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Federbetten.

diese Vernachlässigung, die nur erst wieder gut gemacht wurde, als schon Tausende begraben waren, aus dem tadelnswerthen Stillschweigen der englischen Aerzte, von denen seit 1485, als wäre England von der Morgenröthe wissenschaftlicher Bildung noch nicht erhellt gewesen, kein einziger die Schweifssucht beschrieben, oder ein vernünftiges Heilverfahren dagegen angegeben hatte. Zwischen England und Deutschland bestand indessen ein lebendiger Verkehr, und es ist unglaublich, dafs jenes Verfahren, welches nicht von einer starren ärztlichen Schule, sondern von dem gesunden Sinne des Volkes erfunden worden war, diesseit der Nordsee nicht früher hätte bekannt werden sollen. Es kann hier die Gewohnheit und häusliche Weise der Deutschen nicht unberücksichtigt bleiben, denn diese begünstigte nicht wenig das verderbliche Vorurtheil des Erhitzens, für welches wir die Aerzte durchaus nicht ganz verantwortlich machen wollen. Die Hausfrauen sorgten schon damals mit allzugrofser Emsigkeit für hohe Betten, welche die Federn der verzehrten Gänse alljährlich aufnahmen. Auf die Behaglichkeit der Federbettwärme hielt man sehr viel, und am wenigsten wollte man sie den Kranken versagen. Hierdurch steigerten sich alle hitzigen Krankheiten zu viel gröfserer Bösartigkeit, weil ein solches Lager entweder trockene Hitze bis zur Fieberwuth, oder nutzlosen erschlaffenden Schweifs verursacht. Dem entsprach der weit verbreitete Mifsbrauch der heifsen Badstuben, und nicht weniger die Sitte, sich allzuwarm zu bekleiden. Ueberhaupt war in der ärztlichen wie in der Heilkunde des Volkes der Gedanke vorherrschend, dafs die Krankheiten durch Wärme und Schweifstreiben bekämpft werden müfsten. Wie nun aber die neuen Volkskrankheiten immer mit den herr

schenden Begriffen und Gewohnheiten empfangen werden, denn die grofse Menge, der sich die meisten Aerzte gern zugesellen, lebt und webt ja in ihnen, so gerieth nun auch die Schweifssucht auf einen Boden, in dem sie ihre bösartigsten Angriffe auf das Leben entwickeln konnte.

Doch wurde man nach vielen Trauerfällen schon in den ersten Tagen des begangenen Fehlers inne. In Zwickau starb am 5. September als ein Opfer seines eigenen Vorwitzes, ein Lobredner des vierundzwanzigstündigen Schwitzens, der ohne Arzt zu sein, dieses Verfahren in einem eigenen Schriftchen gepriesen hatte 1). Einige Tage nach ihm ein Apotheker, ebenfalls in heifsen Betten. Da liefsen denn die Aerzte sogleich nach, verordneten den Kranken nur fünf oder sechs Stunden, und nicht mehr so gewaltig zu schwitzen, und wahrscheinlich fand der ehrenwerthe Ungenannte, dessen wir vorhin gedachten, beifälligen Glauben. Auch in Hamburg überzeugte

man sich von der Schädlichkeit der Federbetten, und gab den wollenen Decken den Vorzug 2). Denn das englische Verfahren wurde alsbald bekannt, und einsichtsvolle Menschenfreunde, die seine offenbare Heilsamkeit sahen, gaben davon in Briefen nach allen Seiten hin Nachricht 3). In Lübeck hielt sich zur Zeit des Schweifsfiebers ein gelehrter protestantischer Engländer auf, Dr. Antonius Barus, der mit grofser Menschenfreundlichkeit überall die englische Behandlung des Schweifsfiebers bekannt machte. Er wurde aber nach beendigter Seuche aus der Stadt verwiesen,

1) Der Buchdrucker Frantz. Schmidt, S. 307.
2) Stelzner, Th. II. S. 219.

3) Dies geht aus dem Wittenberger Regiment hervor.

weil er den streng katholischen Rath um Duldung seiner Glaubensbrüder gebeten hatte. Viele wurden durch ihn gerettet, denn es war auch in dieser Stadt üblich, die Kranken „,todt zu schmoren" 1). In Stettin hörte man noch zur rechten Zeit vom englischen Verfahren, und zwei reisende Handwerker, welche von Hamburg dorthin gekommen waren, wurden den Einwohnern dieser Hauptstadt dadurch hülfreich, dafs sie die Federn aus den Oberbetten zu nehmen riethen, und bekannt machten, wie man die Krankheit mit Glück behandelt habe. Sie hatten selbst Kranke gesehen, und konnten daher die an der wahren Schweifssucht Leidenden von den nur von dem Angstfieber Ergriffenen am Geruche unterscheiden. Sie wàren beständig umlagert von Fragenden und Hülfe Suchenden, und während der gröfsten Noth wurden des Nachts die Gassen hell von den Leuchten der in Angst hin und her laufenden Angehörigen der Kranken 2). Der Abscheu vor den Federbetten und der heifsen Behandlung folgte nun auch der blinden Empfehlung des vierundzwanzigstündigen Schwitzens so rasch, dafs man im Allgemeinen schon um die Mitte des Septembers, in vielen Orten wohl auch noch früher, zu besseren Ansichten gekommen war, und einige einsichtsvolle Männer nach den gemachten traurigen Erfahrungen die Gelegenheit ergriffen, besser auf das Volk einzuwirken, als ihre vorlauten Vorgänger, welche nun schon die Kirchhöfe so reichlich mit Leichen versehen hatten. Zu diesen hülfreichen Aerzten in wahren Sinne des Wortes gehört Peter Wild in Worms 3), der

1) Reimar Kock's Chronik von Lübeck.

2) Klemzen, S. 255.

3) Bei Gratoroli: Petrus, Protomedicus. fol. 90.

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der vor dem niederländischen Verfahren warnte 1), und ein Ungenannter die Namen der Besten bleiben in Zeiten der Verwirrung oft unbekannt - der in kräftiger Volkssprache von dem Gebrauche der Federbetten dringend abmahnte 2). Bald ging auch

1) Siehe dessen Flugschrift.

2) Hier ist das ganze, nur fünf Seiten füllende Schriftchen: Das Remedium, Radt, Hulff vnd trost, fur die Erschrecklichen, vnd beuor, bey vns deutschen, vnerhorten schnellen tödtlichen kranckheit, die Engelischenn Schweissucht genandt, daruor vns Gott der Almechtige genediglich bewahren wölle.

Wehn dye kranckheit vnd schweissucht an kumbt, so last fragenu, was die glock geschlagenn habe, das mercke.

So ymandt mit der Seuch befelt, do vns Gott vor beware, den kümbt sie an mit hitze, oder mit keldé, vnd wirt mechtig schwitzen, vnnd yhm wirt szo wee, vber alle seynen gantzen leib. Etliche kümbt die sucht an, mit heschen auffsteyung vnnd groltzen, vnnd schwitzen nicht, Vnd die nicht schwitzen, den geb man ein Muscaten blumenn mit warmen bier, so schwitzen sie.

So aber ymandt die sucht vnnd kranckheit, do vns Got vor beware, ynn der nacht kriegt, ym pethe, vnnd do er vnter leydt, das mus man yhm vber lassen, hat ehr ein feder odder dünne peth vber, szo schneidt mans auff, vnnd neme die feddern daraus, das ehr alleynn die ziechen oder büren vber behalt, ist sie zu dünn, szo lege darzu eynn erkeldt decken, vnd lafs yhn darunter ligen, bis zum hals zu bedeckt, vnnd hütte sich, das yhm die lufft nicht auff die brust, vnnd unter die arme, vnnd ballen der füefs nicht rüre noch stofs, vnd werff sich nicht viel vmb.

Item, man sol zweenn man bey dem krancken lassen, den zuuorwarenn, das ehr sich nicht auff decke, vnnd auch nicht schlaffe.

Item, die selbigen zwen Menner, müssen acht auf den krancken haben, vnd für schlaffen bewaren. So sie das versehen, vnd nicht bewaren, vnd das der kranck schlieffe, szo kömpt ehr von seinenn synnen, vnnd wirdt toll ym heubt.

Domit man yhn aber vor dem schlaffe enthalten vnd verwaren künne, So nym einn wenig Rosen wassers, vnd streich yhm das mit einem schwam oder reynen tüchleyn yn die dünning schwüschen augen vnd ohren, vnd scharffen wein odder bir essigk,

die Rede von Mund zu Mund: „Die Schweifssucht will keine Arznei haben" ).

1

streych ylm mit dem schwam odder tüchleyn ynn die nasen, vnd rede stetigs mit yhm, das ehr nicht schlaffe.

Will ehr trinckenn, so gib yhm dünne trincken, vnd das soll eyn wenig warm seyn, vnnd man soll yhm auff eyn mal nicht mehr geben, denn zween löffell foll.

Item auff das heupt sol man den krancken setzen, eynne Leynene schlaeff hawbenn, vnnd eynne wüllene mütz darüber.

Item man soll auch nehmen eyn warm tuch, vnd wüsche ym den schweis domit ab von dem antlitz.

Item, Der die schweyssucht des tages krieget. Der lege sich nyder, ists eyn Man, ynn hossen vnd wammes zu peth, ists ein weibs bild in yhren kleydern, vnd las sich vber deckenn, nicht meher als zwue dünne decken, vnd vor allen dingen keyn feder peth, vnd gehe dem also nach, wie vorgeschriebenn ist.

Item den meysten lewten kümbt die kranckheit von grosser erschreckung, vnd von verfernufs, do sol sich ein mensch mit grossem fleys vorwahren.

Eyns für alles, man mus dem krancken nicht seinen willen lassen, Was ehr yhm wil gethan haben, das mus man yhm nicht thun. Item die es des nachtes kriegen, vnd nackent ligen. Wollen sie nicht still ligen, szo nehe man sie ynn die leilach, vnd die leylach mit an das petthe, das do keyne lufft vnder kan komen, bewar yhn mit decken wie vor.

>

Summa, der es also kan xxiiij. stunde ausligen, vnd dem Gott gnad gibt, der genehest der sucht, vnd wirt gesundt.

So ein mensch die xxiiij. stund aufzgelegen hatt, so nehme man yhn auff mit eynem warmen leylachenn, vnd heng yhm was vmb, das ehr nicht kalt werde vnd zeuch yhm was vber die fuesse, vnd bring yhm bey das fewr, vnd vor allen dingen, las yhn yn vier tagenn nicht yn die lufft gehn, vnd bewahr sich vor vielem vnnd kaltem trincken.

Wil ehr auch schlaffen, so xxiiij. stund vmb seinn, So las man yhnn frey schlaffen, das yhn Got bewahr.

Der Herr ist vnser aller mechtigk,

Amen.

(Der Druckort fehlt; wahrscheinlich Leipzig oder Wittenberg.)

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,,Nullis vero aliis medi

1) Magnus Hundt, fol. 27. a. camentis utuntur adversus ipsam, quam exspectatione sudoris, nam quibus advenit, omnes fere evadunt, quibus autem retinetur, maxima pars perit." Forest. a. a. O. p. 159. a. Schol.

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