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1502.

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nachtheiligen Beschaffenheit des Futters herrühren mochte. Man glaubte sogleich an eine Vergiftung der Weide, mit so fester Ueberzeugung, dafs sich, wie einst in der Zeit des schwarzen Todes, die heftigste Wuth gegen vermeintliche Vergifter regte, und wirklich in der Gegend von Meifsen einige „böse Buben," die in Verdacht gekommen waren, hingerichtet wurden 1).

Raupenfrafs Ein sehr bedeutender Raupenfrafs, der weit und breit im nördlichen Deutschland Gärten und Wälder entlaubte (1502), verdient als eine hierher gehörige Erscheinung in der niedern Thierwelt angeführt zu werden 2). Die Naturforschung hat gezeigt, dafs Vorgänge dieser Art durchaus nicht von neuen und wunderbaren Einflüssen, sondern nur von ungewöhnlichen Verhältnissen in fast zufällig scheinendem Verein zu einer bestimmten Zeit, veranlasst werden, vorzüglich in der Wärme der Luft und ihrem Wassergehalt, woher denn bald diese, bald jene niedere Thierart zu aufserordentlicher Entwickelung gedeihet. Aus eben diesem Grunde kommen auffallende Erscheinungen in der Insectenwelt, sei es nun das Hervortreten oder das Verschwinden einzelner Arten, viel häufiger vor, wenn die Ordnung in der Aufeinanderfolge der Jahreszeiten und der Zustände des Luftmeers mehr und andauernder gestört ist, und so hat man denn jene Erscheinungen von jeher mit grofsem Rechte als Vorboten von Seuchen betrachtet, wenn irgend die menschlichen Körper durch atmosphärische Ursachen zu allgemeinem Erkranken gestimmt wurden. Heuschreckenschwärme haben sich vor und während der meisten

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grofsen Seuchen gezeigt, auch scheint die wuchernde Entwickelung dieses Thieres, wenigstens in Europa, die ungewöhnlichsten Verhältnisse, zu erfordern.

7. Blutflecken.

Seltener, jedoch eben so bedeutungsvoll in Bezug auf allgemeine Stimmungen des Lebens, sind die Wucherungen der kleinsten kryptogamischen Gewächse im Wasser und an allerlei feuchten Gegenständen, wie sie vor und während grofser Seuchen durch verschiedenfarbige und so oder so gestaltete Flecken grofses Entsetzen hervorgebracht, und den Aberglauben, Wundern gleich, aufgeregt haben. Diese Flecken (Signacula), vorzüglich die Blutflecken, sind schon in älteren Zeiten, z. B. während der grofsen Weltseuche im sechsten Jahrhundert 1), dann während der Pest im Jahre 786 2) und 959 ge- 786. 959. sehen worden, zu welcher Zeit man die Bemerkung gemacht haben wollte, dafs diejenigen, denen sie häufig auf den Kleidern erschienen, und diesen wahrscheinlich auch einen eigenthümlichen Geruch mittheilten, leichter vom Aussatz ergriffen wurden, woher man denn auch diese Befleckung geradehin den Kleideraussatz (Lepra vestium) nannte 3); vieler anderen Beispiele nicht zu gedenken *), in denen auch keine Seu

1) Geschichte der Heilkunde. Bd. II. S. 146.
2) Sigebert. Gembl. fol. 58. a.
Chr. fol. 66. b.

3) Sigebert. Gembl. fol. 82. a.
Witichind. p. 34.

p. 186.

Spangenberg, M.

Hermann. Contract.

4) Man vergl. hierüber: Nees v. Esenbeck, Nachtrag zu R. Brown's vermischten botanischen Schriften, Bd. I. S. 571., und Ehrenberg's neue Beobachtungen über blutartige Erscheinungen in Aegypten, Arabien und Sibirien, nebst einer Uebersicht und Kritik der früher bekannten. In Poggendorff's Annalen,

chen unter den Menschen zu Stande kamen.

Diesel

1500-1503. ben Zeichen setzten nun auch in den Jahren 1500 bis

1503 die Gläubigen in banges Erstaunen, indem man,

wie früher gewöhnlich, die Form des Kreuzes darin Verbreitung. erkennen wollte 1). Die Erscheinung war diesmal über ganz Deutschland und Frankreich verbreitet, und gehört wegen dieser grofsen Ausdehnung und ihrer langen Dauer zu den ausgezeichneten ihrer Art. Die Flecken waren von verschiedener Farbe, vorzüglich roth, aber auch weifs, gelb, aschfarben und schwarz, und entstanden, oft in sehr kurzer Zeit, auf den Dächern, den Kleidern, den Schleiern und Brusttüchern der Frauen, verschiedenem Geräth, dem Fleisch in den Speisekammern u. s. w. Ein Geschichtschreiber, der auch von Blutregen spricht 2), berichtet, man hätte sie in zehn bis zwölf Tagen nicht wieder entfernen können, und häufig entstanden sie in verschlossenen Kasten in der Wäsche und an Kleidungsstücken 3). Untersuchungen von Naturforschern kann man in dieser Zeit nicht erwarten, es leidet aber keinen Zweifel, dafs hier von irgend einer oder einigen Arten von Schimmel die Rede ist *), indem die ganze Erschei

1830; die beiden besten Arbeiten über diesen Gegenstand, worin auch eine Kritik von Chladni's hypermeteorologischen Ansichten enthalten ist.

1) Am umständlichsten ist hierüber Crusius, der sogar viele Namen von Leuten nennt, auf deren Kleidern Kreuze sichtbar wurden. Auf dem Schleier eines Mädchens wollte man die Marterwerkzeuge Christi entdecken. In der Gegend von Biberach trieb ein Müllerbursche mit dem Anmalen von Kreuzen rohe Kurzweil, wurde aber ergriffen und verbrannt. Bd. II. S. 156.

2) Mezeray, T. II. p. 819.

3) Angelus, S. 261.

4) Vielleicht Sporotrichum vesicarum, oder eine Art von Mycoderma.

nung neueren Beobachtungen ganz deutlich entspricht '). Wissenschaftliche Aerzte des sechzehnten Jahrhunderts, unter denen vorzüglich der naturkundige Georg Agricola (geb. 1494, † 1555) zu nennen ist, erkannten denn auch jene Befleckungen als Schimmel, und ohne ihren Ursprung jenseits der Wolken zu suchen, oder den Aberglauben des Volkes zu unterschreiben, gáben sie ihnen ihre ganz richtige Deutung als Vorzeichen grofser Erkrankungen 2). Sollte Nees v. Esenbeck's allzu kühner Gedanke, dafs Pilze der kleinsten Formen in den höheren Räumen des Luftineers ihre Entstehung finden, und sich herabsenkend auf die Erdoberfläche, Flecken und Färbungen hervorbringen, einst bestätigt werden, was bis jetzt noch nicht geschehen ist, so würden die „Signacula“ in eine noch grofsartigere Beziehung zu den Volkskrankheiten treten, als ihnen schon ohnehin zugestanden werden mufs; denn wenn sie höchst wahrscheinlich auch nur durch Keimverbreitung in den untersten Luftschichten entstehen, so mufs doch eingeräumt werden, dafs wenn sie in einem grössern Raume und lange Zeit hindurch vorkommen, wie zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts, die begünstigenden Ursachen ihrer Erzeugung

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1) Vincenzo Sette beschreibt eine Art von rothem Schimmel, der im Jahre 1819 in der Provinz Padua Pflanzen- und thierische Substanzen färbte, und unter dem Volke abergläubische Besorgniss erregte. Siehe dessen Schrift hierüber.

culci2),,Autumnali vero tempore, cum iam vestes, lintea, trae, panes, omnis generis obsonia, sub dio, vel in conclavibus patentibus locata talem situ mucorem contraxerunt, qualis oritur in penore, in opacis domus cellis collocato, aut etiam in ipsis cellis diu non repurgatis, pestis praesentes ad nocendum vires habet." L. I. p. 45. Agricola's Abhandlung über die Pest gehört zu den geistvollsten, welche das sechzehnte Jahrhundert aufzuweisen hat.

Pest in Frankreich. 1503.

und Verbreitung zu den aufserordentlichen gehören, und eben deshalb auch die menschlichen Organismen zugleich mit in Anspruch nehmen können, wie denn auch jetzt offenbar wurde.

Denn noch in dem fruchtbaren Jabre 1503 machte die schon seit einiger Zeit hier und da vorhandene Drüsenpest grofse Fortschritte, und namentlich wurde Frankreich von einer so mörderischen Seuche heimgesucht, dafs die Einwohner aus Städten und Dörfern, nur um der Ansteckung zu entgehen, schaarenweise in die Wälder flüchteten, und selbst die Hofhunde verwilderten, was nur je bei grofser Entvölkerung geschehen ist 1). Grosse Treibjagden mussten angestellt werden, um das Land von diesen neuen Raubthieren und den in Menge herbeigekommenen Wölfen zu befreien 2). Als nun hierauf die trockene und andauernde Hitze von 1504 noch gröfseres Erkranken vorbereitet, und Mifswachs verursacht hatte, so stieg In Deutsch- die Drüsenpest auch in Deutschland zu einer solchen land. 1504. Heftigkeit, dass an einigen Orten ein Drittheil, an anderen sogar die Hälfte der Einwohner umkam. Verschiedenartige Fieber gesellten sich zu dieser gewaltigen Krankheit, unter denen ein ähnliches wie das in Frankreich (1482) vorgekommene 3), mit Kopfweh und Hirnwuth, nicht weniger auch entschiedene Faul fieber und faulige Lungenentzündungen mit Bluthusten ganz deutlich erkennbar sind *). Dies verschieden

3

1) Z. B. in der Zeit der Justinianischen Pest und des schwarzen Todes.

2) Mezeray, T. II. p. 828. 3) S. oben S. 13.

4) - So hatte das vorige Sterben auch nicht auffgehöret, sondern ward in der grofsen Hitze noch hefftiger, dafs auch an etlichen Orten die Helffte, an etlichen der dritte Theil der Leute hinweggestorben sind, und solchs nicht an einer, sondern an

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