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Krankheit 1), welche von diesem grofsen Arzte zwischen die Drüsenpest und die nicht pestartigen Fieber in die Mitte gestellt wurde, zeigte sich gleich anfangs, doch erkannte man ganz deutlich, dafs die Ansteckung nicht so schnell haftete, wie bei der Drüsenpest, auch durch Kleider und andere Gegenstände nicht so leicht übertragen wurde, und ihr am meisten die Aerzte und Krankenwärter ausgesetzt waren. Das Fieber begann schleichend und mit sehr geringen Zufällen, so dafs die Kranken gewöhnlich nicht einmal ärztliche Hülfe begehrten, wodurch auch viele Aerzte sich täuschen liefsen, so dafs sie, ohne sich der Gefahr zu versehen, eine leichte Genesung hofften, und durch den baldigen Ausbruch bösartiger Erscheinungen nicht wenig überrascht wurden. Die Hitze war wohl im Verhältnifs zum Fieber gering, doch fühlten die Kranken ein gewisses inneres Unwohlsein, eine Zerschlagenheit des ganzen Körpers, und eine Ermüdung wie nach grofser Anstrengung. Mit schwerem Kopfe lagen sie auf dem Rücken, die Sinne wurden ihnen stumpf, und bei den meisten begann nach dem vierten oder siebenten Tage Unbesinnlichkeit, und während die Augen sich rötheten, schwatzhaftes Irrereden. Der Harn war zu Anfang gewöhnlich hell und reichlich, dann wurde er roth und trübe, oder dem Granatwein ähnlich, der Puls selten und klein, der Stuhlgang schadhaft und übelriechend, und an eben jenen Tagen, dem vierten oder siebenten, brachen auf den Armen, dem Rücken und der Brust rothe oder blaurothe Flecke aus, den Flohstichen ähnlich, oder

1) Man nannte sie Puncticula oder Peticulae, auch Febris stigmatica, Pestis petechiosa, Reusner, p. 11. Die späteren Synonyme s. bei Burserius, Vol. II. p. 293.

Zufälle.

auch gröfser, oder so wie Linsenmable (lenticulae), wonach man auch die Krankheit benannte. Durst war entweder gar nicht vorhanden, oder nur gering, dabei die Zunge belegt, und bei manchen stellte sich Schlaftrunkenheit ein. Andere litten dagegen an Schlaflosigkeit, oder abwechselnd an beiden Zufällen. Ihre Höhe erreichte die Krankheit am siebenten oder am vierzehnten Tage, bei einigen auch noch später; bei manchen entstand Harnverhaltung mit sehr schlimmer Vorhersage. Weiber starben an diesem Fieber selten, noch seltener alte Leute, und Juden fast gar nicht, dagegen junge Leute und Kinder in grofser Zahl, und zwar besonders aus den vornehmen Ständen, während die Pest gewöhnlich nur unter den ärmeren Volksklassen zu wüthen pflegte. Den Tod verkündigte ein allzugrofser Kräfteverlust zu Anfang, so wie eine zu stürmische Wirkung leichter Abführmittel, und keine Erleichterung nach vollbrachter Krise. Man sah Kranke sterben, denen an drei Pfund Blut aus der Nase abgegangen waren, auch war es sehr schlimm, wenn die Flecke verschwanden, oder zögernd ausbrachen, oder sich schwarzblau färbten. Die entgegengesetzten Erscheinungen gaben dagegen Hoffnung. Krankhafte Ueber die kritische Bedeutung der Flecken (PeHautthätigkeit. techien) waren die besseren Aerzte einverstanden, denn man sah die Kranken, bei denen sie reichlich und von guter Beschaffenheit ausbrachen, viel leichter genesen, als andere, bei denen der Ausschlag nicht völlig zu Stande kam. Nun war aber auch ein reichlicher Schweifs überaus heilsam, wogegen sich alle anderen Ausscheidungen, besonders die Bauchflüsse, als nachtheilig und tödtlich bewährten. Fassen wir diese Erscheinungen schärfer ins Auge, und erwägen wir noch aufserdem, dafs bei der damals weit

ver

verbreiteten Lustseuche die Hautausschläge vor den übrigen Zufällen vorwalteten, so erscheint der englische Schweifs im Norden Europa's in einer sehr bedeutungsvollen Beziehung, und es möchte demnach wohl die Annahme, dafs die krankhafte Thätigkeit der Organismen während dieses ganzen Zeitalters eine entschiedene Richtung nach der Haut erhalten habe, auf mehr als auf einer blofsen Vermuthung beruhen.

Diese Thatsache spricht durch sich selbst, die Ursachen der veränderten Stimmung der Körper möchte jedoch kein Sterblicher leicht enthüllen. Fracastoro, der seine scharfsinnige Lehre von der Ansteckung viel grofsartiger zu handhaben wufste, als seine späteren Nachfolger, suchte diese Ursachen in der Luftbeschaffenheit, welche in der Fleckfieberseuche von 1528 in noch viel deutlicheren Erscheinungen bemerkbar wurde, als 1505, und brachte diese Beschaffenheit, welche er Infection des Luftmeers" nannte 1), in eine lebendige Beziehung zum Blute, unbekannte Einflüsse mit einem dunkeln Begriffe bezeichnend. Die bewirkte Veränderung des Blutes hielt er, hergebrachten Ansichten zufolge, die das Fleckfieber augenscheinlich zu bestätigen schien, für Fäulnifs (putrefactio), ja er nahm sogar an, dafs in den nicht epidemischen Fleckfiebern, welche von 1505 an häufig vorkamen, einzeln wirkende Ursachen eine ähnliche Veränderung des Blutes veranlasst haben müfsten, wie eben jene Luftbe

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1) Consimilem ergo infectionem in aëre primum fuisse censendum est, quae mox in nos ingesta tale febrium genus attulerit, quae tametsi pestilentes verae non sunt, in limine tamen carum videntur esse. Analogia vero eius contagionis ad sanguinem praecipue esse constat, quod et maculae illae, quae expelli consuevere, demonstrant, etc. p. 161..

Die Aerzte.

Seuchen in Portugal und

Spanien. 1505.

schaffenheit, womit der grofse Arzt die allgemeine und fortdauernde Umänderung des Genius der Krankheiten anerkannte.

Auf die Aerzte in Italien machte das Fleckfieber denselben Eindruck, wie neue Krankheiten von jeher. Denn obwohl sie die besten in Europa waren, so reichten doch ihre Blicke nicht über den galenischen Gesichtskreis hinaus, in dem die neue Erscheinung nicht zu finden war. Sie geriethen daher bald in Verwirrung, und während sie den gefürchteten Feind mit den schulgerechten Lehren von Vollblütigkeit und Schärfen und verborgenen Qualitäten zu umgarnen suchten, und nun bald zu diesem bald zu jenem Arzneimittel griffen, gaben sie sich der Verspottung des Volkes preis, das ihren Widerstreit und ihr unsicheres Schwanken gar bald gewahrte, und wie dies zu geschehen pflegt, den wohlverdienten Tadel Einzelner auf den ganzen ärztlichen Stand übertrug ').

6. Andere Krankheiten.

Um dieselbe Zeit, im October 1505, brach in Lissabon eine sehr mörderische Krankheit aus, und bezeichnete ihre weiteren Fortschritte mit Bestürzung, Flucht und Verwirrung der Einwohner 2). Von welcher Art sie gewesen, ob ein Fleckfieber oder eine Drüsenpest, und in welchem Zusammenhange sie mit

a. O.

1) Vergl. das ganze 6. und 7. Kapitel von Fracastor. a. Wie die italienischen Aerzte im Allgemeinen die Fleckfieber beurtheilten, ist aus Nic. Massa zu ersehen, dessen verworrene Arbeit jedoch für die Geschichte keine Ausbeute giebt. Cap. IV. fol. 67. seq. Vergl. Schenck von Grafenberg's treffliche und sehr ausführliche Abhandlung: de febre stigmatica. L. VI. p. 553. Tom. II.

2) Osorio, fol. 113. b. 114. a.

einer kurze Zeit vorausgegangenen Seuche in Spanien gestanden, möchte schwerlich noch zu ermitteln sein. Eben diese Seuche war im Jahre 1504 in Folge eines Erdbebens und gewaltiger Stürme und Regengüsse von Sevilla ausgegangen, und mag wohl eine Drüsenpest gewesen sein. Aehnliche Angaben über Seuchen in diesem Lande finden sich von 1506, dem Jahre des englischen Schweifses, von 1507 und 8, wo sogar von Heuschreckenschwärmen in der Nähe von Sevilla die Rede ist, und endlich von 1510, dem Jahre einer grofsen Influenz1), und 1515; doch fehlen hier überall die genaueren Beschreibungen 2).

3

Mit allen diesen Erscheinungen bilden die Seu- In Deutschland und chen in Deutschland und Frankreich zu Anfang des Frankreich. sechzehnten Jahrhunderts ein anschauliches Ganze voll innerer Verbindung. Von verschiedener Heftigkeit und Ausdehnung währten sie ohne Ablafs volle fünf Jahre, und es zeigten sich aufserdem ungewöhnliche Dinge, wie nur in grofsen Pestzeiten. Das Jahrhundert kündigte sich mit einem Kometen 3) an, der für diesmal die von jeher geglaubte üble Vorbedeutung dieser Himmelskörper zu bestätigen schien. Denn die Menschen schliefsen in ihrer Weise aus der Gleichzeitigkeit der Erscheinungen auf ihren innern Zusammenhang, und man erinnerte sich vieler Beispiele, in denen grofse Weltseuchen von Kometen verkündigt oder begleitet worden *). Bald darauf bemerkte man Viehsterben ein grofses Viehsterben, welches von irgend einer

1) Siehe weiter unten.

2) Villalba, p. 78. seq.

3) Spangenberg, M. Chr. fol. 402 a. Angelus, S. 261. Pingré, T. 1, p. 479.

4) Vergl. Webster, der hierüber das zu Ermittelnde zusammengestellt hat. Vol. II. p. 82.

in

Deutschland

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