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1547.

10,000 Engländer, so dafs die Besatzung genöthigt war, ausserhalb der Stadt ein Lager aufzuschlagen, und die zögernden Ersatzmannschaften dem gewissen Tode entgegenzugehen glaubten 1). Die Krankheit verbreitete sich auch unter die französischen Truppen, und wir haben gesehen, dafs sie ihr Gebiet bis über die savoyischen Alpen ausdehnte 2).

Bis hierher scheint also nur das Jahr 1544 von gröfseren Erkrankungen frei geblieben zu sein; doch möchte es schwer fallen, von nun an die einzelnen Gruppen von Volkskrankheiten genau zu bestimmen, wenn der Zusammenhang der Schweifsfieberseuche von 1551 mit ihnen nachgewiesen werden soll. Denn es war, um einen Ausdruck der Schule zu gebrauchen, eine anhaltende typhöse Constitution, die sich durch diese ganze Zeit hindurchzog, und sich bei den geringsten Anlässen durch bösartige Krankheiten zu erkennen gab, so dafs die Erkrankungen, die wir bis jetzt dargestellt haben, nur eigentlich als ihre Verschlimmerungen erscheinen, mit dem Hervortreten bald dieser, bald jener Seite des Lebens.

Fleckfieber, Das Lagerfieber, das im Frühjahr 1547 unter den Truppen des Kaisers herrschte, kann mit gutem Grunde für ein Fleck fieber gehalten werden. Sehr viele Soldaten erkrankten daran, und es wurde um so bösartiger, da das kaiserliche Heer aus ganz verschiedenartigen Kriegsvölkern, Spaniern, Deutschen, Ungarn und Böhmen zusammengesetzt war. Die Befallenen klagten, wie in der Hauptkrankheit, über unerträgliche Hitze des Kopfes, die Augen schwollen an und traten glänzend hervor; ein stinkender Athem verpestete ihre Nähe, die Zunge war braun bedeckt, sie erbrachen Galle,

1) Mezeray, p. 1036. - 2) S. oben S. 83.

Galle, die Haut wurde bleifarben, und dunkelblauer Ausschlag brach hervor. Die Krankheit, deren frische Keime des Kaisers Husaren aus Ungarn mitgebracht hatten, tödtete schon am zweiten und dritten Tage, und man kann voraussetzen, dafs sie vor und nach der Schlacht bei Mühlberg (24. April) nicht geringe Verheerungen in Sachsen gemacht habe 1). Doch kam es nicht zu allgemeinen Erkrankungen.

Nach kurzer Zwischenzeit mehren sich nun wieder die ungewöhnlichen Erscheinungen von 1549 an. Von Raupenfrafs und Viehsterben in diesem Jahre berichten die mitteldeutschen Zeitbücher; eben so von einem Nordlicht am 21. September, und einer bösartigen Krankheit, die bis zum Winter hin junge Leute in nicht geringer Zahl weggerafft habe 2). Allem An- 1549. 50. scheine nach war diese Krankheit ein Fleck fieber, das auch im folgenden Jahre (1550) die Mark Brandenburg, Thüringen und Sachsen heimsuchte ). Besonders war in Eisleben das Sterben bedeutend, wo vom 14. September an in nicht vollen vier Wochen 257, und nach dieser Zeit mehrmals an einem Tage 20 und 24 Leichen beerdigt wurden, so dafs der Verlust, dieses Städtchens wohl auf 500 angeschlagen werden kann *). Man erkennt aus diesem kleinen Beispiele die grofse Bösartigkeit der Seuchen im sechzehnten Jahrhundert, die noch viel deutlicher in die Augen fallen würde, wenn die damaligen Aerzte besser beobachtet, und die Geschichtschreiber Vorfälle dieser Art genauer aufgezeichnet hätten.

1) Thuan. L. IV. p. 73.

2) Spangenberg, fol. 458. a. b. 459. a.
3) Leuthinger, p. 241.

4) Spangenberg, fol. 460. a.

1551.

Influenz.

1551 herrschte in Schwaben eine pestartige Krankheit, die den Herzog Christoph von Würtemberg bestimmte, sich von Stuttgart zurückzuziehen. Sie war nicht eben verbreitet, und blieb wie es scheint in den übrigen deutschen Landen unbekannt 1). Auch in Spanien zeigte sich die Pest 2), und bringt man die Influenz desselben Jahres 3), so wie die grofsen Erkrankungen an bösartigen Fiebern in Deutschland und der Schweiz in Anschlag, die noch von den folgenden beiden Jahren berichtet werden *), so ergiebt sich wiederum ganz deutlich, dafs die fünfte Schweifsfiebers euche umgeben von einer Gruppe verschiedenartiger Volkskrankheiten erschien, welche als Wirkungen allgemeiner Einflüsse betrachtet werden können. Die Krankheit unserer Forschung nahm also in ähnlicher Umgebung von Europa Abschied, wie sie ursprünglich aufgetreten war, und dazwischen dreimal ihre mörderischen Angriffe wiederholt hatte.

5. John Kaye..

Verweilen wir noch einige Augenblicke bei dem Beobachter der fünften Schweifsfieberseuche, dessen Leben ein frisches Bild der Eigenthümlichkeiten und Regungen seines Zeitalters darstellt. Er wurde am 6 October 1510 zu Norwich geboren, und erhielt seine Bildung am Goneville Hall in Cambridge. Seine grofse Kenntnifs des Griechischen und seinen Eifer

1) Crusius, S. 280.
3) S. oben S. 61.

2) Villalba, T. I. p. 95.

4) Wurstisen, (1552 pestilenzische Seuche in Basel) S. 627. Spangenberg, fol. 467. h. 468. a. (Pestilenz und Hauptkrankheit.)

für theologische Untersuchungen bekundete er schon früh durch einige Schriften. Dann begab er sich im reifern Alter nach Italien, dem damaligen Sitze der Wissenschaften, wo ihn Baptista Montanus und Vesal zu Padua in die Heilkunde einweiheten. Der Doctorhut wurde ihm in Bologna zu Theil, und 1542 las er im Verein mit Realdus Columbus über Aristoteles, mit grofsem Beifall. Ein Jahr darauf durchreiste er ganz Italien, und verglich mit grofsem Fleisse die Handschriften, zur Berichtigung von Galen und Celsus, hörte in Pisa die Vorlesungen von Matthaeus Curtius, und kehrte dann durch Frankreich und Deutschland in sein Vaterland zurück.

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In Cambridge als Doctor der Heilkunde aufgenommen, trat er mit grofser Auszeichnung in Shrewsbury und Norwich auf, wurde aber bald von Heinrich VIII. aufgefordert, den Wundärzten in London anatomische Vorlesungen zu halten. Am Hofe Eduard's VI. ehrte man ihn nicht wenig, und die Würde eines Leibarztes, die ihm dieser ertheilte, behielt er auch unter den Königinnen Maria und Elisabeth. 1547 wurde er Mitglied des Collegiums der Aerzte, in dem er späterhin sieben Jahre lang den Vorsitz führte. Er nahm die Würde dieses Vereins beständig mit grofsem Eifer wahr, schrieb dessen Jahrbücher von der Gründung durch Linacre an, bis zu Ende seines Vorsitzes, und bewirkte eine Stiftung zu jährlich zwei öffentlichen Zergliederungen menschlicher Leichen, den ersten in England 1).

Dafs er sich also schon vor 1551 in London niedergelassen, ist gewifs, doch war er während des Schweifsfiebers in Shrewsbury gegenwärtig.

1) Aikin, p. 103. seq.

Seine

Kaye's

Flugschrift über diese Krankheit, die erste und letzte Flugschrift. in England, erschien jedoch erst 1552, nachdem alles

vorüber war. Sie ist in kräftiger Volkssprache und mit rühmlicher Freimüthigkeit geschrieben, denn Kaye tadelt darin die rohe Lebensweise seiner Landsleute ohne allen Rückhalt, und langweilt seine Leser nicht mit allzu vieler Gelehrsamkeit aus den Büchern, welche seine Zeitgenossen so wenig wie er selbst bei anderen Gelegenheiten zurückhalten können. Er behielt sich diese für die lateinische Bearbeitung seiner Flugschrift vor, die noch vier Jahre später herauskam ), und wenn sie auch, nach dem neuern Massstabe beurtheilt, ziemlich ungenügend ist, doch eine Fülle schätzbarer Angaben enthält, und ihren Verfasser als einen guten Beobachter des menschlichen Lebens erkennen läfst. Und dabei kann sich der Engländer des sechzehnten Jahrhunderts nirgends verleugnen, so viele Worte und Wendungen er auch von seinem Celsus erborgt. Seine Ansichten sind der altgriechischen Heilkunde, in welcher die damaligen Aerzte lebten und webten, durchaus angemessen, daher die Benennung „Ephemera pestilens“ 2), die Vergleichung mit ähnlichen Fiebern der Alten ), und seine genaue Würdigung der bedeutungsvollen Lehre von den Luftgeistern, auf welche er die Hauptursachen der Krankheit zurückführt, insofern die verderbte Luft (Spiritus corrupti) mit dem Blutgeiste (Spiritus san

1) 1556. Diese Ausgabe ist sehr selten, und in Deutschland wahrscheinlich nicht vorhanden. Die vom Verf. besorgte Ausgabe (1833) ist nach dem ganz guten Londoner Abdruck von 1721.

2) Bei den Deutschen zuweilen „, eines Tags pestilentzisches Fieber."

3) Ρ. 15. - Π. Ελώδης, τυφώδης, ιδρώδης.

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