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Rheumati

zeigt sich auch bei ihnen dieselbe unmässige Genufsgier wie bei den Engländern, dieselbe Trunkenheit, dieselbe Völlerei bei den häufigen Gelagen, wo die Weinhumpen und Bierkrüge mit allzu gierigen Zügen geleert wurden, endlich auch dieselbe Verweichlichung der Haut durch heifse Bäder und warme Kleidung. Davon wissen alle Zeitgenossen zu reden 1), und un sere wackeren Vorfahren standen bei ihren südlichen Nachbarn in allen diesen Dingen nicht im besten Rufe.

Doch ist hierbei noch ein anderes Verhältnifs zu

sches Wesen. berücksichtigen; es liegt in dem eigenthümlichen Wesen der Krankheit. Schon im Eingange haben wir die Schweifssucht als ein rheumatisches Fieber bezeichnet, und wenn wir den Begriff eines rheumatischen Leidens, wie gebührlich, in seiner weitesten Bedeutung nehmen, so haben sich wohl für diese Ansicht im Verlaufe unserer ganzen Untersuchung gewichtige und überzeugende Gründe ergeben. Sehen

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wir, dafs gerade diejenigen Völker von dem Schweifsfieber heimgesucht wurden, die sich durch weifse Haut, blaue Augen und blondes Haar auszeichnen — die Merkmale deutscher Abstammung so kann wohl mit Recht angenommen werden, dafs eben diese Eigenthümlichkeit des Körperbaues für die wunderbare Krankheit empfänglich machte. Sie ist es, welche die Empfänglichkeit zu Flüssen aller Art begründet, und welche diese Krankheiten ihres Theils in dem nördlichen Europa einheimisch macht, während die südlichen schwarzhaarigen Völker, und die Schwarzen in den Tropenländern unter gleichen Verhältnissen mehr

1) Z. B. Schiller, um von Tausenden nur einen zu nennen.,,Juvit etiam auxitque malum frequens multaque crapula, et in potationibus otiosa vita nostra." fol. 3. b.

von ihnen verschont bleiben 1). Man erinnere sich weiter des übergrofsen Wassergehaltes der unteren Luftschichten, bei dem die Schweifsfieberseuchen entstanden, der dicken, selbst übelriechenden Nebel, welche die Krankheit vorbereiteten und verkündeten, der jähen Abwechselung von frostiger Kühle und grofser Hitze während des Sommers 1529, nicht minder des häufigen Vorkommens aller Arten Flüsse in eben diesem Jahre, und man wird das vollendete Bild der rheumatischen Constitution in jedem einzelnen Zuge wiedererkennen.

Wäre nur schon in den prunkenden Lehrgebäuden der neuesten Zeit eine reifere Kenntnifs von der Electricität der lebenden Körper anzutreffen, es könnte nicht fehlen, dafs auch von dieser Seite helles Licht über den grofsen Gegenstand unserer Forschung verbreitet würde. Wir müssten dann nicht bei der Erfahrung stehen bleiben, dass nebelige Luft dem Körper die Electricität entzieht, Haut und Lungen ihrer electrischen Atmosphäre beraubt, ihr electrisches Wechselverhältnifs mit der Aufsenwelt stört, und durch diese Störung rheumatisches Erkranken des Körpers vorbereitet, mit aller eigenthümlichen Entmischung der Säfte, aller reizbaren Spannung der Nerven, Fieber und schmerzhaftem Leiden einzelner Theile. Man stelle sich diese Störung vor, wie nur irgend neuere Hypothesen dazu einladen mögen, vielleicht als eine Anhäufung der Electricität im Innern des Körpers bei krankhafter, isolirender Thätigkeit der Haut, wofür wichtige Erfahrungen sprechen 2) eine bessere Erkenntnifs

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1) Wohl zu bemerken unter gleichen Verhältnissen. Es soll nicht gesagt werden, dafs sie von rheumatischen Krankheiten frei, sondern nur dafs sie weniger dazu disponirt sind.

2) Dafs rheumatischer Zustand den Körper zum

Beweis.

des Wesens der Flüsse wird nur von ernstem zukünftigen Forschen zu erwarten sein, und bis dahin reichen vielleicht einige offenbare Beziehungen zwischen den rheumatischen Leiden und dem englischen Schweifse hin, die rheumatische Natur dieser Krankheit zu erweisen.

Zuerst die überaus grofse Empfindlichkeit der Schweifs fieberkranken gegen jeden Wechsel der Temperatur, die entschiedene grofse Gefahr der Abkühlung. In keiner bekannten Krankheit kommt diese Reizbarkeit der Haut bis zu dem Grade ausgebildet vor, wie in den rheumatischen Fiebern, nicht weniger auch in den fieberlosen Flüssen, in denen selbst eine ganz deutliche Empfänglichkeit für Metallreiz entsteht.

Zweitens die Neigung des rheumatischen Zustandes, sich durch sehr ergiebige, saure und übelriechende Schweifse zu entschei

Isolator macht, ermittelte A. v. Humboldt schon 1793, und fand diese Bemerkung durch spätere Erfahrungen bestätigt. „Ich habe an mir selbst beobachtet, dafs ich bei einem heftigen Anfalle von Schnupfenfieber gar nicht im Stande war, mittelst der wirksamsten Metalle mir die galvanischen Blitze vor den Augen zu erregen; dafs ich jede Kette zwischen der Muskel- und Nervenarmatur unterbrach. So wie das rheumatische Uebel die Reizempfänglichkeit der Organe mindert, so schien es auch ihre Leitungskraft zu afficiren. Freilich ist das wie? in dieser Sache damit noch gar nicht erläutert; freilich habe ich hier und da isolirende Personen gefunden, welche sich im Genusse der vollkommensten Gesundheit befanden; aber ist es in einem solchen Oceane der Unwissenheit nicht immer schon gewonnen, eine Bedingung auszumitteln, wo man nicht jede determiniren kann? Versuche u. s. w. Bd. I. S. 159. Pfaff glaubt, dass während der Dauer rheumatischer Krankheiten die eigenthümliche Electricität des Körpers auf Null herabsinke. S. dessen Aufsatz über

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die eigenthümliche Electricität des menschlichen Körpers, in Meckel's Archiv, Bd. III. H. 2. S. 161.

den, ohne alles Zuthun der Kunst 1). Das englische Schweifsfieber offenbart diese Regung des Organismus in ihrer höchsten bis jetzt bekannten Ausbildung. Denn es leidet wohl keinen Zweifel, dafs der Schweifs in dieser Krankheit an und für sich kritisch war, in der vollsten Bedeutung des Wortes.

Drittens die eigenthümlich umgeänderte Grundmischung des organischen Stoffes in den rheumatischen Krankheiten, in Folge welcher flüchtige Säure im Schweifse wie im Harne, und thierische Aussonderungen von besonderem Geruche vorwalten. Der englische Schweifs zeigt auch dieses Ergebnifs krankhafter Thätigkeit in so grofsartiger und sprechender Entwickelung, wie keine andere Krankheit. Denn auch die beobachtete Neigung zur Fäulnifs können wir nur als eine Steigerung dieses Zustandes ansehen.

Viertens. Die ziehenden Schmerzen in den Gliedern, das sprechendste Merkmal der Flüsse, fehlten nicht bei der englischen Schweifssucht, ja sie kamen sogar bis zur beginnenden Lähmung entwickelt vor, und wohl nicht mit Unrecht können selbst die Zuckungen der Schweifsfieberkranken aus derselben Quelle hergeleitet werden.

Fünftens. Die Neigung der Flüsse bei ungünstigem Verlaufe in eigenthümliche Wassersucht überzugehen eine Folge der beson

ders gearteten Entmischung

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zeigt sich bei dem

Schweifsfieber so bestimmt ausgeprägt, dafs die Wassersucht selbst allmählich zum Tode führte.

Bedarf es hiernach für die Zweifelnden noch eines Mittelgliedes der Vergleichung, so bietet sich ein

1) Auffallende Erfahrungen dieser Art hat der Verf. zu Zeiten an sich selbst gemacht.

Grund des raschen Verlaufes.

solches in dem Friesel dar, einer Krankheit von entschieden rheumatischem Wesen, doch möge man nicht die verkümmerten Frieselformen der neuern Zeit, sondern die grofsen und ausgebildeten des siebzehnten und achtzehnten Jahrhunderts im Auge behalten. Hier ist ein ähnlicher Geruch des Schweifses, dieselbe Beklemmung, dieselbe unnennbare Angst mit Herzklopfen und Unruhe. Die Arme ermatten, wie von Lähmung ergriffen, Gliederreifsen stellt sich ein, in den Fingern, in den Zehen das unbehagliche Prickeln alles wie beim englischen Schweifs, nur in längerem, ungeregelten Verlaufe und in ganz anderer Entwickelung.

Nach dieser Darstellung erscheint der englische Schweifs als ein Flufsfieber in seiner höchsten Ausbildung, wie nur je die Welt sie gesehen, mächtig eingreifend in das Leben des Hirns und Rückenmarkes und ihrer Nerven, ohne aber die Geflechte des Unterleibes irgendwie zu belästigen. Die übermässige Aussonderung wässeriger Flüssigkeit, welche nur in den gutartigen Fällen durch selbstständige Heilkraft geschah, in den bösartigen aber Lähmung der Gefäfse und wirkliche Schmelzung erkennen liefs, gewährt noch eine andere Rücksicht auf den Folgezustand der Entleerung, der höchst wahrscheinlich in einen Stillstand des Kreislaufes überging, gleichwie dieser nach jedem andern raschen Säfteverlust eintritt, sei es durch Blutflufs oder Brechdurchfall. Hierin lag die Bedingung des ungemein raschen Verlaufes der Krankheit, auch wohl zum Theil der tödtlichen Schlafsucht 1), und

die

1) Diese Erscheinung kann wohl mit Recht mit dem ganz ähnlichen, nur aber länger dauernden Folgeübel der Cholera ver

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