Abbildungen der Seite
PDF
EPUB

auf der alten Straße von Kaluga nach Krasnai: Pa: khra; von wo er sich auf die neue Straße nach Faminskoie wendete. Es war aber nicht seine gesammte Macht bei diesem Orte vereint. Mortier stand noch zu Moskau, der Vice- König bei Malo-Jaroslawek; bedeutende Truppentheile waren zu Wereia und Mosaisk. Napoleon hatte demnach das Heer nicht in seiner Gewalt, und konnte nicht, wie es die Umstände erheischten, rasch und entschieden handeln.

Nach unserm Verfasser mußte Napoleon auf seinem Rückzuge Smolensk und Wilna, wo große Vorräthe aufgehäuft waren, berühren. Er durfte jedoch nicht auf der ganz verödeten Hauptstraße nach Smolensk zurückgehen; sondern mußte den Weg dahin über Medynn, Jukhnow, Massalsk nehmen; der noch Hilfsmittel aller Art bot. Um diesen Weg nehmen zu können, mußte er sich jedoch des Central - Punktes Malo - Jaroslaweh bemeistern. Kutusow mußte diesen wichtigen Punkt vertheidigen; daher bei Malo. Jaroslaweh eine Schlacht statt finden, deren Gewin nung für Napoleon viel wichtiger als der Sieg bei Boro, dino gewesen seyn würde. Nach der Karte scheint es jedoch, daß Napoleon von Wereia Medynn, ohne das von lekterem Orte fünf deutsche Meilen entfernte Jaroslawek zu berühren, erreichen konnte. Die Magazine in Smolensk, die sich übrigens als sehr unzulänglich bewiesen, würde das Heer nicht gebraucht haben, wenn es ein wohlbevölkertes Land schnell durchzog; und so hätte Napoleon, ohne Smolensk zu berühren, sich von Massalsk mit seiner Hauptmacht gerade nach Orcha, oder selbst nach Mohilew wenden können. In der Lage, wo Napoleon sich befand, durfte er nur schlagen, wenn die Schlacht unvermeidlich war, um einen sichern Rückzug durch ein Hilfsmittel bietendes Land antreten zu können. War indeß die Schlacht bei Malo-Jaroslaweh unvermeidlich, so mußte er mit gesammter Macht schlagen. Er hatte jedoch seine Truppen zersplittert, und keinen festen Entschluß gefaßt, und so sehen wir denn auch in den folgenden Begebenheiten nur halbe, schwankende

Maßregeln.

Nach dem Verfasser, dessen Ansicht wir theilen, hätte Napoleon seine verfügbare Streitmacht ge= gen Malo Jaroslawek führen, über die Cuja eine Stunde oberhalb des Orts sehen, und mit verstärktem rech ten Flügel, durch den der Hauptangriff geschehen mußte, sich parallel mit der Straße nach Kaluga aufstellen sollen. Die Russen mußten Malo - Jaroslaweh ohne Kampf verlaffen, sobald ihr linker Flügel geschlagen war. Statt so zu verfahren, ging der Vice- König bei Maló - Jaroslawek (24. Oktober) über die Cuja, bemächtigte sich nach einem hartnäckigen Gefecht dieses Ortes, vermochte jedoch, seine Kolonnen, welche durch das heftige Geschüßfeuer der Nufsen sehr litten, nur allmählig ins Gefecht zu bringen; von dem Napoleon ein unthätiger Zuseher blieb.

Um diese Zeit traf das französische Heer noch ein anderer Unfall, der die ohnehin schon sehr gefährdete Verbindung noch mehr bloß stellte. Wittgenstein wurde im halben Oktober durch das 10,082 Mann starke, aus Finnland gezogene, Korps des Gen. Steingell *), und durch 14,347 Mann, von Petersburg gekommener, Linientruppen und Milihen verstärkt; wodurch seine Streitmacht auf 48,026 Mann anwuchs, denen St. Cyr nur 30,000 entgegenzustellen vermochte. Wittgenstein griff Polok (am 18. Oktober) in drei Kolonnen an. Die erste, 20,825 Mann stark, unter seiner persönlichen Führung, rückte auf dem rechten Ufer der Düna und Polota, die zweite, 11,299 Mann, unter dem Prinzen Jachwill, auf dem linken Ufer des lekteren Flufses, die dritte, 13,000 Mann unter dem Grafen Steingell, auf dem linken Ufer der Düna vor. Was immer bei konzentrisch vorrückenden, nicht in unmittelbarer Verbindung stehenden Angriffskolonnen geschieht, geschah auch hier, statt gleichzeitig, wurde aufeinanderfolgend angegriffen. Der bedeutend schwächere St. Cyr, der indeß aus dem Mits telpunkte in den kürzesten Richtungen sich bewegen konnte,

*) Chambrai nennt diesen Gen. Steinheil, unter welchem Nas men er auch in den deutschen Berichten erscheint.

war auf den entscheidenden Punkten überall der stärkere, behauptete Poloßk, und vereitelte Wittgensteins Absicht. Nach unserm Verfassfer hätten die erste und zweite Kolonne vereint, um Poloßk herum, auf das linke Ufer der Polota marschiren, und die Stadt auf der Seite gegen Witebsk, wo sie am leichtesten zu erstürmen war, angreifen sollen. St. Cyr würde dann genöthigt worden seyn, sich gegen Gamselewo, mit Preisgebung seiner Verbindung mit Witebsk und dem Heere Napoleons, zurückzuziehen. Wir bemerken dagegen, daß ein so kluger und erfahrener Feldherr, wie der Marschall St. Cyr, sich nicht würde haben umgehen und von der Seite von Witebsk angreifen lassen; sondern daß er die Russen in Mitte ihrer Bewegungen selbst angegriffen haben würde. Steingell mit seinen 13,000 Mann, den auch Okus neff auf dem linken Düna-Ufer läßt, konnte daselbst nichts Erhebliches wirken. Ein leichtes Korps von 4000 Mann, mit ein paar Kavallerie-Batterien, würde auf diesen Ufer zugereicht, und so die zum Angriff von Poloßk bestimmte Macht eine Verstärkung von 9000 erhalten haben. Indeß fühlte St. Cyr, daß er sich in die Länge doch nicht gegen die stets anwachsende Macht der Russen in Polokk behaupten könne. Er verließ demnach in der Nacht vom 19. auf den 20. Oktober die Stadt, und zog sich langsam gegen Ula; immer bemüht, die Operazionslinie des französischen Hauptheeres so viel als möglich zu decken.

Bis jetzt hatte Wittgenstein selbstständig gewirkt. Nach Überschreitung der Linie an der Düna traten seine Unter= nehmungen in unmittelbare Beziehung mit denen Kutusows und des Admirals. Dieser sollte, nach des Kaisers Befehl, schnell über Minsk nach Borissow marschiren, und sich, zwischen diesen Ort und Dokschiky, am 22. Oktober mit Wittgenstein vercinen; während die dritte West-Ar= mee Schwarzenberg und Regnier hindern sollte, zu folgen. Der Admiral brauchte nicht weniger als sechs Wochen, um die 72 deutsche Meilen betragende Strecke von Brzesc= Litewski nach Borissow zurückzulegen; was die beabsich= tigte Vereinigung mit Wittgenstein vereitelte. Nach dem

1

Treffen von Malo. Jaroslaweh hatte sich Kutusow ohne Noth auf Gonczerowo zurückgezogen. Was Napoleon kaum noch zu erlangen hoffen durfte, der Rückzug über Medynn und Jukhnow, durch ein bevölkertes, unverwüstetes Land, stand ihm offen. In unbegreiflicher Verblendung zog sich Napoleon von Malo- Jaroslaweß auf die verödete Hauptstraße, die er zwischen Mosaisk und Gjakk bei UspensFoie erreichte (28. Oktober), und entschied dadurch selbst die Vernichtung seines Heeres.

Dem weichenden Feinde schickte der russische Feldherr den Gen. Miloradowitsch nach, und zog mit der Hauptmacht entlang der Straße nach Smolensk; bereit, im günstigen Augenblick in die Flanke der Franzosen zu fallen. Platom, mit seinen Kosaken und einem Jäger-Negiment, ging auf der andern Seite der Hauptstraße. Die französis sche Nachhut, von Davoust befehligt, von Miloradowitsch verfolgt, von zahlreichen Seitenkorps eingèengt, deckte mit ertödtender Anstrengung den Rückzug Napoleons; der am 9. November, nach großem erlittenen Verlust, Smolensk erreichte. Der Marschall Victor war schon früher mit seinem Korps zur Unterstüßung St. Cyrs abgegangen, und stand am 30. Oktober an der Sakomlia, Wittgenstein gegenüber. Die Fortschritte Wittgensteins und Tschitscha= gows erlaubten Napoleon nicht, so lange, als sein Heer es bedurfte, in Smolensk zu verweilen. Am 13. November verließ ein Theil der Garden die Stadt; am 14. folgte Napoleon mit dem andern Theil. Der Marschall Davoust verließ Smolenks in der Nacht vom 15. auf den 16.; der Marschall Ney vom 16. auf den 17. Der Verfasser ta= delt diefen langen Kolonnenzug, der die Theile verhindert habe, sich wechselseitig zu unterstüßen. Indeß hatte sich bes reits ein großer Theil des französischen Heeres in regellose, unbewaffnete Schwärme aufgelößt. Napoleon mußte auf einer Straße marschiren. Er konnte es nicht in gedrängten Kolonnen, wenn auch eine so große Zerstreuung nicht nothwendig gewesen zu seyn scheint.

Endlich lenkte Kutusow aus seinem parallelen Zuge in

356

die Hauptstraße bei Krasnoi, wo er auf Napoleon traf; dessen Nachhut am 17. November ein unglückliches Gefecht bestand. Der Vice - König, der folgte, brach sich ohne erheblichen Verlust Bahn. Davoust konnte das Gleiche nur mit dem Verluste eines großen Theiles seines Korps bewir= ken. Ney, der zulezt kam, suchte vergebens den Durchgang zu erkämpfen; er ging auf das rechte Ufer des Dniepers, und bewirkte, auf beinahe wunderbare Weise, seine Verbindung mit Napoleon. Wohl hätte auch dieser besser gethan, wenn er bei Smolensk auf das rechte Ufer des Dniepers gegangen, und über Babinowitsche, Senno und Lepel, nach Wilna marschirt wäre. Er hätte die Beresina umgangen, sich mit Victor vereint, und höchst wahrscheinlis nur Wittgenstein zu bekämpfen gefunden. Konnte auch, wie unser Verfasser sagt, Kutusow wegen seinem fehlerhaf, ten Rückzug von Malo-Jaroslaweh nach Gonczerowo, nicht Miloradowitsch bei Wiasma unterstüßen, so konnte er doch mit gesammter Macht bei Krasnoi die Straßen sperren und den Vice-König und Davoust an dem Durchbruch hindern. —

Wir kommen nun an den lehten Akt des großen Trauerspiels, dem in der ganzen Weltgeschichte kaum ein zweites zur Seite gestellt werden kann: den Übergang über die Be= resina. Der Admiral war am 19. November bei Borissow angekommen; am 21. bemächtigte er sich dieser Stadt. Wittgenstein stand zu Tschaschniki an der Ula, 14 deutsche Meilen von ihm entfernt. Napoleon hatte Orcha am 19. November erreicht. Der Dnieper, die Ula, die Beresina begrenzten nun den Kriegsschauplak. Als Napoleon Orcha verließ, hatte er, die Korps von Oudinot und Victor eingerechnet, nicht mehr als 30,700 Streitbare. Er hatte 33,000 Russen unter Tschitscha= gow vor sich; unter Kutusow folgten ihm ebensoviel; in seiner rechten Flanke stand ein minder starkes Heer unter Wittgenstein. Wer hätte nicht glauben sollen, daß Napoleon an der Beresina das Ziel feiner Thaten finden, das er, mit allen seinen Marschällen, über die Ruinen des Kremels, in die Brandstätten von Moskau als Gefangener

« ZurückWeiter »