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gen beschäftigt, als unvermuthet im Sommer 1506 der alte Feind sein Haupt wieder erhob, und die behagliche Sorglosigkeit verscheuchte. Der Wiederausbruch der Seuche verband sich diesmal mit keiner erheblichen Begebenheit, und so haben die Zeitgenossen nicht einmal den Monat angegeben, in welchem sie zu wüthen angefangen. Gegen den Herbst war sie schon wieder verschwunden, und wie denn auch keine neuen Zufälle sich der Krankheit hinzugesellten, deren Bild man sich aus alten Erzählungen zu vergegenwärtigen suchte, so eilte man sie mit demselben Mittel zu bekämpfen, dessen Wirksamkeit die Augenzeugen der Seuche von 1485 mit so vielem Rechte anrühmten 1). Behandlung. Man vermied also wie damals jede Erhitzung und Abkühlung, und überliefs das heimtückische Fieber bei mäfsiger Erwärmung im Bette, und ohne starke Arzneien, den Heilkräften der Natur. Der Erfolg war über alles Erwarten günstig, denn nur in wenigen Häusern bedurfte man der Trauerkleider, und nun schrieb man in verzeihlichem Irrthum den Sieg über die gefürchtete Seuche mehr der menschlichen Einsicht zu, als der diesmaligen Gelindigkeit des Uebels, das auch bei weniger besonnenem Verhalten der Kranken sich gewifs zu keiner erheblichen Stärke entwickelt haben Ausbruch in würde. Die Krankheit brach in London aus ob London. sie westwärts vorgedrungen sei, darüber haben die Zeitgenossen, bald überzeugt von der Geringfügigkeit der Seuche, keine Berichte aufgezeichnet; wieweit und wohin sie sich aber auch verbreitet haben mag, über Englands Gränzen ging sie nicht hinaus, und nirgends veranlafste sie eine bedeutende Sterblichkeit.

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Hall, p. 502. —Baco, p. 225.

4. Begleitende Erscheinungen. Unerheblich wie diese Seuche war, so begleiteten sie auch keine auffallenden Erscheinungen in England; doch verhielt es sich ganz anders im übrigen Europa, wie sich weiter unten ergeben wird. Nach einem nassen Sommer im Jahre 1505 war ein strenger Winter eingetreten '); Kometen wurden in diesem wie im folgenden Jahre gesehen, auch erfolgte 1506 ein Ausbruch des Vesuvs 2), der wenigstens angeführt werden kann, wenn es auch wohl feststeht, dafs vulkanische Regungen nur bei einigen grofsen Weltseuchen, nicht aber bei kleineren Volkskrankheiten in Anschlag zu bringen sind. In England wehete vom 15. bis zum 26. Januar 1506 ein gewaltiger Sturm aus Südwest, der den König von Kastilien, Philipp von Oestreich mit seiner Gemahlin Johanna von den Niederlanden aus nach Weymouth verschlug, und weil einige Tage zuvor ein von der St. Paulskirche in London herabstürzender goldener Adler einen schwarzen Adler auf einem niedrigern Gebäude zerschmettert hatte, düstere Weissagungen über das Geschick dieses Kaisersohnes unter dem Volke veranlafste 3). Doch konnte dies Ereignifs auf keine Weise mit der um ein halbes Jahr später ausbrechenden Seuche in Verbindung gebracht werden. Mehr Beachtung verdient die in der damaligen Zeit sehr

1505.

3

1) Spangenberg, M. Chr. fol. 403. a. - Pestilentz, A.

2) Webster, Vol. I. p. 151. - Franck, fol. 219. a. Pingré, T. I. p. 481.

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3) Baco, p. 225. Stow, p. 809. Vergl. die übrigen Chronisten, welche gröfstentheils sehr ausführlich von dieser Be gebenheit sprechen.

Volksstimmung.

trübe und unbehagliche Stimmung des englischen Volkes. Die rücksichtlose Habsucht Heinrich's VII., der den Beinamen des englischen Salomo 1) führt, liefs gegründete Zweifel an der Sicherheit des Eigenthums aufkommen, und die frommen Stiftungen des von Krankheit mehr und mehr niedergebeugten Königs das gewöhnliche Mittel, den gefürchteten Zorn des Himmels zu besänftigen konnten die Erinnerung an die rauhe Willkühr und die Erpressungen seiner rechtsverdrehenden Diener 2) nicht mehr verwischen. Galten nun auch diese Erpressungen hauptsächlich nur dem begüterten, eines Zügels sehr bedürftigen Adel, so wurde doch finsteres Mifstrauen allgemein, und kein Frohsinn wollte mehr unter dem Volke aufkommen. Diese Stimmung hätte der wiederkehrenden Seuche günstig werden können, doch wollte der Genius des Jahres 1506 nicht, dafs diese mehr werden sollte, als eine leichte und vorübergehende Mahnung an eine mystisch verborgene Gefahr, deren Bedeutung keinem ärztlichen Forscher des sechzehnten Jahrhunderts einleuchtete.

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5. Fleckfieber in Italien. 1505.

So könnte nun die Schweifssucht des gedachten Jahres zusammenhanglos erscheinen mit gröfseren Regungen des organischen Lebens, wollten wir nur im mer auf handgreifliche Vorgänge über und unter der Erde Rücksicht nehmen. Das Spiel der Naturkräfte

1) Baco, p. 231.

Vergl.

2) Empson und Dudley, Minister Heinrich's VII., der eineu baaren Schatz von 1,800,000 Pfund hinterliefs. Hume, Hist. of E. Vol. III., Baco und fast alle Chronisten. Beide Minister wurden unter der folgenden Regierung, 1509, hingerichtet. Grafton, p. 236.

ist indessen ein feineres, als unsere stumpfen Sinne und das schwerfällige Triebwerk unserer Werkzeuge vermuthen lassen, ja es fördert gerade dann die auffallendsten Erscheinungen im menschlichen Körper zu dem empfindlichsten Andeuter geheimnifs

Tage

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voller Einflüsse auf das Leben wenn weder diese noch jene irgend eine Veränderung um uns her zu erkennen geben. Eben diese Wahrnehmung bestätigt sich überzeugend in der Zeit der ersten Wiederkehr des Schweifsfiebers. Denn während diese Krankheit auf England beschränkt blieb, da zeigte sich im südlichen und mittlern Europa eine neue und mörderische Seuche, welche von nun an die Völker mit tükkischer Gewalt fast unablässig heimsuchte. Es war das Fleck fieber, eine den älteren Aerzten unbekannte Krankheit, welche zum ersten Male im Jahre 1490 in Granada beobachtet wurde, wo sie das Heer Ferdinand's des Katholischen aufzureiben drohete, und die Saracenen nicht wenig belästigte 1). Die Drüsenpest war unmittelbar vorausgegangen (1483, 1485, 1486, 1488, 1489 und 1490 2)), und es kann mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dafs das Fleckfieber aus dieser als eine eigenthümliche Abart hervorgegangen sei, da auch in anderen Ländern funfzehn Jahre später die Drüsenpest verschiedentlich ausartete, und es nicht beispiellos ist, dafs von grofsen Krankheiten einzelne Formen oder Bestandtheile sich eben so lostrennen, wie sie unter begünstigenden Umständen zusammentreten, um

1) Villalba, T. I. p. 69. 99. — Die Kämpfe Ferdinand's mit den Saracenen begannen 1481 und endeten 1492 mit dem Falle Granada's. Spanisch heifst die Krankheit Tabardillo, welchen Namen jedoch Villalba bei 1490 noch nicht anführt.

2) Villalba, a. a. O. p. 66.

Ausbruch

in Granada

1490.

In Italien.

zu einem verderblichen Ganzen vereint, vielseitige Gefahr zu bringen.

1

Doch waren einige Zeitgenossen der Meinung, es wäre das Fleckfieber von venetianischen Söldnern aus Cypern, wo sie gegen die Türken gefochten hatten, und wo diese Krankheit schon länger einheimisch sein sollte, nach Granada herübergebracht worden 1). Ungeachtet einiger guten Vorarbeiten 2) bedarf dieser Gegenstand noch einer gründlichern Untersuchung, welche über das Emporkommen und die Verbreitung der Fleckfieber, so wie ganz besonders über ihr Verhältnifs zu anderen Seuchen wichtige und lehrreiche Ergebnisse zu Tage fördern würde. Was aber auch von dem wahren Ursprunge des Fleckfiebers zu halten sei, so viel steht fest, es wurde sofort eine selbstständige europäische Krankheit, und vor der Hand den Süden dieses Welttheils einnehmend, trat es fortan mit der Schweifssucht des Nordens in ein eben so auffallendes als merkwürdiges Verhältnifs, wie denn schon das mit der grofsen Fleckfieberseuche im Jahre 1505 fast gleichzeitige Auftreten des Schweifsfiebers in England, einem gemeinsamen, wenn auch seinem Wesen nach unverkennbaren höheren Einfluss mit gutem Grunde zugeschrieben werden kann.

Die Fleckfieberseuche, von welcher hier die Rede ist, herrschte vornehmlich in Italien, und wird von Fracastoro als die erste in diesem Lande vorgekommene beschrieben. Die Ansteckungskraft der neuen

1) Villalba, p. 69. Fracastor. de morbis contagios. L. II. c. 6. p. 155. Schenck von Grafenberg, L. VI. p. 553. Tom II.

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2) Aufser den genannten, die Schriften von Omodei und Pfeufer. Vergl. Schnurrer, Bd. II. S. 27.

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