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so zu sagen, nichts weiter als ein günstiger Zufall ist; wenn es nicht auf dauerhaften Einrichtungen ruht, die dem menschlichen Geschlechte seine Kraft und seine Würde verbürgen, so fehlt es dem Pas triotismus zu bald an Ausdauer, und man übers läßt zu leicht dem Ohngefähr. Vorzüge, die man dem Ohngefähr schuldig zu seyn glaubt. Friedrich 11, eine der schönsten Gaben dieses Ohngefährs, welches einigemal zum Schußgeiste von Preussen geworden war, hatte die aufrichtige Liebe seines Landes zu gewinnen gewußt; nach seinem Lode verehrte man ihn nicht weniger, als in seinem Leben. Gleichwohl hat Preussens Schicksal nur zu auffallend bewiesen, wohin der Einfluß eines großen Mannes führt, sobald er während seiner Regierung nicht edel und großmüthig dahin trachs tet, sich nach seinem Tode entbehrlich zu machen. Die ganze Nation verließ sich auf ihren König, gründete ihre ganze Existenz auf ihn, glaubte mit ihm aufhören zu müssen.

Friedrich II. hätte es gern dahin gebracht, die französische Literatur ausschließlich in seine Staaten einzuführen. Der deutschen legte er ganz und gar keinen Werth bei. Freilich war sie zu seiner Zeit nicht so merkwürdig als jetzt; gleichwohl ist es für den deutschen Fürsten Pflicht, alles aufzus muntern, was deutsch ist. Friedrich hatte zur Absicht, Berlin Paris ähnlich zu machen; er schmeichelte sich, unter den französischen Religionss flüchtlingen einige Schriftsteller zu finden, die int. Stande waren, zu einer französischen Literatur den Grund zu legen. Eine solche Hoffnung mußte nothwendig getäuscht werden, ein künstlicher Ans bau kommt nie dem natürlichen bei; einzelne Mens schen können gegen die Hindernisse ankämpfen, die aus der Natur der Dinge entstehen; große Mas

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fen folgen immer den natürlichen Richtungen. Friedrich hat seinem Lande wirklich und wesentlich dadurch geschadet, daß er dem deutschen Genie laut mit Berachtung begegnete. Eine Folge davon war, daß der deutsche Staatskörper mehr als einmal sich ungerechten Argwohn gegen Preussens Grundsätze zu Schulden kommen ließ.

Gegen das Ende der Regierung Friedrichs ents wickelten sich mehrere deutsche Schriftsteller, und erndteten verdienten Ruhm von der Nation; nicht aber von ihm, der auf die Eindrücke seiner Jugend beharrend, das ungünstige Vorurtheil, das er gegen die Literatur seines Landes gefaßt hatte, nicht fahren ließ. Wenig Jahre vor seinem Lode setzte er eine kleine Schrift auf, in welcher er, unter ans dern Sprachveränderungen in Vorschlag bringt, jedem Infinitiv des Zeitworts einen Vocal anzus hängen, um das Rauhe der deutschen Endungen zu mildern. Dieses Deutsch mit dem italienischen Anhängsel würde die seltsamste Wirkung von der Welt hervorgebracht haben. Aber kein Monarch auf Erden, selbst nicht der größte Despot im Orient, ist mächtig genug, i will nicht sagen, die Wens dung, sondern nur die Endung der in seiner Landessprache üblichen Worte allgemein zu vers åndern.

In einer schönen Ode hat es der Dichter Klopstock dem Könige Friedrich zum Vorwurf ges macht, daß dieser die deutschen Musen vernachläss fige, die sich, von ihm unbemerkt, bestrebten, seis nen Ruhm zu verkünden. Friedrich war weit ents fernt, zu ahnden, was die Deutschen im Fache der Literatur und Philosophie sind; er traute ihnen keis nen Empfindungsgeist zu. Ueberhaupt wollte er unter den Gelehrten eine Mannszucht wie bei seis ner Armee einführen. In seiner eigenhändigen Vors

fchrift an die Academie heißt es: „In der Medicin foll man der Methode von Boerhave, in der Metas ,,physik der des Locke, und in der Naturgeschichte der ,,des Thomasius folgen.“ Diese Vorschriften wurs den nicht befolgt. Friedrich hatte keine Ahndung davon, daß unter allen Völkern, die Deutschen sich am wenigsten vom literarischen und philoso phischen Schlendrian fortziehen lassen; nichts gab zu seiner Zeit die Kühnheit zu erkennen, mit wels cher fie fich in fpåtern Zeiten in das Feld der Abs ftractionen gewagt und darin getummelt haben.

Friedrich sah seine Unterthanen als Ausländer, geistreiche Franzosen aber als seine Landsleute an. Es war freilich natürlich und zu entschuldigen, daß er sich durch das Glänzende und Gehaltvolle, welches zur damaligen Zeit die französischen Schrifts steller zugleich auszeichnete, verführen ließ; gleich. wohl würde er mehr für den Ruhm seines Landes gethan und gewirkt haben, hätte er die Fähigkeiten begriffen und entwickelt, die seiner Nation eigens thümlich sind. Doch wie konnte er dem Einfluß. und dem Geiste seiner Zeit widerstehen, und wo ist der große Mann, dessen Genie nicht in vieler Hinsicht das Werk seines Jahrhunderts ́und seines Zeitalters wäre?

Siebzehntes Capitel.

Berlin.

Berlin ist eine große Stadt, mit breiten geras den Straßen, schönen Häusern, und von regelmäßi»

ger Bauart. Da sie größtentheils neu gebaut ist, so finden sich wenige Spuren älterer Zeiten. Uns ter den modernen Gebäuden erheben sich keine gos thische Monumente, und das Neue wird in diesem neugebildeten Lande auf keinerlei Weise durch Altes unterbrochen und eingezwångt. Was kann aber, wird man sagen, sowohl in Hinsicht der Gebäude, als der öffentlichen Einrichtungen, besser seyn, als durch Ruinen nicht gehemmt zu werden? Ich, für meinen Theil, würde mir in America neue Städte und neue Gesetze wünschen; dort sprechen Natur und Freiheit laut genug zur Seele, um die Erinnerungen entbehrlich zu machen; aber auf uns serem alten europäischen Boden müssen wir auf Spuren der Vergangenheit stoßen. Berlin, diese ganz moderne Stadt, so schön sie immer seyn mag, bringt keine feierliche, ernste Wirkung hervor, fie trägt das Gepräge weder der Geschichte des Landes noch des Characters der Einwohner; und die prächtigen neu aufgebauten Gebäude scheinen. bloß für die bequeme Vereinigung der Vergnügungen und der Industrie bestimmt zu seyn. Die schönsten Pallåste von Berlin find von gebrannten Steinen; kaum wird man in den Portalen und Triumphbögen Quaderstücke auffinden. Preussens Hauptstadt gleicht Preussen selbst; Gebäude und Einrichtungen zählen nur ein Menschenalter, und nichts darüber, weil sie einen Menschen zum Ur heber haben.

Der Hof, dem eine schöne tugendhafte Könis gin vorstand, war zu gleicher Zeit imposent und einfach; die königl. Familie theilte sich gern der Gesellschaft mit, mischte sich mit Würde in die Zirkel der Nation, und fand in alle Herzen Eins gang, weil sie mit dem Begriff des Vaterlandes zusammenfchmelzen, Der König hatte Månner, wie

J. von Müller, Ancillon, Fichte, Hums boldt, Hufeland und eine Menge anderer, die fich in allen Gattungen auszeichneten, in Berlin vereinigt; alle Elemente einer liebenswürdigen Ges sellschaft, einer starken Nation, waren da; aber noch waren diese Elemente nicht gegen einander abges wogen, nicht mit einander verbunden. Gleichwohl galt der Geist, mehr und allgemeiner in Berlin als in Wien; der Held des Landes, Friedrich 11. war zu seiner Zeit ein ukendlich geistreicher Kopf gewesen; und so kam es, daß der Abglanz seines Namens noch alles schätzen und lieben ließ, was ihm åhnlich seyn konnte. Maria Theresia ließ zu ihrer Zeit feinen solchen Eindruck in Wien zurůd, und was bei ihrem Nachfolger Joseph für Geist håtte gelten können, schreckte sie von der Sucht ab, geistreich seyn zu wollen.

Dem Schauspiel, das Berlin gewährte, kam in Deutschland kein andres gleich. Berlin, im Mittelpunkt des nördlichen Deutschlands, kann sich als den Brennpunkt der Aufklärung und des Lichts betrachten. Wissenschaften und Künste find im Flor, und bei den Mittagstafeln, wozu bloß Månner geladen werden, bei Ministern, Gesand ten 2c. findet die Abstufung des Ranges, die dem Verkehr in Deutschland so nachtheilig ist, nicht statt; Månner von Talent aus allen Classen tref fen hier zusammen. Dieses glückliche Gemisch ers streckt sich aber noch nicht bis auf die Frauen; es giebt mehrere unter ihnen, deren Reize und Sees Leneigenschaften alles an sich ziehen, was sich, in Berlin auszeichnet; aber hier sowohl, als im übris gen Deutschland, ist die Gesellschaft des weiblis chen Geschlechts mit der männlichen noch nicht ins nig genug verwebt. Der größte Reiz des Lebens besteht in Frankreich, in der Kunst, die Vorzüge

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