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Furcht.

ins Stocken gerieth, still und seines Verderbens ge-
wifs, nach Hause schlich, dort sich legte, und nun
wirklich ein Raub des Todes wurde 1). Diese tödt-
liche Furcht ist eine schwere Zugabe zur Geifsel
schnelltödtender Volksseuchen, und im eigentlichen
Sinne des Wortes eine hitzige Gemüthskrankheit, die
in ihren nächsten Wirkungen auf den Geist mit dem
Alpdrücken einige Aehnlichkeit darbietet.
Sie ver-

wirrt den Verstand, so dafs er unfähig wird, die äu-
fseren Dinge in ihrem wahren Verhältnifs zu beur-
theilen, sie macht die Mücke zum Ungeheuer, eine
ferne unwahrscheinliche Gefahr zu einem grausen Ge-
spenst, das sich in die Einbildungskraft fest einklam-
mert; alle Handlungen werden verkehrt, und bricht
etwa in diesem Zustande der Zerrüttung eine andere
Krankheit aus, so glaubt der Kranke dem gefürchte-
ten Todesübel verfallen zu sein, wie die Unglückli-
chen, die nach dem Bifs unschädlicher Thiere der ein-
gebildeten Wasserscheu zur Beute werden. So mö-
gen in dem angstvollen Herbste von 1529 gar viele
von eingebildeter Schweifssucht befallen worden sein,
und manche von ihnen in hoch aufgethürmten Betten
ihr Grab gefunden haben 2). Andere dieser Gemüths-
kranken, die das Glück hatten, von körperlichen Ue-
beln verschont zu bleiben, viele von ihnen rühm-
ten sich gewifs ihrer Standhaftigkeit verfielen ohne
Zweifel durch den heftigen Sturm in ihren Nerven in
jahrelange Hypochondrie, welche sich unter Umstän-

1)

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,,Animos omnium terrore perculit, adeo ut multis metus et imaginatio morbum conciliarit.“ Erasm. Epist. L. XXVI. ep. 56. c. 1476. a. - Spangenberg, a. a. O. 2),,Mancher schwitzt vor forcht, und meynt er hab den Engelischen schweys, wenn er darnach aufsgeschlaffen hat, so erkennet er aller erst seyn narheyt." Bayer v. Elbogen, Cap. 8.

den dieser Art durch Hautkrampf und Angstgefühl bei der blofsen Erwähnung des ursprünglichen Schreckbildes auszeichnet, wenn von diesem selbst auch keine Spur mehr aufzufinden ist 1). Man sah noch jüngst einen solchen Gemüthskranken bei der falschen Nachricht von dem Wiederausbruche der neuesten Weltseuche sich den Tod geben 2). - mit noch grösserem Frevel, als sich feige Soldaten, wenn der Geschützdonner beginnt, leichte Wunden beibringen, um nicht an den Gefahren des Kampfes Theil zu nehmen.

Um diesen Zustand der Gemüther auch in seinen Vorbereitungen ganz zu begreifen, gedenke man nur der ungeheueren Ereignisse in Deutschland. Zwölf Reformation. Jahre früher war das Riesenwerk der Reformation von dem gröfsten Deutschen dieses Jahrhunderts begonnen, und bis hierher mit der göttlichen Kraft des Evangeliums siegreich durchgeführt worden. Die Aufregung war ohne Gränzen. In Städten und Dörfern

schlug die neue Lehre Wurzel, aber auch überall wucherte der tödtlichste Hafs der Partheien, und wie dies in Zeiten so leidenschaftlicher Unruhe zu geschehen pflegt, die Selbstsucht bemächtigte sich auf beiden Seiten der Begeisterung, und ergriff die Fackel des Glaubens, um für ihre unreinen Zwecke die Welt

in Feuer und Flammen zu setzen. Schon im Jahre Falsche Pro1521, während Luther's Verborgenheit in den Mauern pheten, 1521. der Wartburg erhoben sich falsche Propheten 3), und

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wollten das Werk, dessen Geist sie nicht begriffen,

1) Einige wunderliche Beispiele dieser Art könnte der Verf. aus seinem eigenen Wirkungskreise anführen.

2) Es war ein Gemüsehändler in Paris. Berliner Vossische Zeitung vom 2. September 1833.

3) Carlstadt, Nic. Storch, Marcus Thomä, Marcus Stübner, Martin Cellarius und Thomas Münzer.

ohne den grofsen Meister, ohne die Seele dieses Zeitalters vollenden. Sie brachten die wildesten Leidenschaften auf die Bahn, aber ohne innern Halt, und unfähig sich selbst zu zügeln, wurden sie Brandstifter und Bilderstürmer. Bald darauf entflammte sich der Bauernkrieg. unselige Bauernkrieg, eine Nachwirkung althergebrachter Willkühr und Bedrückung, für welche die Wortführer von Dr. Eck's Gesinnung Luther'n selbst verantwortlich machen wollten, ohne zu erkennen, dass die Aufregung der Zeit und die falschen Propheten den Aufruhr veranlafst hatten. Es geschahen Dinge, von denen sich das menschliche Gefühl noch in der Erinnerung abwendet, nie war Deutschlands schöner Boden der Schauplatz gröfserer Grausamkeiten, und nachdem die Rache ihr sinnloses Spiel ohne Hindernifs getrieben, war das Ende, dafs Hunderttausende einst friedlicher und grofsentheils verleiteter Bauern unter dem Schwert der Landsknechte und Henker fielen, und ihre zahllosen Hinterbliebenen der Noth der folgenden Jahre preisgegeben wurden. Die Schlacht bei Frankenhausen am 15. Mai 1525 und Münzer's nachherige Hinrichtung beschlofs diese blutigen Auftritte, die Nachwehen innerer Erschütterung blieben jedoch noch lange fühlbar, und trugen, abgesehen von ihrem höchst nachtheiligen Einfluss auf den Wohlstand des Volkes nicht wenig zu der Abspannung der Gemüther bei, deren Merkmale die Kenner dieser Zeit ganz deutlich angeben ').

1) „Dann alle lieb ist in allen völckern erkalt. Die axt liegt an der Wurzel des baums, die straff ist schon angangen, niemant merckts. Dann die welt ist mit dicker blindheit geschlagen, der glaub aufsgelescht, alle eynigkeit und gotsforcht aufs dem land getriben für über, und nichts dann im Bapstthumb falsche, heuchlerische, scheinende werck, und in andern secten am mei

9. Moralische Folgen.

Die Niedergeschlagenheit wurde vermehrt durch den überall thätigen Geist der Verfolgung, mit dem man hoffte, die neue Lehre noch auszurotten. Noch während die englische Seuche wüthete, wurden in Köln zwei Protestanten verbrannt '), in Mecheln, in Verden, in Paris, loderten in demselben Jahre Scheiterhaufen empor, deren Gluth den alten Glauben gegen die Pest der Gedankenfreiheit schützen sollte. Todesurtheile von Wiedertäufern waren auch in protestantischen Ländern ganz gewöhnlich. Die Universität Leipzig sprach ein solches im Jahre 1529 aus, und in Freistadt wurden 11 Frauen, weil sie sich zu dieser Secte bekannten, nach sogenanntem Urtheil und Recht ersäuft 2). Und nun noch bei den Zerwürfnissen und der Unbeholfenheit des Reiches die Furcht vor den Barbaren des Südens, die bereits Ungarn unter ihrem Sultan Soliman erobert hatten, und während der englische Schweifs in den Donauländern ausbrach, Deutschland zu überschwemmen droheten! Es war eine Zeit der Noth und der Thränen, in der kaum die Muthigsten sich aufrecht erhielten 3), aber zum

sten ein falscher, gedichter, fruchtloser, todter glaub im schwanck, und sy meint doch, sy gesehe und sitze im liecht. In summa, sie ist mit siben ärgern schalckhaftigern geistern besessen für den eynigen bäpstischen aufsgefarnen teufel, so sy doch meint, sy sey dero lofs und seyen all aufsgefaren." Franck, fol. 248. a. Dieselbe Chronik enthält eine sehr lebendige Beschreibung des Bauernkrieges.

1) Ad. Clarenbach und Peter Flistedt.

2) Schmidt, S. 308.

3) Nusquam pax, nullum iter tutum est, rerum charitate, penuria, fame, pestilentia laboratur ubique, sectis dissecta sunt omnia: ad tantam malorum lernam accessit letalis sudor, multos intra ho

Türken vor
Wien.

Augsburgische Confession.

ewigen Ruhme der Deutschen mufs es verkündet werden, sie haben dieses Läuterungsfeuer ehrenvoll und ihrer würdig bestanden. Denn ihre grofsen Geister erwachten zu unerhörter Kraftäufserung, und während die Kleinmüthigen verzagten, gaben sie dem Riesenwerk ihres Jahrhunderts die Weihe der lebendigen, unerschütterlichen Wahrheit.

Die Belagerung von Wien begann den 22. September, nachdem die englische Seuche in dieser Hauptstadt Oestreichs ausgebrochen war. Doch achtete man nicht der innern Gefahr. Mit rühmlicher Tapferkeit wurden die Stürme der Türken abgeschlagen, und am 15. October zog Soliman ab, nachdem der englische Schweifs nicht weniger unter seinen Schaaren gewüthet hatte, als unter den Belagerten 1). Genauere Nachrichten hierüber fehlen, weil man bei viel gröfserer Bedrängnifs des Landes auf die Seuche weniger achtete, doch war die Sterblichkeit in Oestreich unter so ungünstigen Umständen wohl bedeutender, als in den Nachbarländern 2).

Im nördlichen Deutschland sollte ein anderer Kampf zur Entscheidung kommen. Vor Kaiser und Reich wollten die Evangelischen ihren Glauben bekennen, das Ziel ihres Strebens enthüllen, die Reinheit ihres Bekenntnisses gegen Gefahr und Anfechtung zur Wehr nehmen. Hierzu bereitete man sich mit weiser Besonnenheit, und es ist in den Schritten der Reformatoren zur Befestigung des grofsen Werkes nicht die kleinste Spur von der Angst und dem Be

ras octo tollens e medio etc. Erasm. Epist. L. XXVI. ep. 58. c. 1477. b.

1) Fuhrmann, Th. II. S. 745.

2) Chronicon Monasterii Mellicensis. Bei Pez, T. I. col. 285.

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