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Bei nur einigermassen grösserer Entschiedenheit der Regierungen aller dieser Staaten hätten die eben aufgezählten, rund 120.000 Mann starken Streitkräfte bereits vollkommen mobil und operationsfähig sein und ein gewaltiges Veto gegen die auf Hannover und Kurhessen gerichteten Plane Preussens einlegen können.

Doch diese 120.000 Mann waren für die grosse Aufgabe, die ihnen das Geschick gestellt, nicht vorbereitet.

VII. Abschnitt.

Occupation von Hannover und Kurhessen.
(15. bis 28. Juni) 1).

Die preussischen Streitkräfte standen mit über 260.000 Mann gegen Sachsen und Österreich, und mit ungefähr 50.000 Mann Streitbaren zur Action zunächst gegen Hannover und Kurhessen bereit, als am 14. Juni am deutschen Bundestage zu Frankfurt die Abstimmung über den Antrag Österreichs auf Mobilmachung der Bundes-Contingente gegen Preussen erfolgte.

Die preussische Regierung ging nun, ohne Zeitverlust und mit ausserordentlicher Energie, zuerst gegen Hannover, Kurhessen und Sachsen vor.

Am 15. Juni richtete dieselbe Sommationen an die genannten drei Staaten.

Diese Sommationen enthielten die Aufforderung zum Abschlusse eines Bündnisses mit Preussen unter den Bedingungen:

1. Dass die Truppen sofort auf den Friedensstand vom 1. März d. J. gesetzt würden.

2. Dass die Regierungen der Berufung des deutschen Parlaments zustimmten und die Wahlen dazu ausschrieben, sobald dies von Preussen geschehen würde.

3. Dass Preussen dagegen den betreffenden Souveränen ihr Gebiet und ihre Souveränetätsrechte nach Massgabe der Reformvorschläge vom 14. d. M. gewährleisten würde.

die

Die Entscheidung wurde im Verlaufe des Tages selbst erbeten.

Sollte diese nicht oder ablehnend erfolgen, so würde Preussen betreffenden Länder als im Kriegszustande gegen sich

befindlich betrachten.

Die Antworten lauteten insgesammt ablehnend, und es erfolgte sonach noch am Abende desselben Tages die Kriegserklärung an Hannover, Kurhessen und Sachsen, an Österreich hingegen erst am 21. Juni, sei es, dass Preussen zwischen den verschiedenen Kriegserklärungen liegende Frist zur Aus

die

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führung seiner gegen die erwähnten Staaten gerichteten Annexionsabsichten

1) Wir konnten die Operationen der ausserösterreichischen Heerestheile nur in übersichtlicher Weise darstellen und müssen die Leser bezüglich der näheren Details auf die Specialgeschichten dieser Heere verweisen.

möglichst ungestört benützen wollte, oder auch um Österreich selbst zur Kriegserklärung zu verleiten und dadurch vielleicht noch im letzten Augenblicke die ohnehin nicht sehr festen süd- und südwestdeutschen Regierungen in ihren Entschlüssen wankend zu machen.

Unmittelbar nach Absendung der an Hannover, Kurhessen und Sachsen gerichteten Kriegserklärung marschirten preussische Truppen in allen drei Staaten ein.

Die königlich sächsische Regierung stellte in Folge dessen am 16. Jun zu Frankfurt den Antrag:

„Die Bundes-Versammlung wolle, nachdem durch das Vorgehen der „königlich preussischen Regierung, sowohl dem Völkerrechte entgegen als im „Widerspruche mit dem Bundesrechte und dessen unzweideutigen Bestim,,mungen in den Artikeln II und XI der Bundesacte, sowie im Artikel I der Wiener Schlussacte, die öffentliche Sicherheit und der Besitzstand innerhalb ,,des Bundes beeinträchtigt wird, unverweilt die geeigneten Massregeln auf ,,Grund der Artikel XVIII und XIX der Wiener Schlussacte treffen, damit der ,vorhandenen Störung Einhalt gethan werde, insbesondere aber die höchsten „Regierungen von Österreich und Bayern ersuchen, die von der königlich „preussischen Regierung ergriffenen Massregeln, dafern nöthig, mit Gewalt „zurückzuweisen und zu einem solchen Vorgehen ohne Aufschub das Nöthige ,,Vorzukehren.

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„Einstweilen wird die königliche Regierung, ihrer Bundespflichten eingedenk, dasjenige thun, was ihr innerhalb ihrer eigenen Kräfte obliegt." Dieser Antrag ward zum Beschlusse erhoben. Fünf Curien enthielten sich der Abstimmung.

Hierauf erklärte der Gesandte Österreichs:

„Seine Majestät der Kaiser wird mit seiner vollen Macht der gegen ,,seine Bundesgenossen geübten Gewalt entgegen treten und demgemäss mit „Aufbietung aller militärischen Kräfte unverzüglich handeln.

„Allerhöchstderselbe erwartet ein gleiches Einstehen für die gemein„same Sache, für Deutschlands Recht und Freiheit von allen bundesgetreuen „Regierungen."

Am 18. Juni protestirte auch die kurfürstlich hessische Regierung am Bunde gegen die Verletzung des Friedens durch Vergewaltigung von Seite Preussens. Dem daran geknüpften Antrag auf Bundeshilfe trat dann endlich auch Hannover in Folge der Vorgänge in seinem Lande bei.

Es ward nun noch in dieser Bundessitzung, anknüpfend an die Beschlüsse vom 14. und 16., festgesetzt, alle in der Versammlung vertretenen Regierungen zu ersuchen, mit Beschleunigung den bedrängten bundestreuen Regierungen militärische Unterstützung zu bringen.

Die preussische Regierung hatte zur Invasion in Sachsen, Kurhessen und Hannover alle Massregeln im Vorhinein getroffen.

Gegen Hannover und Kurhessen waren drei Divisionen bereit, welche in ein Corps unter Commando des General-Lieutenants Vogel v. Falckenstein vereinigt, später - vielfach verstärkt - die Main-Armee bildeten.

Ursprünglich zählte dieses Corps circa 50.000 Mann mit 78 Geschützen '). Die Division Goeben stand am 15. Juni bei Minden, die Division Beyer bei Wetzlar, und die Division Manteuffel in und nächst Altona

concentrirt.

Hannover hatte sich weder an den Conferenzen der Mittelstaaten in Augsburg, noch an jenen in Bamberg betheiligt; es bewahrte stets eine isolirte Stellung, um jede Provocation Preussens zu vermeiden, und unterliess demnach auch jede auf die rechtzeitige Augmentirung seines Heeres abzielende Massregel, während alle übrigen Staaten von gleicher politischer Tendenz doch Einiges für ihre Kriegsvorbereitungen gethan hatten.

Vielleicht fühlte sich auch die hannoversche Regierung durch die eigene Kammer gelähmt, welche noch am 15. Juni auf Benningsen's Antrag mit einer Majorität von 8 Stimmen sogar die Nichtausführung des Bundestagsbeschlusses vom 14. Juni und die Entlassung der Minister verlangte. Erst jetzt, nachdem der König die preussischen Forderungen zurückgewiesen, ward, natürlich zu spät, die Mobilisirung der hannoverschen Armee angeordnet.

Zwischen dieser Verfügung und dem wirklichen Ausbruche der Feindseligkeiten lagen nur mehr wenige Stunden, und alle Anstrengungen, die nun gemacht wurden, um der durch Unentschiedenheit heraufbeschworenen Lage zu entgehen, wurden in der Folge durch neue Unentschiedenheit vollends

vergeblich.

Ganz ähnlich handelte der Kurfürst von Hessen, und auch der kur

hessische Landtag verweigerte mit grosser Majorität noch am 15. Juni die Mittel zur Mobilisirung der Truppen und verlangte stricte Neutralität.

Nur mit Noth glückte es dem Kurfürsten, seine Truppen vor einer

Katastrophe zu retten, indem er sie am 16. Juni in aller Eile gegen Fulda

und Ha

anau abrücken liess.

Dieselben befanden sich noch auf dem Friedensstande (die Artillerie hatte nicht einmal den Feldschiessbedarf). Doch ward Manches in der Folge wieder gut gemacht; viele Landeskinder eilten freiwillig zu ihren Fahnen

und

Verstärkten den Stand der Regimenter, die hierauf ihre Verwendung beim VIII. Bundes-Armee-Corps, resp. als Besatzung der Bundesfestung Mainz fanden.

1) Ordre de bataille siehe Beilage zum VII. Abschnitte Nr. 1.

Der Kurfürst selbst blieb in seiner Residenz Wilhelmshöhe zurück. Schon am 13. Juni hatte der König von Preussen folgenden Befehl an den General-Lieutenant Vogel v. Falckenstein gerichtet:

„Sollte das Verhalten Hannovers bei der morgenden Abstimmung am „Bundestage über den österreichischen Antrag Mich zur Kriegserklärung "gegen erstgenanntes Königreich veranlassen, so werden Sie Meinen Befehl „zum Einrücken in dasselbe auf telegraphischem Wege erhalten. Ich lege in „diesem Falle die weiteren Operationen vertrauensvoll in Ihre Hand.

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Für dieselben steht zu Ihrer Verfügung die 13. Division, welche Sie „den Umständen gemäss und nach eigenem Befinden durch disponible Land,,wehrtruppen aus dem Bereiche Ihres General-Commando's verstärken können. Ferner steht am 15. d. M. bei Altona eine Division von etwa 14.000 Mann „aller Waffen unter dem General-Major von Manteuffel bereit, um mit "Ihnen zu cooperiren, und ist der genannte General angewiesen, Ihre Befehle ,,darüber entgegen zu nehmen.

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„Die Nachrichten über den Stand der hannoverschen Armee ergeben, „, dass dieselbe noch nicht in voller Kriegsstärke und nicht völlig vorbereitet „ist, sich auf höchstens 15.000 Mann aller Waffen beläuft und sich theils „bei Stade und Lüneburg, theils bei Hannover, Burgdorf und Celle versammelt. Ausserdem scheint aber auch die etwa 4-5000 Mann starke österreichische Brigade Kalik bei Harburg verblieben zu sein. Es muss Ihnen überlassen bleiben, genauere Nachrichten über diese Verhältnisse ,,einzuziehen.

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„Bei den von Ihnen zu unternehmenden Operationen wird es weniger „auf Besetzung gewisser Punkte, als vielmehr darauf ankommen, die hanno,, verschen Truppen durch Entwaffnung oder durch Angriff auf dieselben „ausser Wirksamkeit zu setzen. Sollte Ihnen bei Beginn der Operationen „über eine Kriegserklärung zwischen Preussen und Österreich noch Nichts ,bekannt sein, so haben Sie den etwa im Königreich Hannover verbliebenen ,,commandirenden österreichischen Officier von dem Kriegsfall zwischen „Preussen und Hannover amtlich in Kenntniss zu setzen, damit er in der „Lage ist, sich mit seinen Truppen dem thätlichen Conflict entziehen zu können. Sollte derselbe demungeachtet in Verbindung mit hannoverschen „Truppen sich an deren Operationen gegen Sie betheiligen, so haben Sie auch ihn als Feind zu behandeln.

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„Sie haben eintretenden Falles bei Ihren Operationen den Gesichts"punkt festzuhalten, dass durch ein schnelles Agiren Ihre Truppen sobald „als möglich für Operationen auf einem anderen Kriegsschauplatze verwend,,bar werden.

Berlin, den 13. Juni 1866.

"gez. Wilhelm. “

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