällen der Luftwege nicht ausdrücklich die Rede ist, da diese aller Vermuthung nach nicht gefehlt haben, wenn sie vielleicht auch nur oberflächlich angedeutet waren. Fast hundert Jahre früher (1414) traten sie bei einer nicht weniger allgemeinen Erkrankung derselben Art viel deutlicher hervor, so dass alle Kranken von bedeutender Heiserkeit befallen wurden, und man deshalb genöthigt war, alle öffentlichen Verhandlungen in Paris zu unter

1414.

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1) Mezeray, T. II. p. 853. — Paré, p. 823. Holler. Comm. II. in secund. sect. Coac. Hippocrat. p. 323.

brechen 1). In eben dieser Erkrankung kommt der Name Coqueluche zuerst vor, und da dieser bekanntlich auf den Keuchhusten übertragen worden ist, so möchte in der Influenz von 1510, welche eben so genannt wurde, wohl eher eine mangelhafte Nachricht, als das Fehlen so ganz allgemein vorgekommener Zufälle zu vermuthen sein, denn der Volkssinn irrt sich bei dieser Art Vergleichungen und Benennungen viel weniger, als die gelehrte Gründlichkeit der politischen Geschichtschreiber.

Es kann hier nicht unbemerkt bleiben, dafs drei Tac, 1411. Jahre früher (1411) und dreizehn Jahre später (1427) zwei ganz ähnliche Krankheiten in Frankreich, und von gleicher Allgemeinheit vorkamen, von denen bis jetzt noch nirgends Kenntnifs genommen worden ist. Die erste nannte man Tac, die zweite Ladendo, welche Benennungen seitdem ganz verschollen sind. Beide waren von sehr heftigem Husten begleitet, so dafs bei jener nicht selten Brüche entstanden, und Schwangere zu früh gebaren, und von dieser, da alle Welt erkrankt war, die Kirchenandacht gestört wurde. Bei dieser, dem Ladendo, mufs besonders ein anschei- Ladendo, nend entzündliches Nierenleiden auffallen, das wohl noch viel heftiger war, als in der Coqueluche von 1510, gewifs ein denkwürdiges Beispiel epidemischen Einflusses, und ohne Gleichen in der neueren Zeit! Dies Nierenleiden, so beschwerlich wie Steinschmerzen, machte den Anfang, dann trat Fieber hinzu, das die Efslust verdarb, und anhaltender Husten,

1) „Un étrange rhûme, qu'on nomma coqueluche, lequel tourmenta toute sorte de personnes, et leur rendit la voix si enrouée, que le barreau et les collèges en furent muets." Mezeray. Vergl. Diderot et d'Alembert, Encyclopédie ou Dictionnaire raisonné des sciences etc. T. IV. p. 182.

1427.

Den Tac von 1411 könnte

der sich endlich mit widrigem Ausschlag um Mund und Nase entschied. Die Krankheit dauerte gegen funfzehn Tage, und den ganzen October hindurch suchte sie das Volk heim, ohne bei aller Beschwerde irgend Gefahr zu bringen. man versucht werden, für die von Mezeray nur angedeutete Coqueluche von 1414 zu halten, welche unser Berichterstatter nicht erwähnt, denn eine falsche Angabe könnte hier leicht im Spiele sein. Doch muss dies bis zur Untersuchung ergiebigerer Quellen dahingestellt bleiben, da wir auch in der neuesten Zeit ein Beispiel von rascher Aufeinanderfolge von Influenzen (1831 und 1833) erlebt haben. Den Krampfhusten begleiteten gastrische Zufälle und eine übergrofse Reizbarkeit; Blutflüsse machten die Entscheidung. Im Uebrigen war die Krankheit gefahrlos, und dauerte im Ganzen nur drei Wochen 1).

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1) Pasquier, Livr. IV. Ch. 28. p. 375. 76. Hier ist die Stelle: En l'an 1411 y eut une autre sorte de maladie, dont une infinité de personnes furent touchez, par laquelle on perdoit le boire, le manger et le dormir, et toutefois et quantes que le malade mangeoit, il auoit une forte fievre: ce qu'il mangeoit luy sembloit amer ou puant, tousiours trembloit, et auec ce estoit si las et rompu de ses membres, que l'on ne l'osoit toucher en quelque part que ce fust: Aussi estoit ce mal accompagné d'une forte toux, qui tourmentoit son homme iour et nuit, laquelle maladie dura trois semaines entieres, sans qu'une personne en mourust. Bien est vray que par la vehemence de la toux plusieurs hommes se rompirent par les genitoires, et plusieurs femmes accoucherent avant le terme. Et quand venoit au guerir, ils iettoient grande effusion de sang par la bouche, le nez et le fondement, sans qu'aucun médecin peust iuger dont procedoit ce mal, sinon d'une generale contagion de l'air, dont la cause leur estoit cachée. Cette maladie fut appellée le Tac: et tel autrefois a souhaité par risée ou imprecation le mal du Tac à son compagnon, qui ne sçavoit pas que c'estoit. L'an 1427 vers la S. Remy (1. Oct.) cheut un au

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