ein steigendes Entfehen erregt, und das SchrecklichWunderbare der Situation andeutet, ohne sie zu erflåren. Eine Geschichte, wovon nichts eine Idee geben kann, erscheint, mit so treffenden und natürlichen Details ausgemalt, wie eine wirklich sich ers eignende Thatsache, und die Neugier wird immer reger, ohne daß man einen einzigen Umstand aufs opfern möchte, fie früher befriedigt zu sehen. Dessen ungeachtet ist dies Stück unter den kleineren Werken der berühmten deutschen Dichter wohl das einzige, gegen welches der französische Geschmack etwas zu erinnern haben dürfte: in allen andern scheinen beide Nationen gleicher Meinung. Der Dichter Jacobi hat in seinen Versen beinahe das Pikante und Leichte Grefsets. Matthisson hat der beschreibenden Poesie, deren Züge oft zu unbestimmt waren, den Charakter eines Gemäldes gegeben, das eben so sehr durch Colorit als durch Aehnlichkeit überrascht. Der eindringliche Reiz von Salis Gedichten erweckt eine Liebe für den Verfasser, als ob man zu seinen Freunden gehörte. Tiedge ist ein moralischer, reiner Dichter, deffen Schriften die Seele zum religiösesten Gefühl ers heben. Endlich müßte ich hier noch eine große Menge von Dichtern anführen, wenn es möglich wåre, alle die lobenswürdigen Namen aus einem Lande zu nennen, wo die Poesie allen gebildeten Geistern so natürlich ist. A. W. Schlegel, dessen literarische Meinungen in Deutschland so viel Aufsehn erregt haben, erz laubt sich in seinen Poesieen nicht den geringsten Ausdruck, nicht die kleinste Wendung, welche die strengste Geschmacks Theorie tadeln könnte. Seine Lodtenopfer, sein Bund der Kirche mit den Künsten, seine Elegie Rom, sind mit der gehaltensten Zartheit und mit gleichem Adel geschrie ben. Die nachstehenden Proben können dazu dienen, den Charakter dieses Dichters zu bezeichnen. Die Idee des Sonnets scheint mir überaus reizend. Anhänglichkeit. Oft will die Seele ihre Flügel dehnen, Nach höhern Welten, frei vom Thatenkreise, In Pluto's Arm entführt, kindlich im Klagen, um Blumen weinte, die dem Schooß entfielen., In dem jezt folgenden Gedichte Lebensmelodieen werden der Schwan und der Adler einander entgegengesetzt, der eine als Sinnbild des beschaus lichen, und der andre, des thätigen Lebens; die wahrhaften Schönheiten der Harmonie finden sich auch in diesem Gedichte, nicht der nachahmenden Harmonie, sondern der inneren Musik der Seele. Die Rührung trifft diese ohne das Nachdenken, und das denkende Talent macht Poesie daraus. Der Schwa n. Auf den Wassern wohnt mein stilles Leben, Der Adler. Ich haus' in den felsigen Klüften, Der Schwan. Mich erquickt das Blau der heitern Lüfte, Ich jauchze daher in Gewittern, Von Apollo's Winken eingeladen, Ich throne bei Jupiters Size; Der Schwan. Von der felgen. Götter Kraft durchdrungen, Hab' ich mich um Leda's Schooß geschlungen; Schmeichelnd drückten mich die zarten Hände, Als ihr Sinn in Wonne sich verlor. Der Adler. Ich kam aus den Wolken geschossen,- So gebahr sie freundliche Naturen, Nun tránkt aus nektarischem Becher Der Schwan. Ahndevoll betracht' ich oft die Sterne, Ich wandte die Flüge mit Wonne Willig weicht dem Tod ein sanftes Leben; Die Fackel der Todten verjünget; Es verdient bemerkt zu werden, daß der Ges schmack der Nationen im Allgemeinen, in der dras matischen Kunst verschiedenartiger ist, als in jedem andern Zweige der Literatur. Ich werde die Gründe dieser Verschiedenheiten in den folgenden Capiteln untersuchen, aber bevor ich zu der Prüfung der deuts schen Bühne übergehe, scheinen mir einige allge meine Bemerkungen über den Geschmack nöthig. Ich werde ihn nicht abstract, wie ein intellectuelles Vermögen betrachten, denn mehrere Schriftsteller, und insbesondere Montesquieu, haben diesen Ges genstand erschöpft; sondern bloß andeuten, warum die Begriffe vom Geschmack in der Literatur bei den Franzosen und den germanischen Völkern so sehr von einander abweichen. Biers Vierzehntes Capitel. Vom Geschmack. Diejenigen, welche Geschmack zu haben glauben, find 'darauf weit stolzer, als diejenigen, welche sich Genie zutrauen. Der Geschmack in der Lites ratur gleicht dem guten Zone in der Gesellschaft, man betrachtet ihn als einen Beweis von Vermö gen, Geburt, oder doch von Sitten und Gewohnheiten, welche damit zusammenhängen; indeß Genie in dem Köpfe eines Künstlers entstehen kann, der nie mit der guten Gesellschaft in Verhältnissen gestanden hat. In jedem Lande, wo es Eitelkeit giebt, wird der Geschmack den ersten Rang bes haupten, weil er die Klassen scheidet, und ein Zeis chen der Verbindung unter den Individuen der ersten Klaffe ist. In jedem Lande, wo man von der Gewalt des Lächerlichen Gebrauch macht, wird der Geschmack für einen der bedeutendsten Vorzüge gehalten werden; denn er lehrt vorzüglich erkennen, was man zu vermeicen hat. Der Sinn für das Schickliche ist ein Theil des Geschmacks, er ist eine treffliche Waffe, um die Stöße zwischen den verschiedenen Arten der Eigenliebe zu pariren. Auch kann es sich ereignen, daß sich eine ganze Nation eine Aristokratie des guten Geschmacks gegen ans dere anmaßt, und sie die einzige gute Gesellschaft in Europa ausmacht, oder auszumachen glaubt; dies läßt sich auf Frankreich anwenden, wo der Gesellschaftsgeist in so außerordentlichem Grade herrschte, daß es wegen dieses Ausspruches wohl Entschultigung verdiente. Allein der Geschmack in seiner Anwendung auf die schönen Künste, unterscheidet sich gar sehr von · |