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lensk zu verlassen sich genöthigt fand, mán nur noch hoffen konnte, den Feind dadurch zu verderben, daß man ihn tief in das Innere des Landes zog, und tadelt Napoleon, daß er gegen den Rath seiner erfahrensten Generale dem russischen Heere weiter gegen Moskau gefolgt sey. Dieser Ansicht stimmen auch wir vollkommen bei. Hätte Napoleon bei Smolensk Halt gemacht, hätte er diesen Punkt befestigt, seine Heere wieder geordnet, seine Flügel gekräftigt und ausgedehnt, Dünaburg und Kiew zu erobern gesucht, → hätte er dabei die Wiederherstellung von Polen unuiawunden ausgesprochen, so würde ihn der folgende Feldzug nach Moskau, bei völlig gesicherten Verbindungen, geführt, und zum Herrn des russischen Reiches gemacht haben. Es ist eine Thorheit zu glauben, daß man einen weichenden Feind, ohne Berücksichtigung der Umstände, überall hin folgen, sich so von seinen Bewegungen, seinem Willen abhängig machen müße. Napoleon hatte nach der Besißnahme von Smo. lensk bereits ein großes Reich, das alte Polen erobert. Für den ersten Feldzug war dieß genug. Es durfte und konne te nicht mehr geschehen, als den Besiß zu sichern. An den Russen war es nun, das Verlorene wieder zu gewinnen. Sie wurden bei Borodino geschlagen. Kann man glauben, daß sie, zum Angriff übergehend, bei Smolensk gesiegt hätten. Napoleon wäre im Winter von 1812 und 1813 Meis ster von Polen geblieben. Durch ein neues polnisches Heer verstärkt, wäre er im Frühjahre 1813 nach Moskau gezo gen. Das Kaiserreich hätte sich über Europa erstreckt. Der verwöhnte Sohn des Glückes wollte über Zeit und Ele mente gebieten. Seine Kriegszüge sollten nicht bloß, wie die eines Julius Cäsar, fruchten; sie sollten vor Allem, wie die eines Alexanders, glänzen. Nur Napoleon selbst hat Europa von der Herrschaft Napoleons befreit.

Unser Verfasser, dessen Werk, wie wir schon an einer andern Stelle fagten, mehr theoretisch-strategisch als histo, risch ist, erörtert nun in den folgenden Blättern, die wichtige Frage: wann, und unter welchen Umständen man die Operazionslinien ändern könne. Er bemerkt ganz richtig,

baß eine Flankenstellung, welche aus der Veränderung der Operazionslinie hervorgehe, kein Universalmittel sey, dem Feinde das weitere Vorrücken zu wehren; daß man Ope: razionɛlinien nur in eigenem oder befreundetem Lande verändern könne, und daß eine solche Veränderung große Vorbereitungen in Bezug auf Magazine und Depots erheische. Er bemüht sich, zu zeigen, daß Barclay nicht von Smo lense gleich gegen Kaluga in die mittäglichen Provinzen marschiren konnte, da eine solche Bewegung Moskau, auf das die Blicke von ganz Rußland gerichtet waren, preiß gegeben hätte. Erst als die Schlacht von Borodino verlos ren, die Erhaltung Moskaus unmöglich war, konnte man auf Veränderung der Operasionslinie denken. Auch hätte das russische Herr sich von Mosaisk nicht auf Moskau, sondern auf Borowsk zurückziehen sollen. Wäre Napoleon von Mosaisk, statt gerade nach Moskau, über Wereia nach Podolsk marschirt, so würde er sich der Straßen von Tula und Kaluga bemeistërt, die russischen Heere getrennt, und Kutusom genöthigt haben, sich nach Wladimir zurückzuziehen. Wir bemerken hierbei nur, daß Barclay, nachdem Napoleon auf dem linken Ufer des Dniepers vor Smolensk erschienen war, sich gar nicht mehr über Elnia ge= gen Kaluga zurückziehen konnte; daß er indes wohl besser gethan hätte, mit Vermeidung der blutigen fruchtlosen Gefechte bei Smolensk, diese Richtung früher einzuschlagen. Daß die Russen von Mosaisk auf Borowsk hätten zurückgehen sollen, unterliegt keinem Zweifel. Ihr fehlerhafter Rückzug nach Moskau würde sie in die übelste Lage gebracht haben, hätte die gleich fehlerhafte Vorrückung Napoleons ihnen nicht die Möglichkeit gelassen, das Versäumte nachzuholen.

Zu TzarewoZaimischtche übernahm Fürst Kutusow den Oberbefehl über die russischen Heere. Er fand die von Barclay gewählte Stellung nicht stark genug, trat deshalb am 31. August den weiteren Rückzug an, und erreichte am 3. September Borodino.

Der Verfasser erörtert nun die ewig denkwürdige

Schlacht (7. September), wo die zwei an Zahl fast glei chen Heere (jedes 130,000 Månn) in einem mörderischen, unentscheidenden Kampfe fast den dritten Theil ihrer Streits kräfte verloren. Er tadelt den russischen Feldherrn, daß er auf seinem rechten Flügel, zwischen Gorki und der Moskwa, zu viele Truppen, die gar keinen Feind vor sich hätten, aufgestellt, und sich dadurch in die Lage gesezt habe, wäh rend der Schlacht eine Bewegung links nach der Mitte zu machen; was zur Folge gehabt hätte, daß die Truppen vereinzelt zum Gefecht kamen. Der rechte Flügel des rust fischen Heeres hätte sich an Gorki, der linke an Utiķa stüken sollen; was die Schlachtlinie sehr verkürzt hätte. Die Milizen von Moskau, ein Theil von Platows Kosaken, wäž ren hinreichend gewesen, um die unangreifbare, eine Wegs stunde betragende Strecke zwischen Gorki und der Moskwa zu beseßen. Viel zweckmäßiger habe Napoleon seine Haupts massen auf dem rechten Ufer der Kolocza vereint, und auf dem linken nur Eugens Korps belassen. Statt indes die Schlacht mit versagtem linken und verstärkten rechten Flüs gel zu liefern, und sein Hauptaugenmerk auf Wegnahme von Utika und Umgehung des russischen linken Flügels zu richten, habe Napoleon sich in eine parallele Schlacht vers fangen, sich auf Wegnahme von Verschanzungen, die er ums gehen konnte, eingelassen, und sich so, ohne entscheidenden Erfolg, einen ungeheuren Verlust bereitet. Der Verfasser zeigt nun, daß die Überwältigung und Umgehung des lins ken Flügels die Nussen zwar nicht, wie Einige behaupten, zwischen die Moskwa und Kolocza eingesperrt, aber Nas poleon jedenfalls einen leichtern und gewichtigeren Sieg verschafft haben würde. Utika sey der strategische und taks tische Angriffspunkt. Auf der alten Straße von Moskau hätte nicht nur Poniatowskys, sondern auch Davousts ganzes Korps vorrücken sollen. Wir stimmen vollkommen Oku. neffs Ansichten bei. Die erste strategische Aufstellung der Russen bei Beginn des Krieges war höchst fehlerhaft; die erste taktische Aufstellung bei Borodino war es nicht min der. Hätten die Russen ihre Kräfte mehr gesammelt, ihren

linken Flügel mehr verstärkt, so würden sie nicht, bei gleicher Kraft im Ganzen, auf den entscheidenden Punkten immer die Schwächern gewesen seyn, und vermocht haben, auf dem blutgetränkten Schlachtfelde, nicht nur die Nacht, fondern auch den Tag zu erwarten. Kutusom konnte diefes, bei den genommenen Maßregeln, nicht. Er hatte der alten Garde, die noch nicht zum Gefecht gekommen war, keine frische Truppe entgegenzustellen, und verließ am Morgen des 8. den tapfer behaupteten Kampfplak. Diese Schlacht bezeichnet bei unserem Verfasser das Ende der zweiten Kriegsepoche. Napoleon 30g am 14. September in Moskau ein. In der Nacht begann der Brand, der erst am 20. aufhörte fast die ganze Stadt verzehrte, und Napoleons Aufmerk, samkeit von Kutusow abzog.

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Wir kommen nun auf die dritte Kriegsepoche, welche den Zeitraum von der Übergabe Moskaus bis zur gänzlichen Vertreibung der Franzosen über die Grenze des Reiches be: greift.

Nach der Schlacht von Borodino, beginnt unser Verfasser, als die Übergabe von Moskau keinem Zweifel mehr unterlag, hätten die Russen sich excentrisch von Mosaisk nach Borowsk, gegen Kaluga zurückziehen sollen. Aber beis nahe ein noch größerer Fehler ist es, daß Napoleon, bei feiner Vorrückung nach Moskau nicht die Straßen nach Kaluga, Serpukhow und Rezan beseßte; daß er die Nus fen ganz aus dem Gesicht verlor, und es ihnen möglich machte, um Moškau herum zu ziehen, und die schon verlyrene Verbindung mit den mittäglichen Provinzen wieder zu gewinnen. Moskau loderte in Flammen auf. Rostopschin hat die That von sich zurückgewiesen. Nicht der Brand von Moskau, das Verweilen in Moskau wurde Napoleon verderblich. Das russische Heer hatte schon seinen Flankenmarsch von Kulakowo nach Krasnai-Pakhra vollendet (19. September) und seine Verbindung mit dem Süden eröff net, als Napoleon den König von Neapel gegen Rezan (22. September), Poniatowsky gegen Tula (20. Septem

ber), den Marschall Bessieres gegen Kaluga (22. Seps tember) sandte, um das russische Heer aufzusuchen. Als man endlich die Spur gefunden, folgten Murat mit Poniatowsky dem russischen Heere, das sich auf der alten Straße nach Kaluga hinter der Nara geseßt hatte. Die Vorstellungen Murats nicht achtend, ließ Napoleon nicht volle 30,000 Mann dem mehr als noch einmal so starken russischen Heere gegenüber; indeß er mit seiner Hauptmacht, eingewiegt von eiteln Friedensträumen, in Moskau drei Märsche entfernt blieb. Murat hatte die Stellung hinter der C z e r n i schnia genommen. Kutusow überzeugte sich endlich, daß er nur einen Theil des französischen Heeres vor sich habe, ging deshalb bei Tarutino und Spaskoie über die Nara, und griff in fünf Kolonnen, von denen die äußerste rechte auf Spaßkuplia gerichtet war, und Murat von Moskau abschneiden sollte, die französische Stellung an (18. Ok-. tober). Unser Verfasser lobt Kutusows Plan, tadelt jedoch, daß die rechte Flügelkolonne nicht stark genug war, um ihre Aufgabe vollständig zu lösen. Demungeachtet wurde Murat geschlagen, und mit Verlust von 38 Kanonen und 40 Munizionskarren zum Rückzug gegen Moskau gezwungen.

Der Schlag von Tarutino schreckte Napoleon aus sei: nen Friedensträumen auf. Sich mit seiner vereinten, noch bei 100,000 Mann betragenden, Streitmacht eine neue Rückzugslinie über Kaluga zu eröffnen, hätte nun sein Ziel seyn sollen. Er würde es erreicht, er würde sein geschwächtes Heer in Ordnung zurückgebracht, und vermocht haben, wo nicht hinter dem Dnieper und der Düna, doch hinter dem Niemen und Bug die Winterquartiere zu beziehen. Doch was entschlossen und schnell ausgeführt werden mußte, wurde nur schwach und kraftlos versucht, und endlich ohne Noth aufgegeben. So schwer fiel es der Eitelkeit Napoleons, sich_unumwunden zum Rückzug zu entschließen,

vor aller Welt zu bekennen, daß er mehr als Abenteuerer, denn als Feldherr nach Moskau gezogen, und was er unklug unternommen, klüglich aufzugeben genöthigt sey. Erst am 19. Oktober verließ Napoleon Moskau, und marschirte Östr. milit. Zeitsch. 1831. III.

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